Schwarzenbek. Immer mehr Friseure im Kreis Herzogtum Lauenburg machen bei einer ungewöhnlichen Aktion mit. Und so funktioniert sie.
Der Stadtfriseur in Geesthacht war der erste, mittlerweile haben sich sechs weitere Innungsbetriebe im Kreis Herzogtum Lauenburg angeschlossen und wollen mit abgeschnittenen Haaren den Meeren helfen. Das Bückeburger Start-up-Unternehmen „Hair help the oceans“ stellt aus menschlichem Haar Filter her, die Öl aufsaugen können.
„Wir müssen derartige Initiativen aufgreifen, wenn wir qualitätsbewusst arbeiten wollen“, sagt Laila-Astrid Riewesell. Die Inhaberin der Haargalerie LR in Schwarzenbek (Lauenburger Straße 37) ist die neue Obermeisterin der Innung. Sie hatte 2021 das Amt der Obermeisterin von Dagmar Bares-Rausch übernommen, war zuvor schon Lehrlingswartin der Innung, der kreisweit 16 Friseursalons angehören.
Haare ab, damit die Meere wieder sauberer werden – so funktioniert’s
Auf Riewesells Initiative beruht ein Besuch beim Geesthachter Stadtfriseur (Bergedorfer Straße 23): Die Innungsbetriebe haben sich über soziale Medien vernetzt, die Inhaber treffen sich regelmäßig auch persönlich zu Stammtischen. Am 22. Mai waren Isrâfil Çetin mit Tochter Filiz und Schwiergersohn Metehan Doglali Gastgeber und stellten ihren Berufskollegen auch das Projekt „Hair help the oceans“ vor. Das Start-up will mit abgeschnittenen Haarresten natürlich und nachhaltig bei der Reinigung von Meeren, Flüsse und Seen helfen. Die Haarfilter können überall dort zum Einsatz kommen, wo Benzin oder Motoröl ausgelaufen ist. Wo Motorboote ankern und tanken, an Badestränden und dort, wo es zu verschmutzenden Unfällen in Gewässern gekommen ist. „Es ist schön, dass unser Beispiel Schule macht und jetzt auch andere Kollegen mitmachen“, sagt Doglali.
Ein Kilogramm Haar kann bis zu acht Kilogramm Öl aufnehmen
Ein Kilogramm Haare, egal ob gefärbt, getönt oder Natur, kann bis acht Kilogramm Öl aus dem Wasser filtern. Nach dem Gebrauch lässt es sich reinigen und bis zu achtmal wiederverwenden. Vorbild für die Bückeburger Initiative war der französische Verein „Coiffeure Justes“ (Faire Friseure), dessen Mitglieder die Haare in alte Nylonstrümpfe füllen, aneinanderreihen und solche Haarfiltern auch 2019 vor Mauritius im indischen Ozean einsetzten, nachdem dort ein Frachter auf Grund gelaufen war und Tausende Tonnen Öl verloren hatte. „Ich bin von einer Kundin darauf angesprochen worden, habe abends gegoogelt und sofort zugeschlagen“, erinnert sich Friseur Doglali. Doch die Salons im Kreis Herzogtum Lauenburg spenden nicht nur die Haare ihrer Kunden: Sie unterstützen die Logistik des Start-ups auch finanziell.
Doch Nachhaltigkeit spielt nicht nur bei den Haarabfällen eine Rolle: „Wir recyceln bereits die Alufolien, die wir beim Färben der Haare einsetzen“, sagt Obermeisterin Riewesell. Auch Behälter mit dem Haarspray landen nicht im Müll, sondern werden von einer Firma in Freudenbach recycelt. In ihrem Salon wird Riewesell zudem wiederbefüllbare Behälter für Shampoo, Spülung, Conditioner und Haarkur einführen: Wie an einer Bar können die Behälter dann immer wieder neu befüllt werden. „Diese Entwicklung geht immer weiter“, sagt die Innungsobermeisterin und berichtet von einem Zulieferer, der seine Produkte nicht mehr in Kartons aus Pappe, sondern in Klappkisten aus Kunststoff ausliefert: „Die klappen wir zusammen und geben sie bei der nächsten Lieferung wieder mit.“
Nachhaltigkeit ist Trumpf – auch bei der Mitarbeitergewinnung
Riewesell ist überzeugt, dass ihre Branche derartige Ideen aufgreifen muss – nicht nur, um mit der Zeit zu gehen: „Es ist für uns alle wichtig, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft einzusetzen.“ Doch Haare werden nicht nur zu Ölfiltern, sondern auch zu Echthaarperücken: Riewesell kennt Mädchen, die sich extra die Haare lang wachsen lassen, um sie für Krebspatientinnen zu spenden: Mindestens 30 Zentimeter sind für so eine Perücke notwendig.
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Mit Nachhaltigkeit klappt es vielleicht auch mit der Nachwuchsgewinnung: Kreishandwerksmeister Markus Räth berichtet zumindest aus dem Baugewerbe von einer zunehmenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. „Wir haben es noch nicht ausgewertet“, sagt Räth, doch vielleicht liege es an der Diskussion über Wärmepumpen und das Heizungsgesetz, denn Nachhaltigkeit sei vielen jungen Menschen wichtig. Und die bieten jetzt zunehmend auch die Mitgliedsbetriebe der Friseur-Innung. Kreisweit gehören 16 Salons der Innung an, Riewesell schätzt aber, dass es mehr als 300 Friseur- und Kosmetiksalons gibt.
Obermeisterin Laila Riewesell: „Ich bin mit Leidenschaft Friseur“
Das sei in Ordnung, so die Obermeisterin. Zwar biete auch die Handwerkskammer Informationen für die Betriebe an, doch die Innung biete mehr: „Wenn ich mit einem Berufskollegen zu tun habe, kann der mir ganz anders helfen. Ich bin Obermeisterin geworden, weil ich überzeugt bin, dass wir nur gemeinsam etwas erreichen können“, sagt die Friseurmeisterin und lädt zum Besuch des nächsten Stammtisches ein, der im Herbst geplant ist: „Wer erfolgreich arbeiten will, braucht diesen Austausch.“
Für die heute 54-Jährige war Friseur schon immer ihr Traumberuf: Ihre Ausbildung machte sie in Büchen, ging dann nach Lüneburg. Doch nur Haare schneiden, färben und föhnen war ihr auf die Dauer zu wenig: Riewesell machte ihren Meister, übernahm die Geschäftsführung eines Salons und war für 25 Angestellte zuständig. Danach wechselte sie in ein Schönheitsstudio und zu einem großen Filialisten nach Hamburg, bevor sie sich 2007 mit zwei Salons in Büchen und Schwarzenbek selbstständig machte. Derzeit betreibt sie nur den Salon in Schwarzenbek, dessen Spezialität die Haarverlängerung ist. Das sei kein modisches Accessoire, so die Friseurmeisterin, sondern häufig auch ein Stück Lebenshilfe – etwa bei Kundinnen mit sehr dünnen Haaren, durch die die Kopfhaut durchschimmert. „Die gehen dann sehr stolz wieder aus dem Salon“, sagt Riewesell, die eine weitere Technik anbietet, um mehr Volumen zu erzeugen: den Calligraphy Cut.
Calligraphy Cut: Spezielle Schnitte mit dem Haar-Skalpell
2018 hatte Friseurmeister Frank Brormann in der TV-Show „Höhle der Löwen“ sein patentiertes Haar-Skalpell vorgestellt: Statt mit der Schere werden die Haare mit einem Calligraphen auf Länge geschnitten – immer mit einem Winkel von 21 Grad. Das sorgt nicht nur für mehr Lichtreflexionen an der Spitze, sondern hilft dem Haar auch, Pflegeprodukte besser aufzunehmen. Vor allem Frauen und Männer mit sehr dünnen Haar profitieren von der neuen Technik, die dem Haar mehr Fülle verleiht. Riewesell hatte die Technik bei einem Kollegen gesehen und für sich entdeckt: „Wir können nur weiter existieren, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Alles, was gut ist, möchte ich auch meinen Kunden anbieten.“
Wer mit seinem nächsten Friseurbesuch auch den Meeren helfen will – das sind die teilnehmenden Betriebe: Stadtfriseur (Bergedorfer Straße 23, Geesthacht), Haargalerie LR (Lauenburger Straße 37, Schwarzenbek), Friseur Jaschinski (Büchener Straße 4, Büchen), Salon Grambow (Heideblock 4, Witzeeze), Friseursalon Diana Werth (Hinter den Höfen 13, Kühsen), Friseursalon Beauty Hair (Wallstraße 7, Mölln) und „Echte Momente“ (Herrenstraße 2a, Ratzeburg).