Trittau. Entscheidung für viele überraschend. Worin Wechsel begründet ist und auf welches Erlebnis die Geistliche gern verzichtet hätte.
Die Nachricht war ein Schock für die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Trittau: Pastorin Anke Schäfer nimmt nach mehr als 30 Jahren ihren Abschied, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Für viele Trittauer undenkbar, in deren Leben Schäfer über so viele Jahre eine Konstante gebildet hat. Denn die Pastorin hat unzählige Familien seelsorgerlich begleitet. Auch die Vorsitzende des Kirchengemeinderates, Katrin Röttinger, hat erst vor etwa sechs Wochen vom Weggang Schäfers erfahren.
„Uns alle hat das extrem überrascht“, sagt sie. Ihrer Kenntnis nach habe die Pastorin diese Entscheidung sehr kurzfristig getroffen. „Sie hat gesagt, dass die neue Stelle in der Nähe ihres künftigen Wohnortes buchstäblich vom Himmel gefallen sei.“ Gemeint ist Mölln, wo die Familie ein Haus besitzt. Der Umzug vom Pastorat ins eigene Heim ist für Anfang Mai geplant. Anke Schäfer sagt: „Bis Ende April bin ich in Trittau im Dienst. Dann gehe ich in Urlaub und organisiere den Umzug.“
Arbeit und Privatleben lassen sich besser in Einklang bringen
Doch auch wenn der Abschied schneller kommt als gedacht, sei das Ende laut Schäfer absehbar gewesen. „Ich habe immer gesagt, ich bleibe nicht bis zum offiziellen Ruhestand“, so die Pastorin. Sie habe vorgehabt, Ende dieses Jahres zu gehen. „Ich habe den Abschied nur ein Stück weit vorgezogen, weil ich die großartige Gelegenheit habe, gleichzeitig zu arbeiten und in unser Haus zu ziehen“, erläutert sie.
Künftig ist sie für die Vakanzvertretung südlich von Mölln in der Propstei Lauenburg zuständig. Somit entfällt die Residenzpflicht und auch der Arbeitsaufwand dürfte deutlich geringer ausfallen. Denn der ist in Trittau gestiegen, seit Pastorin Susanne Schumacher im vorigen Jahr nach Hamburg gewechselt und ihre frei gewordene Stelle daraufhin gestrichen worden ist. Sie ist nicht die einzige, die Schäfer in ihrer Trittauer Zeit kommen und gehen gesehen hat: Auch Pastor Bellmann, Pastor Heitmann und Pastorin Botta haben die Gemeinde aus unterschiedlichen Gründen verlassen.
„Der enorm erhöhte Arbeitsaufwand hat unserer Pastorin kräftemäßig zugesetzt“, meint Katrin Röttinger. Anke Schäfer sagt jedoch, dass nicht die Mehrarbeit, sondern das private Interesse Grund für den Wechsel gewesen sei. „Ich gehe ohne Not“, betont sie. Sie sei bereits von ihrem Vorsitz im Kirchengemeinderat zurückgetreten. „Wir versuchen einen guten Übergang hinzukriegen.“
Gemeinden sehen sich mit Abbau statt Aufbau konfrontiert
Auf die Frage, welche Erlebnisse ihr besonders in Erinnerung geblieben sind, überlegt Schäfer nicht lang. „Die Entwidmung der Bethlehem-Kirche in Witzhave.“ Es sei ergreifend gewesen. „So etwas will ich nicht noch einmal erleben.“ Ziel sei es doch, eine Gemeinschaft aufzubauen. „Statt dessen haben wir uns dort damit beschäftigt, etwas abzubauen.“
Im Gedächtnis wird ihr auch das Weihnachtsfest während der Corona-Zeit bleiben, an dem erstmals kein Gottesdienst gefeiert wurde. Zur üblichen Zeit ging sie mit ihrer Familie in die Kirche. „Wir haben Heiligabend dort verbracht. Man konnte in der Stille das Holz knacken hören.“ Dass sie direkt nebenan im Pastorat wohnt, hatte auch seine Tücken. „Ich war permanent ansprechbar.“ So klingelten Feuerwehrleute sie kurzerhand aus dem Bett, weil ein Anrufer ein Feuer in der Kirche gemeldet hatte. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass der gelbliche „Feuer“-Schein im Kirchenhaus von den hinter dem Gebäude angebrachten Scheinwerfern stammte.
Kirche setzt vermehrt auf das Engagement von Ehrenamtlichen
Schäfers Motto lautete: „Die Kirchentüren öffnen“. Das bedeute, „dass wir eine einladende Gemeinde sein und Präsenz zeigen müssen“. Gerade in schwierigen Zeiten, in denen der Strukturwandel Opfer verlangt. Wie in der katholische Gemeinde, die kürzlich angefragt habe, „ob sie bei uns mit unterkommen kann“. Es sei spannend zu beobachten, wie alles gewachsen sei und sich die Traditionen über die Jahre verändert hätten. „Corona hat auch ein Stückchen Freiheit gebracht, Dinge neu zu denken“, glaubt Schäfer.
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Der eigentliche Reichtum, der in 30 Jahren entstehe, sei, dass man Freud und Leid miteinander geteilt habe. „Ich fühle mich beschenkt, so viel Vertrauen und diesen tollen Kreislauf des Lebens erlebt zu haben, indem ich so viele Familien begleiten durfte.“ Daraus sei ein Beziehungsschatz erwachsen. Schäfer lobt die Arbeit der Ehrenamtlichen: „Insbesondere die wechselnden Kirchengemeinderäte, wie viele sich engagiert haben mit einer irren Verlässlichkeit. Die Kirche ist angewiesen auf die Ehrenamtlichen.“
Pastorin will keinen Abschied mit Tränen, sondern fröhliche Feier
„Es hätte im Prinzip auch gut weitergehen können“, sagt sie, hält einen Moment inne, sagt dann: „Aber ich habe das jetzt entschieden und das ist auch gut so.“ Klar sei aber: „Für uns ist das auch ein ganz wehmütiger Abbruch.“ Sie sei jedoch neugierig auf das, was komme. „Viele Kollegen sagen, mit 63 Jahren schmeiße ich den Stift weg. Ich probiere in den letzten Arbeitsjahren etwas Neues, das ist schon ein bisschen skurril“, findet Schäfer. Zwar habe sie schon früher Gelegenheiten zum Wechsel gehabt, es jedoch genossen, „dass ich das über die Jahre so entwickeln kann“.
Jetzt macht die Pastorin, die die Gemeinde entscheidend geprägt hat, den Weg frei. „Es tut ihr gut, wenn jemand nachrückt, der jünger ist, neue Wege geht und frische Ideen mitbringt.“ Denn: „Ich habe hier jeden Stein schon dreimal umgedreht.“ Was wünscht sie sich für ihre Abschiedsfeier am Pfingstsonntag? Schäfer: „Ich will keine Tränen und Gejammer, sondern gemeinsam ein fröhliches Fest feiern.“