Ahrensburg. Katholische Kirche bestätigt Gerüchte um Kirchenschließungen und stellt Konzept vor. Zusammenarbeit mit Protestanten denkbar?
Die Pläne waren in der vergangenen Woche bereits durchgesickert (wir berichteten), jetzt ist es offiziell: Das Erzbistum Hamburg wird einen Großteil seiner Gotteshäuser in Stormarn aufgeben. Fünf katholische Kirchen der Pfarrei St. Ansverus sollen demnach in den kommenden Jahren verkauft werden: St. Vicelin in Bad Oldesloe, Heilig Geist in Großhansdorf, St. Marien in Reinfeld, St. Michael in Bargteheide und St. Marien in Trittau. In Stormarn soll nur der Standort in Ahrensburg erhalten bleiben, dazu im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg Mölln und Ratzeburg.
Am Donnerstag stellten Vertreter der Pfarrei die Pläne in Ahrensburg der Öffentlichkeit vor. Demnach sollen 13 der 22 Immobilien in beiden Kreisen bis 2030 abgestoßen werden. „Den Gebäudebestand unverändert zu erhalten hieße, viel Geld, das wir nicht haben, in Gebäude zu investieren, die wir in dieser Zahl und Größe nicht mehr brauchen“, sagte der Ahrensburger Pfarrer Christoph Scieszka. Die Zahl der Kirchenmitglieder sei seit Jahren rückläufig, die Entwicklung werde sich trotz aller Bemühungen absehbar fortsetzen.
Katholische Kirche bestätigt Aus für fünf Gotteshäuser in Stormarn
Die Pfarrei, die den Norden der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg umfasst, zählt laut Diakon Tobias Riedel derzeit etwa 13.800 Gläubige, rund 1000 weniger als noch 2018. Die Kirchen seien während der Messe am Sonntag inzwischen nur noch zu maximal 20 Prozent ausgelastet. Dem stünden hohe Ausgaben für den Unterhalt von Immobilien gegenüber.
Im vergangenen Jahr verzeichnete die Pfarrei laut Riedel Einnahmen von 872.366 Euro und Ausgaben in Höhe von 1.046.939 Euro. „Das ergibt ein Defizit von rund 175.000 Euro im Jahr“. 58 Prozent der Aufwendungen, rund 600.000 Euro, entfielen auf Instandhaltungs-, Wirtschafts- und Energiekosten für die kircheneigenen Gebäude. „Für die Seelsorge, die Kernaufgabe der Kirche, stehen nur 15 Prozent des Budgets zur Verfügung“, rechnete der Diakon vor.
Diakon nennt Reduktion des Immobilienbestandes „alternativlos“
Hinzu komme ein massiver Sanierungsbedarf an mehreren Standorten. „Dass wir sparen müssen ist klar, und dass wir dabei um den Immobilienbestand nicht herumkommen auch“, betonte Riedel und bezeichnete die Reduktion der Liegenschaften als „alternativlos“. Andernfalls drohe der Pfarrei in wenigen Jahren die Insolvenz. Riedel sagt: „Wir möchten uns künftig auf die Seelsorge und karitative Aufgaben konzentrieren.“
Wie viel Geld die Veräußerung der Immobilien in die Kassen der klammen Pfarrei spülen könnte, dazu wollte Riedel noch keine Angabe machen. „Unser Ansatz ist es nicht zu schauen, für welche Grundstücke wir besonders viel Geld bekommen können, sondern, welche Gebäude wir noch benötigen und welche nicht “, sagte er. Fakt ist, dass die Pfarrei Immobilien in bester, zentraler Lage besitzt. Gleichzeitig müsse an vielen Standorten aber der Bebauungsplan geändert werden, um etwa Wohnungsbau zu ermöglichen, sagt der Diakon. Selbst entwickeln wolle die Pfarrei die Grundstücke nicht, auch wenn das Mieteinnahmen bedeuten würde. „Wir sind keine Immobilienverwaltungsgesellschaft, wir können das personell nicht leisten“, sagte Riedel.
Der Beschluss fiel in den kirchlichen Gremien einstimmig
Eine Immobilienreform erfolge seit Januar 2021 im gesamten Erzbistum Hamburg. „Wir gehören zu den ersten Pfarreien, die ein Konzept fertiggestellt haben, andere befinden sich derzeit noch in dem Prozess“, so Riedel. Das Papier sei seit Anfang 2022 von einer Arbeitsgruppe erstellt worden. „Die Kommission besteht aus Vertretern unserer gewählten Gremien“, sagte der Diakon. Ihre Mitglieder seien durch den Kirchenvorstand und den Pfarrpastoralrat benannt, Vertreter aller sechs Gemeinden der Pfarrei beteiligt worden. „Der Beschluss des Konzepts war sowohl in der Kommission als auch im Kirchenvorstand einstimmig“, hob Riedel hervor.
„Die Aufgabe der Arbeitsgruppe war die Entwicklung eines Immobilienkonzeptes, das einerseits pastoral sinnvoll und andererseits finanziell tragfähig ist“, erklärte Riedel. Dazu seien alle Liegenschaften in Primärimmobilien, die auch künftig unverzichtbar seien, und Sekundärimmobilien, die mittelfristig aufgegeben werden sollen, eingeteilt worden.
Standorte in Großhansdorf, Reinfeld und Trittau sollen aufgegeben werden
Was das konkret bedeutet, führen Riedel und weitere Vertreter der Kommission mit Blick auf die einzelnen Standorte aus. Die Immobilien in drei Kommunen sollen demnach vollständig aufgegeben werden: St. Marien in Reinfeld und Heilig Geist in Großhansdorf bereits Anfang 2024, St. Marien in Trittau zum Jahresbeginn 2026. Die Standorte Bad Oldesloe und Bargteheide sollen dem Konzept zufolge zwar erhalten bleiben, aber ohne eigene Kirchen.
Das Gotteshaus in Bargteheide soll bereits zum Januar 2025 aufgegeben werden, ebenso das benachbarte Pfarrhaus. Erhalten bliebe lediglich das Gemeindehaus. In Stormarns Kreisstadt soll das Ende von St. Vicelin zum Jahresbeginn 2027 folgen, neben dem Gemeinde- soll hier aber auch das Pfarrhaus erhalten bleiben. Genau umgekehrt ist es in Mölln, Ratzeburg und Ahrensburg. In der Eulenspiegel-Stadt soll das Pfarrhaus bereits zum 1. Januar 2024 verkauft, die denkmalgeschützte Kirche Heilig Kreuz dagegen weiter genutzt werden. In Ratzeburg sollen Kirche und Pfarrhaus erhalten bleiben, das Gemeindehaus dagegen 2027 veräußert werden.
Gemeindeleben soll in allen Orten auch ohne Kirche weitergehen
In Ahrensburg, dem Verwaltungssitz der Pfarrei, gibt es Erwägungen, den östlichen Teil des Kirchengrundstücks an der Adolfstraße, auf dem sich derzeit ein Parkplatz und Unterkünfte für Geflüchtete befinden, für Wohnungsbau zu verkaufen, möglicherweise bereits ab Anfang 2024. Für neue Parkmöglichkeiten könnte das derzeitige Pfarrhaus weichen, der Pfarrer eine neue Dienstwohnung im Gemeindehaus erhalten, das aufgestockt werden soll. Eine Standortgarantie haben laut Riedel die drei Kitas der Pfarrei. Ebenso nicht Teil des Konzepts sind das Kloster Nütschau in Travenbrück, welches direkt dem Erzbischof untersteht, sowie die Gemeinden in Glinde und Reinbek, die zur Pfarrei Heilige Elisabeth gehören.
Riedel betont mit Blick auf die Pläne: „Es geht nicht darum, Gemeinden abzuwickeln oder aufzulösen.“ Im Gegenteil, das kirchliche Leben in allen sechs Gemeinden werde weitergehen. „Nicht jede Gemeinde benötigt ein eigenes Gebäude“, sagte der Diakon. „Die Standorte, die künftig ohne eigene Immobilien sind, werden wir pastoral besonders eng betreuen“, versprach er.
Pfarrei führt Gespräche mit evangelischen Gemeinden über Kooperation
In Bad Oldesloe soll die Kapelle des Jugendhauses St. Josef, in der die Gemeinde bis zur Weihung von St. Vicelin 1968 bereits zusammengekommen war, so umgestaltet werden, dass dort künftig die sonntägliche Messe stattfinden kann. In Bargteheide, Großhansdorf, Trittau und Reinfeld sei die Pfarrei in Gesprächen mit den evangelischen Gemeinden über eine Mitnutzung von deren Räumlichkeiten. Erste Gespräche hätten bereits stattgefunden und seien sehr positiv verlaufen.
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„Wir möchten die ökumenische Kooperation insgesamt ausbauen und hoffen, dass katholische und evangelische Kirche noch enger zusammenrücken“, sagte Ahrensburgs Pfarrer Christoph Scieszka. Beide Kirchen stünden vor ähnlichen Herausforderungen und könnten von einer räumlichen Nähe profitieren. „Theologisch sind wir dichter beieinander, als viele denken“, sagte er. Schon jetzt geben es in vielen Bereichen eine enge Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen. Darüber hinaus könnten auch die Gruppenräume der Gemeindehäuser für Gottesdienste genutzt werden.
Umsetzung des Konzeptes könnte noch in der zweiten Jahreshälfte beginnen
Das Konzept sei seit Anfang Februar den Gemeindemitgliedern vorgestellt worden. „Die Reaktionen waren gemischt, von Verständnis über Skepsis bis hin zu großer Enttäuschung“, sagte Diakon Riedel. Er sei überrascht gewesen, dass die große Mehrheit der Mitglieder die Pläne gut aufgenommen habe. „Aber natürlich wird es Tränen geben, es sind Entscheidungen die wehtun, weil viele Mitglieder biografisch mit den Gebäuden verbunden sind, in denen sie getauft wurden oder geheiratet haben“, so Riedel.
Dennoch sei es besser, „jetzt einen kräftigen Schnitt zu vollziehen, als das Thema nur oberflächlich anzupacken und in fünf Jahren wieder über Immobilien zu sprechen“. Das Papier wollen die Vertreter der Pfarrei bis Ende März dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße zur Genehmigung vorlegen. Seine Zustimmung, mit der Riedel fest rechnet, vorausgesetzt, werde in der zweiten Jahreshälfte die Umsetzung beginnen.