Reinbek. Bezahlbarer Wohnraum bleibt Mangelware: „Von der Bundesregierung ausgegebenes Ziel ist nicht zu halten.“ Das sind die Gründe.

Der 75. Geburtstag ist für die meisten ein Anlass zum Feiern. Für die Baugenossenschaft Sachsenwald, deren Gründung sich im Juli zum 75. Mal jährt, ist er das nicht. Ihnen sei derzeit nicht nach einer großen Party zumute, sind sich die beiden Vorstände Stefan Ellendt (49) und Dirk Reiche (44) einig. Die gesetzlich verordnete Energiewende, explodierende Materialkosten auf dem Bau, Lieferschwierigkeiten, davongaloppierende Grundstückspreise, gestiegene Bauzinsen, Handwerkermangel und vor allem das derzeitige Chaos bei der KfW-Förderung sind alles andere als gute Rahmenbedingungen für Baugenossenschaften und Wohnungsbauunternehmen.

„Noch nie waren die Zeiten so herausfordernd wie derzeit“, sagt Dirk Reiche. Der 44 Jahre alte Reinbeker arbeitet seit 21 Jahren bei der Baugenossenschaft Sachsenwald und hat viele gute Jahre miterlebt, in denen es leicht war, bezahlbaren Wohnraum für die Menschen vor Ort zu schaffen.

Viele Neubauprojekte in der Schublade verschwunden

„Das ist aktuell aber nur schwer möglich. Deshalb ist das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen bundesweit zu bauen, nicht zu halten“, ist sich Dirk Reiche sicher. Die beiden Vorstände sind mit anderen Genossenschaften und Wohnungsbauunternehmen aus der Region eng vernetzt und wissen, dass sie mit dem Problem nicht allein sind. „Bei vielen sind Neubauprojekte erst einmal in der Schublade verschwunden“, sagt Stefan Ellendt.

Dass unter diesen Vorzeichen die Baukonjunktur eingebrochen ist, überrascht Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen, nicht. „Verunsicherung, Unzuverlässigkeit und Misstrauen sind keine Grundlage für Investitionen“, sagt Breitner.

Nachfrage nach Wohnungen in allen Größen ist ungebrochen groß

Das können die beiden Vorstände der Reinbeker Baugenossenschaft nur unterstreichen. Die Genossenschaft, die mit ihren rund 1200 Mitgliedern und knapp 800 Wohnungen in Reinbek, Glinde und Barsbüttel zu den kleineren Playern zählt, wird in diesem Jahr kein Neubauprojekt mehr starten. Dabei ist eines – das im Glinder Stadtteil Wiesenfeld – bereits fertig geplant. Hier sollten im Quartier der Zukunft 149 Wohnungen entstehen. In diesem Jahr sollte Baustart sein. Davon hat die Genossenschaft Abstand genommen, nachdem das Bundeswirtschaftsministerium kurzerhand die KfW-Förderung im November 2021 gestrichen hat.

So soll das neue Quartier am Glinder Buchenweg aussehen. Die Baugenossenschaft Sachsenwald plant 149 Wohnungen. Umgesetzt wird es jetzt erst mal nicht.
So soll das neue Quartier am Glinder Buchenweg aussehen. Die Baugenossenschaft Sachsenwald plant 149 Wohnungen. Umgesetzt wird es jetzt erst mal nicht. © Baugenossenschaft Sachsenwald | Baugenossenschaft Sachsenwald

Gänzlich von dem Projekt verabschieden will sich die Baugenossenschaft aber nicht. „Wir halten an unserem Ziel fest, behutsam zu wachsen und neuen Wohnraum zu schaffen“, sagt Ellendt. Denn die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnraum in allen Größen ist ungebrochen groß. Eine Warteliste führt die Genossenschaft absichtlich nicht. „Auf eine Wohnung haben wir aber meist vier Bewerber, ohne dass die Wohnung in großen Immobilienportalen beworben wird“, berichtet Reiche.

Alte Wohnblocks abreißen und neu bauen

Sieben Euro kalt pro Quadratmeter beträgt aktuell die Durchschnittsmiete in den Wohnungen der Baugenossenschaft, viele Häuser sind aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Dass einige Mieter bereit sind, etwas mehr zu zahlen, wenn die Wohnung entsprechend modern ist, hat die Genossenschaft bei ihrem jüngsten Neubauprojekt an der Berliner Straße gesehen. Der Run auf die 36 Wohnungen war riesig. Die Miete in den 28 frei finanzierten Wohnungen beträgt zwölf Euro pro Quadratmeter, in den acht öffentlich geförderten ist die Miete auf 6,25 Euro begrenzt. Alle Wohnungen waren sofort vergeben.

Gern würde die Genossenschaft weitere solcher Neubauprojekte realisieren. „Genug Flächen dafür haben wir auf Vorrat im Bestand“, sagt Reiche. Allein die Rahmenbedingungen müssen sich wieder ändern, damit Wohnen in Neubauten ebenso bezahlbar ist wie im Altbestand.

Häuser müssen bis 2045 energetisch saniert werden

Und auch da dürfte die Miete auf absehbare Zeit anziehen. Denn die Genossenschaft steht – wie alle Immobilienbesitzer – vor der Herausforderung, ihre Häuser bis 2045 energetisch zu sanieren. „Nicht nur finanziell ein Mammutprojekt“, sagt Ellendt. Aktuell ist die Genossenschaft mit externer Hilfe dabei, riesige Datenmengen zusammenzuführen und ein Konzept zu entwickeln, wie die CO-Bilanz verbessert werden kann. Fragen, in welchen Häuserzeilen eine Wärmepumpe oder eine Wärmenetz alte die Gas- oder Ölheizung ersetzen kann, spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Fragen nach der Ausrichtung und Neigung von Dächern, um möglicherweise Photovoltaikmodule zu installieren. „Wir erlauben uns keine Grenzen im Denken“, sagt Ellendt und deutet damit an, dass das Ergebnis bei einigen Wohnblocks auch heißen könnte: abreißen und neu bauen, wenn eine Sanierung zu teuer wird.

„Behutsam“ ist bei diesen Plänen das Zauberwort, betonen die beiden Vorstände immer wieder, die alles daran setzen, dass die Genossenschaft auch in Zukunft erfolgreich ist. So soll diese zu ihrem 100. Geburtstag finanziell genauso solide ausgestattet sein wie derzeit. 2021 endete die Bilanz laut Geschäftsbericht mit einem Ergebnis von rund 33,5 Millionen Euro. „Auch 2022 haben wir sehr solide gewirtschaftet“, freut sich Ellendt. Der neue Geschäftsbericht wird Mitte des Jahres veröffentlicht.