Reinbek. Nach 168 Jahren haben die Besitzer den Traditionsbetrieb verkauft. Der neue Eigentümer hat große Pläne mit dem historischen Gebäude.
Eine Nachricht, die Ende des vergangenen Jahres wie eine Bombe eingeschlagen hat: „Niemann’s Gasthof“ in Reinbek ist verkauft. Jetzt aber steht fest: Es gibt ein Happy End für den Traditionsbetrieb. Der neue Eigentümer Philipp Tatschl führt das Hotel mit 18 Zimmern bereits weiter. Veränderungen will er ganz behutsam angehen, obwohl er ein neues Konzept für den Betrieb hat: Er will Niemann’s Gasthof gemeinsam mit seiner Frau Louisa für Hochzeiten, runde Geburtstage, Firmentagungen, Betriebsfeiern und Ähnliches vermieten. „Das Restaurant weiterzuführen, traue ich mir aktuell nicht zu, weil ich in der Gastronomie keine Erfahrungen habe“, sagt der 29 Jahre alte Glinder.
Der Elektroingenieur hat bereits in jungen Jahren gemeinsam mit zwei Cousins Immobilienobjekte als Altersvorsorge aufgekauft, in Eigenleistung renoviert und entwickelt; nun vermieten sie sie langfristig. Außerdem hat Philipp Tatschl 2019 eine Eventagentur mit Gleichgesinnten gegründet. „Veranstaltungen zu organisieren, ist meine wahre Leidenschaft, in dem Bereich habe ich schon während des Studiums gearbeitet“, erzählt der junge Investor.
Gastronomie: Eigentümer hat neues Konzept für Niemann’s Gasthof
So entwickelte er die Idee, beides mit einer eigenen Location zu verbinden. „Etwa dreieinhalb Jahre habe ich gesucht, bis ich auf diesen Gasthof gestoßen bin“, sagt der 29-Jährige. „Gestoßen“ wurde er von der Aumühler Immobilienberaterin Isabell Maass, die Reinbeks letzten Landgasthof schon seit ihrer Jugend kennt. Als sie den Verkauf für die Maklerfirma Evernest einfädelte, hatte sie bei Philipp Tatschl aber leichtes Spiel: In Niemann Silk habe er sich direkt verliebt, sagt er.
„Die Atmosphäre ist total schön und die Historie: einfach großartig“, schwärmt der neue Eigentümer. Die Lage sei ideal. Einerseits abgeschieden in der Natur, andererseits doch von Hamburg aus schnell zu erreichen. Seine Frau und er wohnen in Glinde – „also gleich um die Ecke“, stellt er zufrieden fest. Am Interieur mit Kachelofen und Geweihen an der Wand möchte er nichts ändern. „Das ist großartig, so viele Zeugnisse der Geschichte gibt es hier“, sagt der Hotelier. Beispielsweise die vielen verschiedenen Kaffeekannen, die einen Gastraum zieren: „Das ist so entstanden, dass der Gasthof zuerst nur zwei Kaffee-Services hatte“, weiß Philipp Tatschl. „Deshalb brachten immer mehr Gäste ihre Services mit und schenkten sie dem Gastwirt.“
Die Geschichte hat ihm Vorbesitzer Joachim Niemann (71) erzählt. Mit ihm hat er sich in den vergangenen Monaten häufig ausgetauscht. Deshalb weiß Philipp Tatschl jedes Detail zu schätzen, das Geschichte atmet: die Porträts der Gastwirte in der Gaststube, der erste gerahmte Kaufvertrag des Areals von 1797, die alte Landkarte der Umgebung, oder die mächtige Registrierkasse, mit einzelnen Registern für jede Kellnerin und jeden Kellner im Vorraum. „Leider ist ja der alte Saal gerade zu neuen Hotelzimmern umgebaut worden“, sagt der neue Eigentümer mit leisem Bedauern. „Den hätten wir natürlich gut brauchen können. Aber den zurückzubauen, wäre unwirtschaftlich.“
Der Plan: Ein neuer Festsaal für Feiern
Deshalb soll ein neuer Saal her. „Wir haben erstmal eine Bauvoranfrage gestellt“, sagt Philipp Tatschl. Auch hier will er möglichst wenig am Äußeren ändern. Die Idee ist, den Schuppen und Lagerraum im Osten mit einem funktionalen Anbau zu ersetzen. Mit seinem Konzept lohne sich auch ein neuer Saal, sagt er: „Das rechnet sich.“
Der erste 60. Geburtstag sei schon gebucht. Für das Baugenehmigungsverfahren rechnet er allerdings mit zwei Jahren. In der Übergangsphase will er das Hotel nur nebenberuflich betreiben, seinen Job als Elektroingenieur behalten. Zur Kaufsumme schweigt er sich aus. Im Hintergrund habe er noch einen Finanzier, der ihm freie Hand lasse, verrät der Jungunternehmer.
- Gourmet Festival: Sternekoch Jens Rittmeyer kocht im Waldhaus Reinbek
- Oher nahmen Abschied von Prahls Gasthof
- Waldhaus Reinbek: Hoteldirektor geht ins Krankenhaus – ganz freiwillig
„Das Hotel läuft gut, wir sind mit Handwerksfirmen, deren Mitarbeiter meist mehrere Tage bleiben, gut ausgelastet“, stellt Philipp Tatschl fest. Zurzeit hat er zwei Festangestellte, die sich um den Hotelbetrieb kümmern. „Langfristig brauchen wir aber auch ein Team für die Küche und für den Service, das wir eventbezogen einsetzen können.“ Auf eine bestimmte Küche könne sich sein Unternehmen allerdings nicht festlegen, die hänge von den Wünschen der Kundschaft ab, sagt der Veranstaltungsmanager.
Ein Landgasthof prall gefüllt mit Geschichte
Privat kocht er übrigens auch gern deutsch, allerdings nur für den kleinen Kreis. Obwohl er Braten und Steaks liebt, versucht seinen Fleischkonsum einzuschränken. „Das ist nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern auch für die Umwelt“, sagt der Hobbykoch. Sportlich gesehen liebt er Eishockey und trauert immer noch den Freezers hinterher. „Ich selbst spiele aber nur in einer Hobby-Mannschaft“, erzählt Philipp Tatschl.
Nach 167 Jahren hatte Familie Niemann Mitte Dezember 2021 ihren Landgasthof geschlossen. Für Senior Joachim Niemann, der in der Küche seines Traditionsbetriebes groß geworden war, war dies ein schwerer Entschluss. Denn der Hof steckt für ihn voller Erinnerungen. Schon als vier Jahre alter Steppke ist er auf dem Dreirad durch die Küche gesaust. Der Laden brummte auch unter der Woche noch bis zum Schluss, Reservierungen für die klassisch norddeutsche Küche waren schwer zu bekommen. Als Joachim Niemann und seine gleichaltrige Frau Edith sich in den Ruhestand zurückziehen wollten, hatte sich ihre Hoffnung, dass beide Töchter den Traditionsgasthof übernehmen, kurzfristig zerschlagen.
Gebäudekomplex im Kern aus den 1920er-Jahren
Joachim Niemanns Großvater Wilhelm Niemann hatte den Gebäudekomplex in den 1920er-Jahren so gebaut, wie er im Wesentlichen heute noch steht. Als Joachim Niemanns Vater starb, übernahm er selbst den Gasthof 1983 auf Leibrente von seiner Mutter. Die Landwirtschaft wurde 1980/81 abgerissen und stattdessen wurden eine Küche und Personalräume errichtet. Die Kegelbahn gab die Gastronomen-Familie im Jahr 2000 auf, richtete dafür aber den beliebten kleinen Clubraum im Norden mit Zugang zum Garten ein – künftig ein idealer Raum für Firmenmeetings und Seminare.