Reinbek. Reinbek. Die Zeit der großen Hochzeits-Gesellschaften ist vorbei, ein großer Saal rentiert sich nicht mehr. Gefeiert wird in Niemanns Gasthof trotzdem – nur kleiner.

Könnten die 121 Jahre alten Säulen im Saal von Niemanns Gasthof Geschichten erzählen, man würde ihnen stundenlang zuhören. Denn das, was sie schon miterlebt haben, würde sicher ganze Bücher füllen. Komödien, Familien-Dramen, Versöhnungen, lautstarkes Gelächter und Keilereien – das gab es dort alles in den vergangenen Jahrzehnten.

Doch nun geht eine Ära zu Ende. Gastwirt Joachim Niemann schließt seinen großen Saal. Die Zeit von großen Hochzeitsgesellschaften, Feuerwehr-Bällen, Firmenfeiern ist hier nun beendet. Gefeiert wird künftig im kleineren Kreis nebenan.

„Es rentiert sich nicht mehr“, sagt Niemann. Hochzeitspaare kommen nach dem Standesamt nicht mehr mit der großen 150-Mann-Gesellschaft, sondern mit einem kleinen Kreis aus Familie und Freunden. „Andere suchen eine Location mit Event-Charakter. Wir aber feiern wie vor hundert Jahren, gut-bürgerlich.“

Nicht mehr nachts hinter der Theke stehen

Vorbei die Zeiten auch, als für ein Fest hundert Flaschen Sekt bestellt wurden. „Heute trinken die Leute Wasser und Orangensaft“, hat Niemann festgestellt. Zudem sei es schwer, gutes Personal zu finden, das bereit sei, nachts zu arbeiten. „Und meine Frau und ich möchten in unserem Alter auch nicht mehr so spät hinter der Theke stehen. Meine Tochter kann den Saal nicht allein am Laufen halten und möchte das auch nicht“, erklärt Niemann.

Ein bisschen wehmütig ist ihm nun schon ums Herz, nachdem die Entscheidung gefallen ist. Schließlich hat er schon als kleiner Junge heimlich die Festgesellschaften im Saal des Gasthauses beobachtet und hat ausgelassene Tanzveranstaltungen mit Live-Kapelle dort erlebt. „Von der Ferienwohnung ging ein Fenster zum Saal. Das hatten meine Eltern zwar geschwärzt, aber wir haben uns ein Loch dort hineingekratzt, um gucken zu können“, gibt Niemann zu.

Schlief ein Gast seinen Rausch auf der Toilette aus, musste er als kleinster der Familie immer über die Tür klettern, von innen aufschließen. Meistens hupte dann draußen schon ein Reisebus, der auf den Trunkenbold wartete.

Rauschende Feste an Himmelfahrt

Wenn er an Himmelfahrts-Feste Ende der 50er-Jahre denkt, fangen seine Augen an zu leuchten. Denn dann waren der Gasthof, der Saal und der Garten Anlaufpunkt für Hunderte Männer, die ordentlich feiern wollten. Die Bierhähne liefen unaufhörlich, in der Gaststube hing ein extra großer Schinken. Das Tollste: „Die Polizei hatte ihre Wache in unseren Gasthof verlegt. Der Peterwagen parkte dort, wo sonst nur Opas Auto in der Garage stand.“

Braut entführt, Fest gelaufen

Seit den 1980er-Jahren war er selbst als Gastwirt mittendrin. Seine erste Hochzeit wird er nie vergessen. Nach dem Essen entführten die Gäste die Braut. Während sie im Reitstall nebenan auf ihren Mann wartete, suchte er sie mit Freunden in einer Kneipe in Hamburg-Eppendorf. „Am Ende saßen nur noch ihre Eltern und Schwiegereltern zusammen mit dem Musiker im Saal. Die Feier war gelaufen“, erinnert sich Niemann. Seitdem gab es die Devise: Keine Brautentführung mehr!

Gegen Feuerwehr-Männer im Baströckchen hat er jedoch keine Einwände. Noch immer muss er kichern, wenn er sich das Video anschaut, in dem Retter für eine Show die Hüften kreisen lassen. Das Fazit: „Schön war’s all die Jahre! Eine tolle Zeit.“