Glinde. Evangelische Kirche will Grundstück per Erbpacht abgeben. Zahnarzt hat Interesse. Bei Einigung müsste Glinder Kita schließen.

Die Kita Kinderland am Oher Weg in Glinde gegenüber der Feuerwehrwache hat einen schicken Spielplatz mit Rutsche, Kletterhaus und Schaukel. Dort sind die Kleinen auch bei Schmuddelwetter am Toben. Der gleichnamige Verein betreut 40 Jungen und Mädchen in zwei Elementargruppen. Allerdings ist es fraglich, ob die Einrichtung an dem Standort bleibt. Eine Schließung Ende dieses Jahres ist möglich. Die Kita befindet sich auf einem Grundstück der evangelischen Kirche. Die möchte das 3100 Quadratmeter große Areal per Erbpacht für 99 Jahre abgeben. Ein Interessent ist der Zahnarzt Sebastian Bowien. Er hat die Kindertagesstätte bereits besichtigt, wurde dabei von Erziehern erkannt.

In der Kita dürfte die Angst umgehen. Leiterin Anne Kagemann sagt: „Es wäre wunderbar, wenn wir bleiben könnten.“ Weitere Ausführungen zu dem Thema möchte sie nicht machen. Auf dem Gelände steht zudem ein Wohngebäude, das als Pastorat genutzt wird, samt angrenzendem Gemeindehaus. Der Verein hat die Immobilie im vorderen Bereich des Grundstücks an der Straße gemietet. Der Vertrag endet im Dezember 2022. Mitte des Jahres sollte Klarheit herrschen, ob er verlängert wird. Bowien hat also noch einige Monate Bedenkzeit.

Zahnarzt wollte ursprünglich an die Avenue St. Sebastien ziehen

Dass der Mediziner eine Veränderung anstrebt, ist kein Geheimnis. Er betreibt eine Praxis am Glinder Berg, beschäftigt zwei weitere Zahnärzte. Zwecks Vergrößerung beabsichtigte Bowien eigentlich einen Umzug an die Avenue St. Sebastien in die Innenstadt. Wie berichtet, wollte Grundstückseignerin Anna Siemers dort ein viergeschossiges Gebäude mit fast 600 Quadratmetern bauen und die Immobilie an den Doktor vermieten. Der Bebauungsplan erlaubt zwar ein solches Haus, allerdings nur mit Wohnungen. Bürgermeister Rainhard Zug hätte eine Nutzungsänderung aussprechen können, wollte sich aber absichern und befragte die Politik. Die lehnte mehrheitlich ab. Seine Pläne hatte Bowien dem Bauausschuss 2019 hinter verschlossenen Türen präsentiert.

Gegen das Projekt formierte sich seinerzeit Widerstand. Mehrere Zahnärzte, die seit Jahrzehnten in der Stadt aktiv sind, richteten sich mit einem Schreiben an die Parteien. Sie fürchteten einen Verdrängungswettbewerb, führten unter anderem an, dass es eine Überversorgung in Glinde gebe. Das bestätigte die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Bowien wollte bis zu zehn Zahnärzte in seinem Unternehmen unterbringen, für die Patienten waren rund 20 Behandlungsräume angedacht. Er hatte zum Beispiel mit langen Öffnungszeiten um Unterstützung in der Politik geworben und seine Rolle als Gewerbesteuerzahler betont. Bowien hat eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die anderen Zahnärzte in Glinde sind als Freiberufler nicht gewerbesteuerpflichtig.

Pächter soll 60.000 Euro Erbbauzins pro Jahr zahlen

Um auf dem Kirchengrundstück eine Praxis zu eröffnen, bedarf es keiner Zustimmung der Politik. Der Zahnarzt könnte das Kita-Gebäude problemlos umbauen. Er müsste pro Jahr rund 60.000 Euro Erbbauzins zahlen. Außerdem verlangt die Kirche 400.000 Euro Entschädigung für die vorhandenen Gebäude. Möchte sie das Pastorat weiterhin nutzen, könnte sich die Summe reduzieren. Oder beide Seiten schließen einen Mietvertrag. Bowien war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Interesse an dem Areal hat der Mediziner schon seit dem gescheiteren Versuch, an der Avenue St. Sebastien unterzukommen. Allerdings war er für die Kirche nicht erste Wahl. Auch die Stadt hatte sich bemüht. Erste Gespräche über einen Erwerb der Liegenschaft mit dem Kirchengemeinderat St. Johannes gab es bereits vor zehn Jahren, blieben aber ohne Ergebnis. Als klar wurde, dass Glinde sein Zentrum modernisieren will und ein Innenstadtkonzept auf den Weg brachte, wurde die Sache wieder konkret.

Bürgermeister Rainhard Zug kontaktierte unter anderem Pastor Sören Neumann-Holbeck, unterbreitete wenige Monate nach Beginn der Corona-Pandemie ein Angebot zur Pacht. Das Grundstück war als Erweiterungsfläche für das Rathaus angedacht. Zudem wollte der Verwaltungschef bei Bedarf die Kindertagesstätte vergrößern. Bestandteil des Innenstadtkonzepts sind 300 neue Wohnungen, 100 davon öffentlich gefördert. Wird das Vorhaben umgesetzt, muss die Infrastruktur angepasst werden. Inzwischen hat Zug einen Rückzieher gemacht. Er sagt: „Wir waren in Gesprächen mit der Kirche, sind uns aber über die Konditionen nicht einig geworden.“ Einen Rathausausbau hält er nicht mehr für nötig, verweist dabei auf Home-Office-Möglichkeiten für seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die Kirchengemeinde St. Johannes, zu der auch Willinghusen gehört, möchte das Grundstück in andere Hände auch wegen des Mitgliederschwunds geben. Sie hat ihr Büro am Glinder Friedhof. Die Gottesdienste teilen sich Sören Neumann-Holbeck und seine Kollegin Anna Benkiser-Eklund. Auf Sicht rechnen die Gläubigen nur noch mit einer Pastorenstelle. Pastor Sören Neumann-Holbeck war für eine Stellungnahme für unsere Redaktion nicht erreichbar.