Glinde. Zahnarzt nimmt Abstand von Übernahme des Glinder Kirchengrundstücks im Zentrum per Erbpacht. Mietvertrag mit Kita bis 2032 verlängert.
Die Aufregung war groß in der Glinder Kita Kinderland, als bekannt wurde, dass der Zahnarzt Sebastian Bowien Interesse an dem Grundstück am Oher Weg zwecks Schaffung einer Praxis hat. Dort betreut der gleichnamige Verein 40 Jungen und Mädchen in zwei Elementargruppen. Eine Schließung zum Jahresende schien möglich. „Es wäre wunderbar, wenn wir bleiben könnten“, sagte Leiterin Anne Kagemann Anfang Februar dieser Redaktion. Das 3100 Quadratmeter große Areal neben dem Rathaus befindet sich im Eigentum der evangelischen Kirche, die es per Erbpacht für 99 Jahre abgeben wollte. Jetzt ist der Kindergarten gerettet. Er hat bis 2032 Planungssicherheit.
„Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit der Kita. Wir hoffen, dass nun Ruhe einkehrt“, sagt Pastorin Anna Benkiser-Eklund. Der Verein ist Mieter der vorderen Immobilie auf dem Grundstück. Der Vertrag hatte eine Laufzeit bis Ende 2022. Die Geistliche bestätigte, dass er nun um zehn Jahre verlängert wurde. Verlässliche Quellen berichten von einer Option auf Streckung, die Kinderland gezogen habe. Über Details will Benkiser-Eklund nicht sprechen. Trotzdem kann die Kirche die Fläche an einen Investor abgeben. Dieser würde dann den Kontrakt mit dem Elternverein übernehmen müssen, könnte aber eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Ob er damit durchkommen würde, steht auf einem anderen Blatt. Für die Kirche wäre eine solche Entwicklung ein Horror-Szenario, die gewiss ihrem Ansehen schaden würde. Es ist davon auszugehen, dass sie Eigner des vorderen Grundstücksteils hin zur Straße bleibt.
Kirchengemeindehaus ist von Schimmel befallen
Bowien hat inzwischen Abstand von einem Umbau der Kita zu einer Praxis auf dem Kirchengrundstück genommen. Er war aufgefordert, sich bis Ende Februar zurückzumelden, ließ die Frist verstreichen. Von den Konditionen wusste der Zahnarzt. Ein Vertragsentwurf wurde ihm vorgelegt. Darin sind rund 60.000 Euro Erbbauzins pro Jahr aufgeführt. Außerdem wäre eine Entschädigung in Höhe von 400.000 Euro für die vorhandenen Gebäude zu zahlen. Auf dem Areal befindet sich noch ein Komplex mit Pastorat und Gemeindehaus, das wegen Schimmelbefalls leer steht. Es müsste saniert werden. Für die Kirche ist es immer noch eine Option, zumindest den hinteren Teil des Areals zu verpachten. Interessenten gibt es laut Benkiser-Eklund derzeit nicht.
Um das Grundstück der Kirchengemeinde St. Johannes hatte sich vor geraumer Zeit auch die Stadt bemüht. Wenige Monate nach Beginn der Corona-Pandemie machte Bürgermeister Rainhard Zug ein Angebot, es kam jedoch zu keiner Einigung. Der Verwaltungschef hatte den Bereich unter anderem als Erweiterungsmöglichkeit für das Rathaus vorgesehen. Inzwischen hat er keinen Ausbaubedarf mehr.
Zug wünscht sich, dass Kinderland seine Öffnungszeiten erweitert. Die sind montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr. „Wir sind diesbezüglich seit Längerem im Gespräch, aber es ist eine kleine Einrichtung, die es leider nicht schafft“, sagt der Bürgermeister. Durch die Verlängerung des Mietvertrags wird sich an der Situation trotzdem nichts ändern. „Wir planen weder eine Gruppenerweiterung noch andere Öffnungszeiten“, sagt Leiterin Kagemann. Sie habe gerade eine neue Kollegin gewinnen können, die im Juni ihren Dienst antrete. Dann arbeiten sechs Erzieherinnen in dem Haus.
Die Rekrutierung von Personal in Kitas ist ein schweres Unterfangen. Das kennt man vielerorts. Die Kräfte im Kinderland verfügen allesamt über eine Zusatzqualifikation zur Förderung der sprachlichen Bildung. Außerdem kommt einmal pro Woche eine externe Musikpädagogin in die Einrichtung.
Für Bowien, der eine Praxis am Glinder Berg betreibt, ist es bereits der zweite geplatzte Umzugstraum. Diesmal hat er selbst zurückgezogen, beim ersten Versuch bremste ihn die Politik aus. 2019 präsentierte der Mediziner im nichtöffentlichen Teil des Bauausschusses seine Pläne an der Avenue St. Sebastien in der Innenstadt. Wie berichtet, wollte Grundstückseignerin Anna Siemers dort ein viergeschossiges Gebäude mit fast 600 Quadratmetern bauen und die Immobilie an den Mediziner vermieten. Der B-Plan erlaubt allerdings nur ein Haus mit Wohnungen. Der Bürgermeister ließ die Parteien über eine Nutzungsänderung votieren. Das Projekt wurde mehrheitlich abgelehnt.
Mehrere Glinder Zahnärzte waren seinerzeit Sturm gelaufen gegen das Vorhaben. Sie schrieben die Parteien an, fürchteten einen Verdrängungswettbewerb. Denn Bowien plante Großes, wollte bis zu zehn Zahnärzte in seinem Unternehmen unterbringen, für die Patienten waren rund 20 Behandlungsräume angedacht. Er hatte mit langen Öffnungszeiten um Unterstützung geworben. Ein weiteres Argument, mit dem Bowien bei den Entscheidern punkten wollte: Er führt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und zahlt Gewerbesteuern. Die anderen Zahnärzte in der Stadt sind als Freiberufler nicht gewerbesteuerpflichtig.
Innenstadt soll ein neues Gesicht bekommen
Ob der Praxisbetreiber inzwischen ein anderes Grundstück ins Auge gefasst hat, ist unklar. Bowien war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Möglichkeiten für ihn könnten sich ergeben, wenn das Innenstadtkonzept umgesetzt wird oder zumindest Teile davon. Das Architekturbüro „SKAI“ hatte im vergangenen Jahr einen Entwurf für die neue City vorgelegt, rund 30.000 Quadratmeter überplant. Demnach ist in Gebäuden Platz für ein Ärztezentrum. Das Werk orientiert sich an dem sogenannten Rahmenplan für die Ortsmitte, der von der Politik beschlossen wurde.