Lübeck/Glinde. Er hatte die 28-Jährige trotz Kontaktverbots Mehrfach belästigt, bis die Situation eskalierte. Warum der 31-Jährige nicht in Haft muss.
Nach der Brandstiftung am Auto seiner Ex-Freundin ist ein 31 Jahre alter Glinder haarscharf an einer Gefängnisstrafe vorbeigeschrammt. Vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Lübeck wurde der Mann am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt – alle Strafen über zwei Jahre können nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Darüber hinaus erließ das Gericht ein strenges Kontaktverbot.
Krzysztof B. (Namen geändert) hatte beim Prozessauftakt Mitte Februar eingeräumt, den Ford Focus seiner ehemaligen Lebensgefährtin am Abend des 24. August 2022 auf einem Parkplatz vor der Wohnung der 28-Jährigen am Schlehenweg in Glinde angezündet zu haben. An dem Fahrzeug sowie einem daneben geparkten VW Golf entstand Totalschaden. Die Polizei konnte den 31-Jährigen wenig später am Tatort festnehmen, er saß seitdem in Untersuchungshaft.
Auto der Ex-Freundin angezündet: Gericht verhängt Bewährungsstrafe
Er sei frustriert über die Trennung gewesen und darüber, die gemeinsame, heute sechs Jahre alte Tochter nur selten zu sehen, begründete B. die Tat. Zudem habe er getrunken. Ein von der Polizei vorgenommener Alkoholtest ergab einen Wert von 1,6 Promille. Natalia W. hatte sich nach siebenjähriger Beziehung im Sommer 2020 von Krzysztof B. getrennt und eine gerichtliche Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt. Seitdem darf sich der 31-Jährige ihrer Wohnung nicht weiter als auf 300 Meter nähern.
Zuvor war B. seiner Freundin gegenüber wiederholt gewalttätig geworden. Vor Gericht schilderte die 28-Jährige, wie er sie geschlagen habe. Zudem habe er Probleme mit Alkohol gehabt. „Er hat fast täglich getrunken“, sagte die Glinderin. In den Monaten nach der Trennung hatte Krzysztof B. mehrfach gegen das Kontaktverbot verstoßen, war vor der Wohnung seiner Ex-Freundin aufgetaucht und hatte nach ihr und der Tochter gerufen. Er habe das Kind sehen wollen, sagte der 31-Jährige vor Gericht, der 2010 aus Polen nach Deutschland kam.
Die Anklageschrift gegen den 31-Jährigen umfasste rund 20 Delikte
Zusätzlich zu der Brandstiftung und den Verstößen gegen das Kontaktverbot wirft die Staatsanwaltschaft B. rund 20 weitere Delikte ohne direkten Bezug zu der Ex-Partnerin vor, darunter Körperverletzung, Diebstahl und mehrere Einbrüche. Am 29. Juli 2022 etwa soll B. grundlos einen Blumenkübel vor einem Imbiss am Aldi-Parkplatz in Glinde zerstört und die Bruchstücke auf zwei Autos geworfen haben. Mehrfach soll er auch Polizeibeamte attackiert haben.
Bis auf wenige Ausnahmen räumte B. alle Taten ein. In rund einem Dutzend der Anklagepunkte wurde das Verfahren vor der Urteilsverkündung eingestellt, darunter kleinere Delikte wie Fahrrad- und Essensdiebstähle. Die Vorwürfe fielen für die Strafzumessung nicht ins Gewicht, begründete das Gericht die Entscheidung.
Psychiatrischer Gutachter soll Schuldfähigkeit bewerten
Bevor Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussvorträge hielten, hörte das Gericht zunächst einen psychiatrischen Gutachter. Dieser sollte eine Einschätzung dazu abgeben, inwiefern Krzysztof B. im Tatzeitraum durch seine Alkoholsucht in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Zudem stand eine psychische Erkrankung des Angeklagten im Raum. Hintergrund war das inkonsistente Einlassungsverhalten des 31-Jährigen.
So hatte der Glinder mehrere, schwerwiegende Taten wie die Brandstiftung eingeräumt, teilweise aber mit einer solchen Überzeugung einen vollkommen anderen Hergang geschildert als mehrere Zeugen übereinstimmend ausgesagt hatten, dass Grund zu der Annahme bestand, er könnte im Wahn gehandelt haben. „Die Gesamtgemengelage ist in diesem Fall sehr unübersichtlich, weil wir es mit Straftaten zu tun haben, für die man keine sinnstiftenden Gründe finden kann“, sagte der psychiatrische Sachverständige Dr. Wolfram Schreiber.
Der Sachverständige kann eine psychische Erkrankung nicht ausschließen
Der Gutachter attestierte dem 31-Jährigen eine ausgeprägte Alkoholabhängigkeit und sah in vielen der Anklagepunkte einen direkten Zusammenhang zwischen Konsum und Tat, doch gebe es auch Hinweise auf eine „kurzfristige Persönlichkeitsveränderung“ infolge der Trennung. Dies sei in der aussichtslosen, krisenhaften Situation, in der sich B. befunden habe, nicht unüblich. Der Glinder, der zuvor als Kraftfahrer gearbeitet hatte, war nach dem Rauswurf aus der gemeinsamen Wohnung arbeitslos geworden und lebte bis zu seiner Inhaftierung auf der Straße.
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Das Vorliegen einer Psychose mit wahnhaften Zügen und damit eine verminderte Schuldfähigkeit in einigen der angeklagten Fälle konnte Schreiber nicht ausschließen. Das war letztlich einer der Gründe, warum es das Gericht bei einer Bewährungsstrafe beließ. „Wir konnten eine psychische Erkrankung nicht ausschließen und haben im Zweifel zu Ihren Gunsten entschieden“, sagte der Vorsitzende Richter, Felix Spangenberg, zum Angeklagten.
Der 31-Jährige darf sich Ex-Partnerin nicht dichter als 500 Meter nähern
Darüber hinaus hob der Richter die positive Sozialprognose hervor, die der Gutachter dem 31-Jährigen bescheinigt hatte. So sei Krzysztof B. zuvor nie straffällig geworden, während der nun schon sieben Monate andauernden Untersuchungshaft trocken geblieben und genieße bei seinen Geschwistern familiären Rückhalt. Bei seinem Bruder muss der Glinder, der unmittelbar nach der Urteilsverkündung aus der Haft entlassen wurde, vorübergehend auch einziehen, das machte das Gericht zur Auflage.
Zudem muss der 31-Jährige eine Psychotherapie beginnen und die Suchtberatung besuchen. Darüber hinaus verschärften die Richter das Kontaktverbot noch einmal deutlich. Krzysztof B. darf sich seiner Ex-Freundin nun nicht dichter als 500 Meter nähern, auch auf jeglich andere Weise keinen Kontakt zu der 28-Jährigen aufnehmen. Seine Tochter darf der Glinder nur mit familiengerichtlicher Erlaubnis unter strengen Bedingungen sehen.
Richter wendet sich mit mahnenden Worten an den Angeklagten
„Alle diese Auflagen sollen verhindern, dass Sie in ihre alten, desaströsen Muster zurückfallen“, sagte Spangenberg an den Angeklagten gerichtet und betonte: „Das Kontaktverbot ist das Herzstück dieses Bewährungsbeschlusses.“ Für den Fall, dass der 31-Jährige dagegen verstoße, liege der Sicherungshaftbefehl schon bereit und könne unmittelbar vollstreckt werden. „Das ist für Sie bitterer Ernst“, so der Richter. Mit dem Strafmaß folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung gefordert. Beide Seiten akzeptierten das Urteil und erklärten, auf Rechtsmittel zu verzichten.