Ahrensburg. 29-Jähriger hetzte im Internet gegen Beamte und äußerte Sympathie für Bluttat in Kusel. Warum er ohne Strafe davon kam.
Wer Hasskommentare im Internet verbreitet, macht sich strafbar. Das musste ein 29-Jähriger aus Bad Oldesloe jetzt erfahren. Der Mann soll den Mord an zwei Polizisten im rheinland-pfälzischen Kusel am 31. Januar 2022 in einem Beitrag auf der Videoplattform TikTok nicht nur gutgeheißen, sondern auch zu weiteren Gewalttaten gegenüber Beamten aufgerufen haben. Der Fall wurde am Mittwoch vor dem Amtsgericht Ahrensburg verhandelt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen vor, dass er „einen Mordfall in einer Art gebilligt hat, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden.“ Der Oldesloer habe die Tötung der beiden Beamten in Kusel nicht nur gelobt, sondern mit seinem Post auch „sämtliche andere Polizeibeamte herabwürdigen“ wollen, heißt es in der Anklage.
Mord an Polizeibeamten gelobt – 29-Jähriger kommt ungestraft davon
Der Polizistenmord von Kusel hatte Anfang des vergangenen Jahres bundesweit für Entsetzen gesorgt. Eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ihr 29 Jahre alter Kollege waren bei einer Fahrzeugkontrolle an einer entlegenen Kreisstraße mit mehreren Schüssen mit einer Jagdflinte und einem Schrotgewehr getötet worden, als sie den Kastenwagen eines 39-Jährigen überprüfen wollten. In dem Fahrzeug sollen zum Tatzeitpunkt 22 frisch geschossene Rehe und Hirsche gelegen haben.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Ende November wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mann mit dem Verbrechen Jagdwilderei vertuschen wollte. Die Tat habe „Hinrichtungscharakter“ gehabt, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Kaiserslautern. Gerichtsmediziner fanden bei der Obduktion Geschosse in Gesäß, Bauch, Brust, Hand, Arm und Kopf der Opfer.
Der Oldesloer rief zu Gewalttaten gegenüber weiteren Beamten auf
Ein 33-Jähriger, der während der Tat mit im Wagen gesessen hatte und bei der Vertuschung geholfen haben soll, wurde lediglich wegen gewerbsmäßiger Jagdwilderei schuldig gesprochen. Das Gericht sah aber von einer Strafe ab, da der 33-Jährige bereits vor Prozessbeginn umfassend ausgesagt hatte. Er habe als Kronzeuge zur Aufklärung des Verbrechens beigetragen. Beide Männer waren kurz nach der Tat im angrenzenden Saarland festgenommen worden.
Der nun in Ahrensburg angeklagte 29-Jährige hatte am 5. Februar 2022, wenige Tage nach der brutalen Tat, als Kommentar auf ein Video mit einer Beileidsbekundung für die getöteten Polizisten auf der bei Jugendlichen beliebten Plattform TikTok einen Kommentar veröffentlicht. „Hahaha! Mehr müssen folgen von denen. Menschen, jagt sie endlich!“, hieß es darin laut Staatsanwaltschaft.
Angeklagter fiel zuvor schon durch gewaltverherrlichende Kommentare auf
Dazu habe der Oldesloer den Ausdruck ACAB verwendet, der aus dem Englischen stammt und für „All cops are bastards“ steht, übersetzt: „Alle Polizisten sind Bastarde.“ Zusätzlich habe der 29-Jährige seinen Kommentar mit mehreren lachenden Emojis versehen. Laut Gericht soll der Oldesloer schon zuvor durch beleidigende und gewaltverherrlichende Beiträge im Zusammenhang mit der Maskenpflicht und der Corona-Impfung aufgefallen sein. Beide Dinge habe er abgelehnt.
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Vor Gericht räumte der 29-Jährige ein, Urheber der Posts zu sein und zeigte sich reumütig. „Das war eine ziemlich dämliche Idee, das zu schreiben“, sagte er erkennbar peinlich berührt. Die Kommentare seien teilweise auch ironisch gemeint gewesen. Er habe zu der Zeit massive medizinische Probleme gehabt. „Ich habe meine negative Stimmung so kompensiert“, sagte der Oldesloer und beteuerte, „eigentlich nicht so drauf zu sein“.
Gericht stellt Verfahren wegen gesundheitlicher Probleme des 29-Jährigen ein
Die medizinischen Probleme des Mannes waren letztlich auch ausschlaggebend dafür, dass er straffrei davon kam. Der 29-Jährige leidet unter starken Depressionen, ist zu 50 Prozent schwerbehindert und hat eine gesetzliche Betreuerin, weil er allein nicht im Leben zurechtkommt. „Mein Mandant ist keiner, der hier mit breiter Brust reinkommt und den Rechtsstaat stürzen möchte“, sagte Patric von Minden, der Anwalt des Oldesloers, und schlug eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage vor.
Dem stimmten Gericht und Staatsanwaltschaft letztlich zu. Der 29-Jährige muss nun 300 Euro an das Erholungswerk der Polizei Schleswig-Holstein zahlen. „Das Geld kommt damit indirekt denen zugute, die durch solche Dinge wie die, die Sie gutgeheißen haben, betroffen sind“, sagte der Vorsitzende Richter Said Evora. Kommt der Oldesloer der Auflage nicht nach, würde das Verfahren wieder aufgenommen.
Auf das Billigen einer Straftat stehen bis zu drei Jahre Haft
Das Gesetz sieht für das öffentliche Billigen einer Straftat bis zu drei Jahre Gefängnis vor. Oftmals bleiben Urheber entsprechender Kommentare im Internet allerdings unbestraft. Einerseits bringen die Betroffenen die Fälle häufig nicht zur Anzeige, andererseits ist es oft schwierig, die Urheber der Nachrichten zu identifizieren. Erst im Dezember hatte die Hamburger Justizbehörde deshalb ein Online-Portal freigeschaltet, das es Bürgern ermöglicht, Hasskommentare direkt bei den Strafverfolgungsbehörden zu melden, um Hemmschwellen abzubauen.