Lübeck/Glinde. Der Mann kontaktierte die Glinderin wiederholt trotz gerichtlichen Verbots. Die 28-Jährige schildert „toxische Beziehung“.
Als Natalia W. (alle Namen geändert) zu sprechen beginnt, wirkt die zierliche, junge Frau äußerlich gefasst. Wortgewandt und detailreich schildert die Glinderin, wie Krzysztof B. sie anschrie und beschimpfte, wenn er getrunken hatte, mehrfach auch handgreiflich wurde und zuschlug. „Ich hatte kein Geld, ich war auf ihn angewiesen“, sagt W. Als sich die heute 28-Jährige nach siebenjähriger Beziehung endlich von B. lossagte, erwirkte sie eine gerichtliche Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Seitdem darf sich der 31-Jährige der Wohnung am Schlehenweg in Glinde, in welcher Natalia W. mit der gemeinsamen, heute sechs Jahre alten Tochter lebt, nicht weiter als bis auf 300 Meter nähern.
Nun sitzt die 28-Jährige ihrem ehemaligen Lebensgefährten im Saal des Amtsgerichts Lübeck gegenüber. Der Grund: Krzysztof B. hatte das gerichtliche Kontaktverbot wiederholt missachtet, tauchte an der Anschrift von Natalia W. auf, brüllte herum. Mehrere Male musste die Polizei anrücken. Die Situation eskalierte am 24. August 2022. Damals steckte B. das Auto seiner Ex-Freundin in Brand. An dem Ford Focus sowie einem daneben geparkten VW Golf entstand Totalschaden. „Ich wusste sofort, dass er es war“, sagt Natalia W. Zuvor habe ihr Ex-Freund mehrfach damit gedroht, ihr Auto abzubrennen.
31-Jähriger gesteht, Auto seiner Ex-Freundin angezündet zu haben
Krzysztof B. sitzt seitdem in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Brandstiftung sowie Verstoßes gegen das Kontaktverbot. Dazu kommen rund 20 weitere Delikte ohne direkten Bezug zu der Ex-Partnerin, darunter Körperverletzung, Diebstahl und mehrere Einbrüche. Am 29. Juli 2022 soll B. grundlos einen Blumenkübel vor einem Imbiss am Aldi-Parkplatz in Glinde zerstört und die Bruchstücke auf zwei Autos geworfen haben. Mehrfach soll er auch Polizeibeamte attackiert haben.
Die Taten in Bezug auf seine Ex-Freundin und einen Großteil der anderen Vorwürfe räumt B. ein, einige bestreitet er, an andere will er sich nicht erinnern. Eine Dolmetscherin übersetzt die Ausführungen des gebürtigen Polen, der seit Anfang 2010 in Deutschland lebt und im Gegensatz zu seiner Ex-Freundin kaum Deutsch spricht. Natalia W. hatte ihn nach eigenen Angaben vor etwa zehn Jahren über einen Cousin kennengelernt.
Der Angeklagte soll fast täglich Alkohol getrunken haben
„Drei Jahre später sind wir zusammen gekommen, etwa ein Jahr später wurde unsere Tochter geboren“, erzählt die junge Frau mit den schulterlangen, dunkelbraunen Haaren. Doch B. habe von Beginn an Probleme mit Alkohol gehabt, sei aggressiv gewesen. „Er hat fast täglich getrunken“, sagt die 28-Jährige. „Mal waren es nur zwei Bier“, so die Glinderin. Oft sei er aber bereits angetrunken von seiner Arbeit als Lkw-Fahrer nach Hause gekommen. „Zwei kleine Wodka-Flaschen am Tag war eigentlich das Mindestmaß“, erzählt sie.
„Er hat Türen geknallt, geschrien“, so seine Ex-Partnerin. Dauernd habe es Streit gegeben. „Er wollte alles bestimmen und hatte immer etwas zu meckern. Mal schmeckte ihm mein Essen nicht, mal hatte ich irgendwas falsch gemacht.“ Zu der Tochter hingegen habe B. ein gutes Verhältnis gehabt, sich aber kaum um sie gekümmert.
Die 28-Jährige erwirkte vor Gericht ein Kontaktverbot
Häufig habe es Streit ums Geld gegeben. „Wir hatten ständig Geldprobleme“, sagt Natalia W. Ihrem Lebensgefährten habe es nicht gepasst, dass sie sich für eine schulische Ausbildung zur Physiotherapeutin entschieden habe, bei der sie kein Geld verdiente. Um alle Finanzen habe sie sich kümmern müssen, B. sei damit überfordert gewesen, so die 28-Jährige, die die Beziehung rückblickend als „von Beginn an toxisch“ beschreibt. „Er wollte mich von meiner Familie fernhalten, ich durfte mich nicht mit Freundinnen treffen“, erzählt W. Später habe sie herausgefunden, dass er auf ihrem Handy eine App installiert hatte, um sie zu orten.
Wiederholt habe sie dem 31-Jährigen angedroht, sich zu trennen. „Aber er wollte nicht ausziehen und ich war finanziell an ihn gebunden, bis ich die Ausbildung abgeschlossen hatte“, sagt sie. Den Schlussstrich habe sie erst gezogen, als B. sie nach einem Streit, im Sommer vor drei Jahren, zum wiederholten Mal geschlagen und gewürgt habe. Die 28-Jährige erwirkte daraufhin vor dem Amtsgericht Reinbek das Kontaktverbot.
Der 31-Jährige tauchte wiederholt vor der Wohnung der Frau auf
„Zuerst ging das gut“, so Natalia W. Doch vor etwa eineinhalb Jahren sei B. zunehmend aggressiv aufgetreten, wiederholt vor ihrer Wohnung aufgetaucht und habe verlangt, die Tochter zu sehen. Kurz zuvor sei B. arbeits- und obdachlos geworden. Einmal habe er ihr auch ihren Schlüsselbund aus der Hand gerissen. „Ich habe immer gesagt, wenn er den Kontakt möchte, soll er sich an das Jugendamt wenden, die sollen entscheiden“, sagt die 28-Jährige.
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Während der Aussage seiner Ex-Freundin murmelt B. immer wieder etwas vor sich hin, spricht mit seinem Anwalt. Seit Mai 2022 lebte der 31-Jährige laut eigener Aussage auf der Straße, einige Einbrüche und Diebstähle erklärt er mit der Suche nach Essen und einem Schlafplatz. B. soll unter anderem bei einem Döner-Imbiss in Glinde gegessen haben, ohne zu bezahlen und dem Wirt, als der das Geld forderte, zweimal ins Gesicht geschlagen haben.
Einmal soll B. versucht haben, in die Wohnung eines Nachbars einzubrechen
Einmal soll Krzysztof B. auch versucht haben, in die Wohnung eines Nachbarn seiner Ex-Freundin im Erdgeschoss einzubrechen, doch der 42-Jährige war zu Hause und schlug ihn laut eigener Aussage in die Flucht, als er Geräusche hörte und die Wohnungstür öffnete. Den Einbruchsversuch bestreitet B. Er habe den Nachbarn aufgesucht, um sich zu erkundigen, wie es seiner Ex-Freundin und seiner Tochter gehe. „Ich hatte da schon mehr als einen Monat nichts von ihnen gehört“, sagt der 31-Jährige vor Gericht.
Am 24. August schließlich, bevor die Situation eskalierte, hatte B. nach eigener Schilderung erneut die Adresse seiner ehemaligen Partnerin aufgesucht, um seine Tochter zu sehen. Als diese das ablehnte, habe er aus Wut ihr Auto angezündet. „Das war das einzige von ihr, was draußen war“, sagt der 31-Jährige zur Begründung. Er sei betrunken gewesen. Tatsächlich ergab ein von der Polizei durchgeführter Atemtest einen Wert von 1,5 Promille. B. wartete in einiger Entfernung zum Tatort, und wurde kurz darauf von der Polizei festgenommen.
Sachverständiger soll die psychische Verfassung des 31-Jährigen begutachten
Der Prozess soll am 9. März fortgesetzt werden. Ein Sachverständiger soll bis dahin ein psychiatrisches Gutachten des Angeklagten verfassen. Geprüft werden soll, ob bei dem 31-Jährigen möglicherweise eine Persönlichkeitsstörung vorliegt und ob eine so erhebliche Alkoholsucht besteht, dass seine Schuldfähigkeit dadurch beeinträchtigt ist.