Lübeck/Reinfeld. 51-Jährige gewinnt Vertrauen der dementen Frau (83). Von dem Geld gönnt sie sich luxuriöses Leben – inklusive Rolex und Zahnbehandlung.

Es ist ein Tatvorwurf, der unter die Haut geht: Über Jahre hinweg half Mandy G. der dementen Gisela K. (Namen geändert) im Haushalt, kümmerte sich um den Garten, erledigte Einkäufe für die Seniorin. Manchmal kam die 51-Jährige auch einfach nur auf einen Kaffee vorbei, wenn sich Gisela K. einsam fühlte.

Mit der Zeit wurde G. so zur engsten Bezugs- und Vertrauensperson der heute 83-Jährigen. Doch dieses Vertrauen nutzte die 51-Jährige gnadenlos aus. Hinter deren Rücken räumte Mandy G. zwischen April 2020 und November 2021 einen Großteil der Konten der vermögenden Seniorin leer.

Haushaltshilfe räumt Konten von dementer Seniorin leer – 400.000 Euro weg

Fast 400.000 Euro soll sie so erlangt haben. Das Geld floss in Luxusartikel und Online-Spiele. Doch Mandy G. flog auf. Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Lübeck wurde ihr nun der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau aus Reinfeld (Kreis Stormarn) Untreue in 114 Fällen vor (Az.: 711 Js 37455/21).

Spätestens seit 2019 soll G. verschiedene Tätigkeiten im Haushalt von Gisela K. übernommen haben. Kennengelernt hatten sie sich nach dem Tod des Ehemanns der Seniorin. Der Mann der 51-Jährigen hatte damals in der Gartenpflege gearbeitet und G. half hin und wieder im Garten der 83-Jährigen mit.

Zu Beginn des Verfahrens legt die Angeklagte ein Geständnis ab

Später engagierte diese die Angeklagte als Haushaltshilfe. Mehrfach in der Woche besuchte G. die Seniorin laut Staatsanwaltschaft für ein bis zwei Stunden in ihrem Haus in Reinfeld, erledigte Arbeiten und leistete ihr Gesellschaft. „Das Vertrauen zwischen der Angeklagten und der Geschädigten ist stetig gewachsen“, sagte Staatsanwältin Andrea Buscher.

Mandy G. legte zu Beginn der Verhandlung ein Geständnis ab. „Ich habe das gemacht“, platzte es unter Tränen aus der zierlichen Frau heraus, gleich nachdem die Staatsanwältin die Anklageschrift zu Ende verlesen hatte. „Es tut mir so leid, ich habe ihr doch nichts Böses gewollt“, so die Reinfelderin, die immer wieder zu schluchzen begann und sich mit einem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht wischte.

Nach und nach eigente sich die 51-Jährige Zugriff auf sämtliche Konten an

Zweifel an dieser Darstellung ließ jedoch das manipulierend-taktierende Vorgehen aufkommen, mit dem es der Angeklagten gelang, über Monate ihre Kontrolle über das Vermögen der 83-Jährigen immer weiter auszubauen. Zunächst hatte sie laut Buscher eine Vollmacht zu einem der Konten der Seniorin erhalten, um für sie Einkäufe erledigen zu können.

Nach und nach kamen laut Anklage weitere Konten hinzu, auch auf Sparkonten erhielt die 51-Jährige Zugriff. Schließlich gewährte die Seniorin ihr eine Generalvollmacht über sämtliche Konten, stellte ihr eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung aus. Auch brachte G. die 83-Jährige dazu, sie und ihren Ehemann per Testament als Erben ihres Grundstücks einzusetzen.

Ein misstrauischer Bankmitarbeiter brachte die Ermittlungen ins Rollen

An verschiedenen Geldautomaten und in Sparkassen-Filialen in Reinfeld und Lübeck soll die Angeklagte im Tagesrhythmus Geld von den Konten der Seniorin abgehoben haben. Mal kleinere Beträge, mal mittlere vierstellige Summen. Immer wieder verschob sie zudem Geld von den Sparkonten K.s auf ihr eigenes Bankkonto. Schließlich überredete G. die Seniorin, ihr Sparkonto aufzulösen und das Geld auf ihr Konto umbuchen zu lassen. Dafür erschien die 51-Jährige laut Anklage gemeinsam mit der 83-Jährigen am Bankschalter.

Als irgendwann ein Mitarbeiter der Sparkasse ob der vielen Umbuchungen misstrauisch wurde und ein Konto der Seniorin sperren ließ, soll die Angeklagte ihre Generalvollmacht genutzt haben, um dies rückgängig zu machen. Schließlich meldete das Geldinstitut den Vorgang und brachte so das Ermittlungsverfahren ins Rollen.

Die Angeklagte investiert im Monat rund 2000 Euro in Online-Spiele

Die Taten begründete G. gegenüber dem Gericht einerseits mit ihrer Abhängigkeit von Online-Strategiespielen. „Ich habe 2015 angefangen und dann wurde es immer mehr“, sagte sie. „Irgendwann habe ich den Überblick verloren.“ Rund 2000 Euro monatlich seien es aber bestimmt gewesen, die sie in sogenannte In-Game-Käufe investiert habe, um in Aufbauspielen wie „Farmerama“ oder „Die Siedler“ Vorteile zu erhalten und schneller voranzukommen.

Sie habe die 83-Jährige bewundert. „Sie sprach so feines Deutsch, hatte so eine vornehme Ausstrahlung. So wollte ich auch sein, nicht nur eine Putzfrau“, gab die Angeklagte zu. Deshalb habe sie große Summen in ihr Äußeres investiert. Das sei der zweite Grund gewesen, warum sie das Geld benötigt habe.

Das Geld floss in Zahnkorrektur, Rolex-Uhr, iPhone und Markenklamotten

Ihren neu erlangten Lebensstandard kostete G. in vollen Zügen aus. Für 21.000 Euro ließ sie sich die Zähne richten, kaufte unzählige Markenklamotten, bevorzugt von Marco Polo, Schuhe, eine Rolex-Uhr für 8000 Euro und ein iPhone für ihre Tochter. Jede Woche habe sie sich im Nagelstudio die Fingernägel machen lassen, gab die 51-Jährige zu.

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Für den gesetzlichen Betreuer von Gisela K., der ebenfalls vor Gericht aussagte und die 377.000 Euro in ihrem Namen zurückfordert, ist damit aber noch nicht abschließend geklärt, wo das gestohlene Geld geblieben ist. Aus seiner Sicht bleibe eine Lücke von rund 200.000 Euro. „Wo ist dieses Geld?“, wollte er von der Angeklagten wissen, die bestritt, noch über dieses zu verfügen.

Betreuer der Geschädigten vermutet weitaus höhere Schadenssumme

Der Betreuer mutmaßte, der wirkliche Schaden könnte deutlich höher liegen, bei rund 500.000 bis 600.000 Euro. „Es gibt Hinweise, dass schon vor dem angeklagten Zeitraum Geld abgeflossen ist“, sagte er. Gisela K. lebe trotz ihrer fortgeschrittenen Demenz zu Hause, unterstützt von einer Pflegerin. „Das kostet viel Geld, aber ein Großteil ihres Ersparten ist jetzt weg.“

Eine psychiatrische Sachverständige bescheinigte G. eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung nach Gewalterfahrungen in der Kindheit und einer Vergewaltigung im jungen Erwachsenenalter.

Psychiatrische Gutachterin hält die 51-Jährige für voll schuldfähig

Diese Erlebnisse seien mutmaßlich ausschlaggebend für den Wunsch der Reinfelderin nach Anerkennung, welche die Angeklagte in den Online-Spielen und durch teure Marken-Artikel zu erlangen versuche, so die Sachverständige. Die psychischen Erkrankungen wirkten sich aber nicht auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten aus. Auch Anzeichen einer Suchterkrankung lägen aus psychiatrischer Sicht nicht vor, weshalb G. voll schuldfähig sei.

Staatsanwältin Buscher ging in ihrem Schlussplädoyer hart mit der 51-Jährigen ins Gericht. Sie habe schlicht aus Neid gehandelt. „Sie haben die Hilflosigkeit und die Gutmütigkeit der Geschädigten schamlos ausgenutzt“, sagte sie. Die Schadenssumme übersteige bei weitem die Beträge, die sie in ihrer Berufslaufbahn in ähnlichen Verfahren erlebt habe. An eine Bewährungsstrafe sei deshalb nicht mehr zu denken, so Buscher, die zwei Jahre und zehn Monate Haft forderte.

Verteidiger will Bewährungsstrafe und bittet um ein „mildes Urteil“

Das sah Verteidiger Patric von Minden anders. Eine Aussetzung zur Bewährung sei durchaus noch möglich, „auch wenn wir es mit einer Schadenssumme zu tun haben, die ich nicht jeden Tag erlebe.“ Aufgrund ihrer psychiatrischen Krankengeschichte habe seine Mandantin „über Gebühr“ unter dem Verfahren gelitten, das seit nunmehr drei Jahren andauere.

Von Minden verwies zudem darauf, dass der Lebensstandard von Gisela K. sich durch die Tat nicht verschlechtert habe. „Wie die Betreuung eingeräumt hat, sind weiterhin vier Immobilien und Ersparnisse im sechsstelligen Bereich vorhanden“, sagte er und bat um ein „mildes Urteil“ für seine Mandantin, die als Bäckereiverkäuferin gerade wieder beruflich Fuß gefasst habe.

Gericht verurteilt die Reinfelderin zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft

Diesem Wunsch kam das Gericht nicht nach. Zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis, lautete das Urteil am Ende. „Das Opfer war hilflos, war nicht mehr Herrin ihrer Sinne“, begründete der Vorsitzende Richter, Felix Spangenberg, die Entscheidung. Eine Bewährungsstrafe sei aus Sicht des Gerichts „schwer vorstellbar“ gewesen. Gegen das Urteil kann Mandy G. binnen einer Woche Berufung oder Revision einlegen.