Reinbek. Nach vielen Beschwerden aus der ganzen Stadt über Schädlinge ist Thorsten Kindschuh tätig geworden. Eine erste Bilanz.
Es gab Zeiten, und die sind noch nicht lange her, da hat sich Rolf Woyde kaum auf die Straße getraut. Und noch viel weniger mochte der Reinbeker den Müll wegbringen. Grund waren die vielen Ratten, die er – auch tagsüber – unter den Mülltonnen und quer über die Reinbeker Bogenstraße entlang huschen sah und die ihm sogar über den Fuß liefen. Besonders ekelig: Einmal beobachtete Woyde aus dem Küchenfenster seiner Wohnung, wie eine Ratte beim Öffnen der Tonne einen Müllwerker ansprang. Dann kam der Kammerjäger.
Ein ganzes Jahr lang hatte Woyde zuvor den unhaltbaren Zustand ertragen und sich mehrfach ans Rathaus und an die Hausverwaltung seines Mehrparteienhauses gewandt. Doch es änderte sich wenig. Im Gegenteil: „Es wurde immer schlimmer“, sagt der 80-Jährige.
Rattenplage in Reinbek – Hamburger Kammerjäger greift durch
Dann wurde es Woyde zu bunt, er schaltete im September unsere Redaktion ein. Nach dem Artikel meldeten sich Reinbeker aus nahezu allen Stadtteilen und berichteten über Rattensichtungen. Die Politik reagierte und nahm sich dem Rattenproblem an. Sie einigte sich darauf, eine mehrsprachige Informationskampagne zu starten. Auch betroffene Wohnungsverwaltungen kündigten an, ihre Mieter, gerade in Bezug auf die richtige Müllentsorgung, sensibilisieren zu wollen.
„Seitdem hat sich einiges getan“, freut sich Woyde. Ratten hat er in der Bogenstraße schon länger nicht mehr gesehen. „Das Problem scheint zumindest in unserer Straße unter Kontrolle“, sagt der Reinbeker erleichtert.
Rattenplage in Reinbek: Beim Kampf gegen die Nager ist Müllentfernung das A und O
Woydes Beobachtungen decken sich mit denen vom professionellen Schädlingsbekämpfer Thorsten Kindschuh. Der 56-Jährige ist Inhaber von WIBO Schädlingsbekämpfung mit Sitz in Hamburg-Stellingen und nun dauerhaft beauftragt, die Bogenstraße – zumindest abschnittsweise – rattenfrei zu halten.
Denn für die Häuserblocks auf der anderen Straßenseite ist wieder eine andere Verwaltung zuständig, die Kindschuh zwar nicht beauftragt, aber dafür gesorgt hat, dass die Mieter ihren Müll nicht mehr neben den Tonnen entsorgen. „Das ist das A und O“, sagt Kindschuh. „Solange Müll offen rumliegt, komme ich mit Gift nicht gegen die Ratten an. Eine Rattenplage ist immer hausgemacht“, sagt er und schaut etwas argwöhnisch auf den Papiermüll, der unter den Behältern hervorschaut. „Das ist zwar nur Papier und für Ratten uninteressant, aber die wenigsten Haushalte trennen sauber. Da landet auch mal Schokoladenpapier in der blauen Tonne“, weiß er aus Erfahrung.
Rattenplage in Reinbek: Köder sind seit Wochen unangetastet
Kindschuh macht ein Foto und will es der Hausverwaltung schicken. Weitere gröbere Verstöße sieht er nicht. Die Straße samt Grünflächen sind müllfrei und die Hecken beschnitten. „Das ist wichtig, um die Rückzugsorte für die Nager so gering wie möglich zu halten“, weiß Kindschuh.
Die neue Sauberkeit in der Bogenstraße zeigt Wirkung: Seine in einer schwarzen Box ausgelegten giftfreien Köder sind seit Wochen unangetastet. „Nicht einmal eine Maus hat daran genagt“, sagt Kindschuh und zeigt das unversehrte in Folie eingeschweißte Päckchen, das etwas größer als eine Streichholzschachtel ist und in dem sich gepresster Weizen befindet. Um auf Nummer sicher zu gehen, sucht der Schädlingsbekämpfer mit professionellem Blick im zehn Meter Umkreis nach Rattenspuren wie Erdlöchern oder Kot, der in Form und Größe einer Kaffeebohne ähnelt. Beides kann er nicht entdecken, weist aber auf die Kotspuren eines Marders hin.
Ekel-Einsatz in Lohbrügge: Kammerjäger hat schon viel gesehen
Nicht nur mit Ratten und ihren Vorlieben kennt sich der IHK-geprüft Kammerjäger aus, der den „klugen, sozialen und eigentlich sehr reinlichen Tieren“ durchaus Positives abgewinnen kann und in den 19 Jahren als selbstständiger Schädlingsbekämpfer noch keinen einzigen Fall erlebt hat, in dem eine Ratte eine Krankheit übertragen hat, wovor sich viele fürchten und was das Seuchenschutzgesetz verhindern will.
Auf seinen Einsätzen in Kellern, Restaurants, Speditionsbetrieben, in Wohnungen und Häusern hat Kindschuh schon viel und nicht immer nur Schönes gesehen. Gänsehaut bekommt er noch heute bei dem Gedanken an die verwahrloste Wohnung in Lohbrügge, wo die Bettwanzen in Trauben auf den Möbeln saßen und an den Wänden hingen und die Mieter völlig zerbissen waren.
Hamburger Kammerjäger weiß auch bei Hornissen Rat
Solche Ekel-Einsätze sind aber eher selten. Derzeit im Sommer sind Tauben auf Balkonen oder Wespen und Hornissen auf Terrassen und unter Dachvorsprüngen an der Tagesordnung des Schädlingsbekämpfers. Wohingegen Letztere streng geschützt sind und die Tiere nicht eingefangen, getötet oder die Nester versetzt werden dürfen. „Muss man in der Regel auch nicht, denn Hornissen sind so friedfertig wie Hummeln.“ Er versucht dann, den Betroffen die Angst vor den beeindruckenden Insekten zu nehmen. Eine Hornisse auf die Hand zu nehmen helfe dabei oft, sagt Kindschuh, der sich als Tierfreund outet, mit zwei Hunden und einer Eule im Dach in Mühlenrade lebt.
Die Liebe zu Tieren nimmt man dem breitschultrigen Kammerjäger sofort ab, der während des Interviews auf die Mauersegler über den Dächern von Reinbek hinweist und bedauert, dass den Vögeln in Städten die Nistgelegenheiten abhandengekommen sind.
Kammerjäger ist Thorsten Kindschuhs Traumberuf
Kammerjäger sei für ihn durchaus so etwas wie ein Traumberuf. „Ich habe es vorher nie lang an einem Ort ausgehalten“, erzählt Kindschuh. Bevor er Schädlingsbekämpfer wurde, war er nach einer ersten Ausbildung Baumschulgärtner, nach einer zweiten Grafiker – die Tätowierungen auf seinen Armen hat er selbst gezeichnet und gestochen. Bis er in der Schädlingsbekämpfung seine Berufung fand. „Man kommt viel rum, hat viel mit Menschen zu tun, und die meisten Kunden sind dankbar, wenn ich oder einer meiner drei Kollegen helfen können.“
In einigen Fällen reichen auch nur beruhigende Worte, wie bei dem Einsatz in einem Bergedorfer Seniorenheim, wo er wegen Rötungen auf der Haut gerufen wurde und sich die vermeintlichen Bisse einer Bettwanze wohl als Allergie entpuppten. „Den Bewohnern fiel ein Stein vom Herzen“, erinnert sich Kindschuh, der sich solche Einsätze nicht bezahlen lässt.
Hamburger Kammerjäger: Feuerwanzen sind nicht schädlich
Tatenlos zog er auch wieder aus einem Reinbeker Garten ab, wo sich in einer Hecke Tausende rote Feuerwanzen angesiedelt hatten. „Die sind auffällig, aber nicht schädlich.“
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Unangenehm hingegen ist in energieeffizienten Neubauten ein häufiges Silberfischaufkommen. Die tauchen dort in allen Räumen und meist unter Fußleisten auf und sind schwer wieder wegzukriegen. „Das liegt daran, dass die Häuser vor dem Einzug nicht ordentlich durchgetrocknet waren und Silberfische es feucht mögen“, weiß er.
In Altbauten hingegen hat er es oft mit Mäusen und Ratten zu tun, die durch poröse Wände und Rohre ins Haus gelangen. „Da ist dann der Eigentümer gefragt und muss die Schlupflöcher schließen.“ Bei mehr als der Hälfte, rund 60 Prozent, seiner Einsätze handelt es sich um Rattensichtungen. „Im Frühjahr und Sommer sind wir besonders gefragt. Durch die immer wärmeren Winter aber haben wir aber mittlerweile das ganze Jahr gut zu tun“, sagt Kindschuh.