Reinbek. Bernd M. Kraske, einst Chef im Schloss Reinbek, hält andere Strategien im Umgang mit der rechtsextremen Partei für zielführender.

Seit fast 40 Jahren treibt er den intellektuellen Diskurs in Reinbek voran, hat zahlreiche Bücher zur deutschen Literatur verfasst. Die Kamingespräche, zu denen er im Namen der Italiaander-Stiftung ins Schloss Reinbek lädt, sind zur festen Institution geworden: Bernd M. Kraske, bis zu seiner Pensionierung vor zwölf Jahren „Schlossherr“ in Reinbek. Der Kulturchef der Stadt.

Was ihn derzeit besonderen Kummer bereitet: dass die AfD das Schloss nutzen darf. Das hatte die Partei gerichtlich durchgesetzt. Aber: Demosdagegen helfen nicht, meint Kraske, im Gegenteil. Damit rolle man der AfD den roten Teppich aus, so Kraske.

Demonstranten protestieren am 12. April dagegen, dass die AfD das Schloss Reinbek nutzen darf. Die Partei hatte das vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt.
Demonstranten protestieren am 12. April dagegen, dass die AfD das Schloss Reinbek nutzen darf. Die Partei hatte das vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt. © Stephanie Rutke | Stephanie Rutke

Bernd M. Kraske: „Mit Demos rollen wir der AfD den roten Teppich aus“

Aber vor vorn. Im Grunde war die Geburtsstunde seines heutigen Engagements eine kalte Winternacht im Jahr 1983. Reinbeks damaliger Bürgermeister Günther Kock hatte Bernd M. Kraske nach dem Besuch einer Theatervorstellung im Sachsenwald Forum gefragt, ob er noch einen Moment Zeit habe, er wolle ihm etwas zeigen. „Wir sind nachts gegen 23 Uhr bei Eis und Schnee runter zum Schloss gefahren. Es war stockdunkel, keine Laterne spendete Licht, ein großer Bauzaun versperrte den Blick auf das Schloss, das gerade saniert wurde“, sagt Kraske.

An diesem Abend schließt der Bürgermeister das herrschaftliche Renaissancegebäude auf. Im Taschenlampenlicht zeigt er Kraske die entkernten Innenräume und fragt ihn: „Könnten Sie sich vorstellen, dass das mal Ihr Arbeitsplatz wird?“ In diesem Moment sei er sich nicht sicher gewesen, ob seine Vorstellungskraft dafür reiche, sagt Kraske. Heute ist das Schloss Dreh- und Angelpunkt seines Lebens: als Projektkoordinator der Stiftung Donati Schloss Reinbek, die der Förderung von Kunst und Kultur im Schloss dient, und dem Vorsitz der Stiftung Sammlung Rolf Italiaander/Hans L. Spegg.

Stiftungen setzen sich für Demokratie und Weltoffenheit ein

Die Arbeit der Stiftungen greife ineinander, so Kraske. Impulse für Demokratie und Weltoffenheit zu setzen sei beiden sehr wichtig. Die Italiaander-Stiftung stärkt mit Ausstellungen, Vorträgen und Diskussionsrunden das Verständnis für fremde Kulturen und Religionen. Und die Donati-Stiftung kümmert sich um kulturelle Veranstaltungen, die Unterstützung junger Musiker und hilft bei der Anschaffung und Restaurierung von Kunstgegenständen im Schloss.

Es war Bernd M. Kraske, der den 2020 gestorbenen Bernhard Donati im Jahr 2011 dazu bewegte, eine Stiftung zu gründen: „Er sollte selbst noch sehen, wie das läuft. Zu seiner Freude lief es gut.“ Zu jenem Zeitpunkt war Kraske, dreifacher Familienvater und studierter Philosoph, Literatur- und Theaterwissenschaftler, Leiter der Kultur- und Veranstaltungseinrichtungen der Stadt Reinbek. Den Job verdankte er dem Sohn Günther Kocks, der in Hamburg-Eimsbüttel nebenan von Kraske wohnt; Kraske selbst arbeitete damals an der Universität Hamburg als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter.

Bernd M. Kraske: Peter Tschentscher und Daniel Günther kamen jüngst zu den Kamingesprächen

Sein Vater suche jemanden, der Ahnung vom Theater habe, so Kock junior damals. Das Sachsenwald Forum ist gerade eröffnet worden. Bernd M. Kraske schreibt fortan Vorberichte und Kritiken zu den Stücken, die dort aufgeführt werden. Bis zu jener Nacht im Schloss Reinbek, als Günther Kock ihm das neue Amt in der Stadtverwaltung anträgt. Und Kraske dafür zunächst elf Jahre lang pendelt, um schließlich 1994 mit seiner Frau und den drei Töchtern nach Reinbek zu ziehen.

Zum Kamingespräch begrüßte Kraske in diesem Jahr Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Danach nahm sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Zeit, um über Politik und Demokratiebewusstsein zu diskutieren.

Bernd M. Kraske: „Vielen Menschen haben viel zu viel Freizeit und machen zu wenig daraus“

In bislang 77 Kamingesprächen widmeten sich Persönlichkeiten aus Sport, Politik, Religion und Sozialem Fragen der Gesellschaft. Gemeinsam mit seinem engen Freund und Vorstandskollegen Rudolf Zahn wählt Kraske die Gäste aus. „Dabei gibt es keine Honorare. Es läuft alles ehrenamtlich.“

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Was ihm in seinem Beruf wichtig war, ist ihm auch als Pensionär ein Anliegen: „Wenn man mich braucht, führe ich das so weiter mit dem, was ich machen kann. Wir alle sollten uns viel mehr engagieren, ob als Spender, in einer Stiftung oder einem Verein. Viele Menschen haben viel zu viel Freizeit und machen zu wenig daraus.“ Deshalb sitzt er auch im Beirat der Bürger-Stiftung Stormarn und hilft dabei, neue Projekte auf den Weg zu bringen.

Bernd M. Kraske: Mit stilleren, aber überzeugenderen Maßnahmen gegen die AfD

„Die Stärkung der Demokratie liegt uns sehr am Herzen, das ist gerade dieser Tage ein enorm wichtiges Thema“, sagen Uwe Sommer und Ralph Klingel-Domdey vom Vorstand der Bürger-Stiftung Stormarn, die Gesprächsrunden dazu in Reinbek initiiert haben. Bernd Kraske sagt: „Wir wollen auch junge Menschen für die Demokratie begeistern, sprechen mit Lehrkräften, Kommunalpolitikern sowie Vertretern vom Kreis- und Stadtjugendring, um das Projekt auf die Beine zu stellen. Wir haben Verschiedenes konzipiert, von Filmbeiträgen über Vorträge bis hin zu Workshops.“

AfD darf Schloss Reinbek nutzen

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    Er verstehe, dass die Menschen vor Wut auf die Straße gingen, als die AfD Schleswig-Holstein das Schloss Reinbek für eine Veranstaltung gebucht und den Termin gerichtlich durchgesetzt habe. Aber es helfe nicht, meint der 76-Jährige. „Wir rollen der AfD damit den roten Teppich aus. Indem wir gegen sie schreien, befeuern wir sie.“ Es brauche stillere, aber überzeugendere Maßnahmen, „mit Kopf und Ruhe, Fantasie und Stärke“. Das sei Knochenarbeit. „Aber wenn man diese nicht leistet, werden wir nichts ändern.“

    Kontakt zum Büro der Bürger-Stiftung Stormarn: Telefon 04537/707 00 13, E-Mail info@buerger-stiftung-stormarn.de, Internet: www.buerger-stiftung-stormarn.de