Reinbek/Bergedorf. Früher waren Exponate, die Rolf Italiaander gesammelt hat, im Museum Rade zu sehen. Was aus den Werken und der Villa geworden ist.

Der Matisse steht neben dem Hauptmann (Ivo Hauptmann, Sohn des berühmten Schriftstellers Gerhard Hauptmann und Mitbegründer der Hamburger Secession). Darüber liegt im Kongo handgefertigtes Kinderspielzeug aus Telefondraht.

Bunt, vielfältig und vor allem von großem Wert sind die Kunstwerke, die hier in den Hallen eines Bergedorfer Industrieunternehmens kühl und trocken lagern. „Ein paar Millionen Euro kommen da schon zusammen“, sagt Bernd M. Kraske. So ganz genau weiß der Reinbeker und Vorsitzende der Stiftung Rolf Italiaander es nicht, denn bislang wurde nicht alle Bilder, Zeichnungen und Skulpturen geschätzt. Dafür sind es einfach zu viele.

An die 13.000 Exponate hat der Schriftsteller, Forschungsreisende und Mitbegründer der Freien Akademie der Künste in Hamburg, Rolf Italiaander, aus aller Welt zusammengetragen. „Afrika lag ihm am Herzen, Japan auch“, sagt Kraske. Als Italiaander 1991 in Hamburg verstarb, wusste er seine Kunstschätze bei Bernd M. Kraske, dem langjährigen Leiter des Reinbeker Kulturstätten, in guten Händen, „auch wenn wir uns nicht immer darüber einig waren, was Kunst ist und was nicht“, sagt Kraske mit einem Augenzwinkern. Der heute 74-Jährige hat 1984 die Aufgabe übernommen, die umfangreiche Sammlung zu ordnen und zu erhalten. Die 100 wichtigsten Kunstwerke hat er in zwei Kunstbänden ausführlich beschrieben. Beide sind im Schloss erhältlich.

Das ehemalige Museum Rade steht bereits seit vier Jahren leer.
Das ehemalige Museum Rade steht bereits seit vier Jahren leer. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Die Villa, früher Museum Rade, steht seit vier Jahren leer

Viele Jahre war ein Großteil der Kunstsammlung für das Publikum frei zugänglich, wurde sie von 1987 bis 2016 im Museum Rade ausgestellt. Vor sechs Jahren gingen die letzten Besucher durch das Museum. Dann wurde die Schlossstraße davor umfangreich und aufwendig saniert, war die Zufahrt gesperrt und das Museum geschlossen. Bernd M. Kraske nutzte die Monate, um Wände zu streichen und die Ausstellung zu modernisieren. Doch gesehen hat die fertige Ausstellung dann kein Besucher mehr, denn 20018 zog das Museum ganz aus.

Die Exponate wurden zu einem Drittel im Magazin des Schlosses, die anderen zwei Drittel eben in Bergedorf auf dem Hinterhof eingelagert. Hintergrund für den Auszug war, dass Bürgermeister Björn Warmer das stadteigene Gebäude an den Rowohlt-Verlag vermieten wollte. Der Verlag hatte gerade seinen Weggang aus Reinbek nach Hamburg bekannt gegeben und sollte einen Fuß in seiner alten Heimat behalten. In Reinbek erschienene Erstausgaben sollten ausgestellt werden. Doch das anfängliche Interesse des Verlags flaute schnell ab, auch statisch sprach einiges dagegen.

Seitdem steht – bis auf die Filmaufnahmen vor einigen Wochen mit der französischen Starschauspielerin Julie Delphie – das Haus leer. „Schon viel zu lange“, bedauert Bürgermeister Björn Warmer. „Bis Ende des Jahres aber soll die Zukunft der Immobilie geklärt sein“, verspricht der Rathauschef, soll die Politik darüber entscheiden, ob das Haus zukünftig vermietet oder verkauft werden soll. Interessenten für eine gewerbliche Nutzung sind vorhanden und fragten regelmäßig an. Auch eine wohnliche Nutzung müsste laut Warmer möglich sein. Die roséfarbene Villa direkt an der Bille ist um 1900 entstanden, verfügt über rund 350 Quadratmetern auf drei Etagen samt Keller. Ihr Zustand ist gut, das Feuchtigkeitsproblem wurde behoben. Bevor hier das Museum aus Rade (in Tangstedt) nach Reinbek umzog (aber seinen Namen beibehielt), hat in dem Haus eine Kinderärztin praktiziert, weiß Kraske. Direkt daneben gab es eine baugleiche Villa, in der der Moderator Carlo von Tiedemann aufgewachsen ist. Die allerdings wurde zugunsten der Parkplätze abgerissen, von denen nicht alle zum Grundstück der einstigen Museums-Villa gehören.

Picasso-Vase und Matisse-Plakat zählen zur Sammlung

An einem Wiedereinzug ins Haus hat die Stiftung Italiaander kein Interesse. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt Kraske. Die Stiftung hat angesichts geringer Zinseinnahmen auf dem Kapitalmarkt selbst kaum Einnahmen und ist in diesem Jahr auf einen Zuschuss von der Stadt in Höhe von 15.000 Euro angewiesen. Kraske arbeitet ehrenamtlich und konzentriert sich nun auf zwei größere Ausstellungen pro Jahr im Schloss. Eine davon ist noch bis diesen Sonntag im Schloss zu sehen: „Von Heiligen, Herrschern und Heiden“ ist ihr Titel mit Exponaten äthiopischer Volkskunst. Die nächsten zwei sind bereits in Planung: in der einen wird Volkskunst aus Bali zu sehen sein. Auf dem Inselparadies im Indischen Ozean war der Sammler öfter, bevor der Massentourismus Einzug hielt. Die zweite ist für Dezember 2023 geplant und wird handgefertigte Spielzeuge aus aller Welt zeigen.

Viele Exponate hat Italiaander geschenkt bekommen, weiß Kraske. So auch das Matisse-Plakat mit Originalunterschrift und persönlicher Widmung. Den zu dem Zeitpunkt schon greisen Maler hat Italiaander 1950 in Cimiez, einem Vorort von Nizza, besucht. „Den Meister fanden wir in einem riesigen Bett, sehr frisch, gesprächig und gastfreundlich“, schreibt Italiaander in seinem Buch „Akzente eines Lebens.“ Auf der gleichen Reise durch Südfrankreich traf er auch Pablo Picasso und kehrte mit einer Original-Vase und der Lithographie „Dimanche“ nach Hause zurück.