Hammoor. Hammoor soll Umgehungsstraße bekommen. Karl-Heinz Ruge-Winterberg und seine Familie wehren sich: „Lasse mich lieber enteignen.“

Der Hof der Familie Winterberg am Tremsbüttler Weg in Hammoor: Seit Generationen wird hier, am Rand der 1300-Einwohner-Gemeinde bei Bargteheide, Landwirtschaft betrieben. Knapp 70 Milchkühe sowie weitere Jungtiere gehören zum Betrieb. Ab Mai verbringen sie während der Sommermonate die meiste Zeit auf der großen Weide, die sich direkt an das Hofgelände mit den Stallgebäuden anschließt. Es ist Viehhaltung wie aus dem Bilderbuch.

Doch mit der Hof-Idylle könnte es bald vorbei sein. Das Land und die Gemeinde Hammoor planen in den kommenden Jahren den Bau einer Umgehungsstraße – und die soll einmal quer über die Kuhweide der Winterbergs führen. Das will die Familie nicht hinnehmen. „Hier geht es um unsere Existenz“, sagt Landwirt Karl-Heinz Ruge-Winterberg.

Ortsumgehung Hammoor: Pläne für Straße über Kuhweide sorgen bei Bauern für Entsetzen

Der Senior hat den Hof als junger Mann von seinem Onkel übernommen, hat fast sein ganzes Leben hier verbracht. Inzwischen führt er den Betrieb gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Krischan und Hinnerk sowie dessen Mann Torsten, die in den kommenden Jahren übernehmen sollen. Doch durch die geplante Umgehungsstraße sieht Ruge-Winterberg die Zukunft des Hofes bedroht.

Zwei Hektar der insgesamt neun Hektar großen Fläche müsste die Familie für den Bau der Straße ganz abgeben. Tatsächlich büße man aber weitaus mehr Fläche ein, sagt Hinnerk Winterberg. „Die Koppel würde in zwei Hälften geteilt“, erklärt der Landwirt. „Die Fläche wäre für die Nutztierhaltung in der Folge ungeeignet.“ Denn die nördliche Hälfte werde durch die Straße, die auf einem mehrere Meter hohen Damm verlaufen soll, vom Hof mit seinen Betriebsgebäuden und dem Stall abgeschnitten.

Der nördlich der Trasse gelegene Teil der Weide wäre für die Winterbergs verloren

Die Kühe könnten zwar auf die Nordseite transportiert werden. Das sei aber nicht praktikabel. „Ich kann die Tiere nicht über die Straße treiben. Ich könnte sie nur mit einem Viehtransporter auf die andere Seite bringen“, sagt Winterberg. Das müsste mehrmals täglich passieren. „Die Tiere bekommen am Stall ihr Kraftfutter, müssen mehrfach am Tag dorthin.“

Der dann nördlich der Straße gelegene Teil der Weide sei für den Betrieb somit de facto verloren. Gleichzeitig gebe es keine anderen Flächen in der direkten Umgebung, auf die man ausweichen könne. „Deshalb bringt es uns auch wenig, wenn wir dann eine Entschädigung bekommen“, sagt Winterberg.

Durchgangsverkehr zwischen Bargteheide und Autobahnkreuz rollt durch Hammoor

Nicht nur das: Die Familie hat laut Hinnerk Winterberg in den vergangenen Jahren auch stark in den Standort investiert. Einen fünfstelligen Betrag habe man allein in die Baugenehmigung für einen neuen Jungviehstall gesteckt, der Bau sollte bald beginnen. Doch durch die Straße würde das neue Gebäude nun abgetrennt vom restlichen Hof liegen. „Es wird einfach viel kaputt gemacht. Mit den Konsequenzen werden wir allein gelassen“, sagt der Landwirt.

Die Umgehungsstraße ist in Hammoor bereits seit Jahrzehnten ein Thema. Sie soll die Hauptstraße entlasten, die als Teil der Landesstraße 89 das Autobahnkreuz A1/21 mit der Stadt Bargteheide verbindet. Täglich rollen nicht nur Tausende Pendler durch den Ort, sondern auch viele schwere Lastwagen auf dem Weg zwischen dem Bargteheider Gewerbegebiet und der Autobahn. Anwohner klagen über Lärm und rücksichtslose Autofahrer.

Prognose rechnet für 2030 mit 15.000 Fahrzeugen täglich auf der Hauptstraße

Einer Prognose für das Jahr 2030 zufolge würden ohne die Tangente voraussichtlich mehr als 15.000 Fahrzeuge täglich durch das Dorf fahren. Mit Ortsumgehung würden der Schätzung zufolge nur noch 1500 bis 1700 Autofahrer den Weg durch Hammoor wählen.

Auf diese Trasse nördlich der Gemeinde Hammoor hat sich der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) festgelegt.
Auf diese Trasse nördlich der Gemeinde Hammoor hat sich der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) festgelegt. © Frank Hasse | Frank Hasse

„Die L89 ist im Abschnitt zwischen der A21 und Bargteheide eine der am höchsten belasteten Landesstraßen in Schleswig-Holstein, unter der die Anwohner in Hammoor besonders leiden“, heißt es auch vom Kieler Verkehrsministerium. Das Land hat die Umgehungsstraße zwar schon vor langer Zeit zugesagt, umgesetzt wurde das Vorhaben aber bis heute nicht.

Planungen für eine Südumgehung wurden wegen rechtlicher Bedenken gestoppt

Einer der Gründe ist der Streit um den Trassenverlauf. Denkbar sind sowohl eine Variante, die nördlich um Hammoor herum führt, als auch eine Route im Süden der Gemeinde. Das Dorf ist in zwei Lager gespalten. Niemand möchte die neue Straße vor seiner Haustür haben.

2012 war nach jahrelangen Diskussionen und Verzögerungen eine Entscheidung zugunsten der Südvariante gefallen. Doch nachdem Landwirte, die dort ihre Felder haben, mit einer Klage gedroht hatten, stoppte das Land die Pläne aufgrund juristischer Bedenken und rollte das Projekt ab 2015 noch einmal neu auf.

16.000 Fahrzeugen sollen die Umgehungsstraße künftig nutzen

Schließlich fiel 2018 beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) die endgültige Entscheidung zugunsten einer Nordumgehung. Diesmal sei die Planung rechtssicher, heißt es aus Kiel. Die Trasse soll nun an der Hauptstraße östlich des Katastrophenschutzzentrums beginnen und in Richtung Nordwesten um den Ort herumführen, um westlich des Gerkenfelder Wegs wieder in die Hauptstraße nach Bargteheide zu münden.

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16.000 Fahrzeuge sollen die Umgehungsstraße laut Prognose des LBV künftig täglich nutzen. Die Gesamtlänge beträgt etwa zwei Kilometer. Die Kosten liegen laut Verkehrsministerium bei schätzungsweise rund 17 Millionen Euro. Da es sich bei der L89 um eine Landesstraße handelt, trägt Kiel die gesamte Summe.

Laut Ruge-Winterberg wären von der Südvariante viel weniger Menschen betroffen

Dass es eine Umgehungsstraße braucht, steht für Karl-Heinz Ruge-Winterberg außer Frage. Nicht nachvollziehbar ist für ihn aber, warum sich der LBV auf die Nordtrasse festgelegt hat. „Die südliche Variante wäre nicht nur kürzer, es gäbe auch weniger Betroffene“, sagt er. Während im Norden nach wie vor mehrere landwirtschaftliche Betriebe lägen, hätten von den Landwirten, die damals gegen die Südumgehung gewesen seien, mehrere inzwischen ihre Betriebe aufgegeben.

Ruge-Winterberg ist sicher, dass die Mehrheit der Hammoorer ebenfalls die südliche Variante befürwortet. „Das sind nicht nur wir, das sieht man auch an den zahlreichen Einwendungen“, sagt er. 77 Personen haben laut Kieler Verkehrsministerium während der sechswöchigen Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens im März und April von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und Einwände formuliert.

Im Süden ist in den vergangenen Jahren ein Neubaugebiet entstanden

„Wir haben gegenüber der Gemeinde und dem LBV wiederholt auf die Problematik hingewiesen, vor der wir stehen“, sagt Hinnerk Winterberg. Doch die Kritik sei ignoriert worden. „Es wurde vom LBV nie klar kommuniziert, was zu der Entscheidung für die Nordumgehung geführt hat“, kritisiert Karl-Heinz Ruge-Winterberg zudem.

Mehr noch: Die Gemeindevertretung habe in den vergangenen Jahren Fakten geschaffen, die eine Südumgehung nun erschwerten. So entstand unter anderem im Süden der Gemeinde ein Neubaugebiet. Verantwortlich machen die Winterbergs dafür den damaligen Bürgermeister Helmut Drenkhahn und dessen Allgemeine Wählergemeinschaft Hammoor (AWH), die eine Südumgehung nicht gewollt hätten. Sie hätten das Neubaugebiet genehmigt, um diese Variante zu verhindern.

Ruge-Winterberg: „Lasse mich lieber enteignen, als dieser Lösung zuzustimmen“

Sollte die Umgehungsstraße wie geplant kommen, würde das die Winterbergs vor ein Dilemma stellen. Daran, den Betrieb aufzugeben, will niemand denken. Auch eine Umsiedlung steht derzeit nicht zur Diskussion. Ebenso wenig will die Familie aber ihre Kühe das ganze Jahr über im Stall lassen. „Das ist weder im Sinne der Tiere noch das, was die Kunden wollen“, sagt Hinnerk Winterberg.

Für die Winterbergs ist deshalb klar, dass sie bis zum Schluss gegen die Nordumgehung kämpfen werden – zur Not auch vor Gericht. „Mir tut es für die Leute Leid, die an der Hauptstraße wohnen und die dann länger auf die Umgehungsstraße warten müssen“, sagt Senior Karl-Heinz Ruge-Winterberg. „Aber ich lasse mich lieber enteignen, als dieser unausgegorenen Lösung zuzustimmen, wo es doch eine bessere Alternative im Süden gibt.“