Hammoor. Flut an Einwendungen gegen Ortsumgehung für 1300-Einwohner-Gemeinde Hammoor. Was das für den weiteren Zeitplan bedeutet.
Nach jahrelangem Hin und Her soll Hammoor endlich eine Umgehungsstraße bekommen. Doch in dem 1300-Einwohner-Dorf stößt das Vorhaben auf großen Widerstand. Zwischen dem 18. März und dem 2. April hatten Bürger die Möglichkeit, in der Öffentlichkeitsbeteiligung zum PlanfeststellungsverfahrenEinwendungen zu dem Projekt einzureichen. Davon hätten 77 Personen Gebrauch gemacht, so Karen Sieksmeyer, stellvertretende Sprecherin des Kieler Verkehrsministeriums.
Gemessen an der Einwohnerzahl ist das ein extrem hoher Wert. Zum Vergleich: Im Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt der S4, der durch das Gebiet der 35.000-Einwohner-Stadt Ahrensburg führt, gingen im vergangenen Jahr 190 Einwendungen ein.
Hammoor: Anwohner laufen Sturm gegen geplante Umgehungsstraße
Im Fall Hammoor kommen zu den 77 privaten Einwendungen laut Sieksmeyer 27 Stellungnahmen von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange sowie eine gemeinsame Äußerung zweier Verbände. Die Ortsumgehung ist in der Gemeinde seit je her umstritten. Bereits seit fast 40 Jahren wird darüber diskutiert.
Dabei sind sich eigentlich alle einig, dass die Hauptstraße, die als Teil der L89 durch das Dorf führt und die Stadt Bargteheide mit dem Autobahnkreuz A1/A21 verbindet, entlastet werden muss. Täglich rollen nicht nur Tausende Pendler durch den Ort, sondern auch viele schwere Lastwagen auf dem Weg zwischen dem Bargteheider Gewerbegebiet und der Autobahn.
Laut Prognose würden 2030 mehr als 15.000 Fahrzeuge durch das Dorf fahren
Einer Prognose für das Jahr 2030 zufolge würden ohne die Tangente voraussichtlich mehr als 15.000 Fahrzeuge täglich durch das Dorf fahren. Mit Ortsumgehung würden der Schätzung zufolge nur noch 1500 bis 1700 Autofahrer den Weg durch Hammoor wählen.
„Die L89 ist im Abschnitt zwischen der A21 und Bargteheide eine der am höchsten belasteten Landesstraßen in Schleswig-Holstein, unter der die Anwohner in Hammoor besonders leiden“, heißt es auch vom Kieler Verkehrsministerium. Das Land hat die Umgehungsstraße zwar schon vor langer Zeit zugesagt, umgesetzt wurde das Vorhaben aber bis heute nicht.
Landwirte streiten über den Verlauf der geplanten Umgehungsstraße
„Der Durchgangsverkehr hat in den vergangenen Jahren noch zugenommen, die Belastung ist ungebrochen hoch“, sagt Hammoors Bürgermeister Andreas Jendrejewski (Wählergemeinschaft AWH). So sei etwa das Gewerbegebiet in Bargteheide weiter gewachsen, was auch zu einem höheren Verkehrsaufkommen geführt habe. „Insofern ist die Ortsumgehung für die Gemeinde weiterhin das zentrale Thema.“
Der Streit dreht sich dann auch nicht um die Notwendigkeit der Umgehungsstraße, sondern um ihren Verlauf. Die Bürger der Gemeinde sind in zwei Lager gespalten. Die eine Seite favorisiert eine Trasse südlich der Gemeinde, die andere eine im Norden. Niemand möchte die neue Straße vor seiner Haustür haben. Insbesondere einige Landwirte, die für den Bau der Umgehungsstraße Teile ihrer Ackerflächen abgeben müssten, haben den Streit in der Vergangenheit erbittert geführt.
2015 wurden die Planungen wegen juristischer Bedenken neu aufgerollt
2012 war nach jahrelangen Diskussionen und Verzögerungen eine Entscheidung zugunsten der Süd-Variante gefallen. Doch nachdem Landwirte, die dort ihre Felder haben, mit einer Klage gedroht hatten, stoppte das Land die Pläne aufgrund juristischer Bedenken und rollte das Projekt ab 2015 noch einmal neu auf.
Schließlich fiel 2018 beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) die endgültige Entscheidung zugunsten einer Nordumgehung. Diesmal sei die Planung rechtssicher, heißt es aus Kiel. Die Trasse soll nun an der Hauptstraße östlich des Katastrophenschutzzentrums beginnen und in Richtung Nordwesten um den Ort herumführen, um westlich des Gerkenfelder Wegs wieder in die Hauptstraße nach Bargteheide zu münden.
16.000 Fahrzeuge sollen die neue Ortsumgehung künftig täglich nutzen
Acht Meter Fahrbahnbreite soll sie bieten, zuzüglich 1,50 Meter Bankette an der Seite. 16.000 Fahrzeuge sollen die Umgehungsstraße laut Prognose des LBV künftig täglich nutzen. Die Gesamtlänge beträgt etwa zwei Kilometer. Die Kosten liegen laut Verkehrsministerium bei schätzungsweise rund 17 Millionen Euro. Da es sich bei der L89 um eine Landesstraße handelt, trägt Kiel die gesamte Summe.
1,5 Millionen Euro sind für die Entschädigung betroffener Flächeneigentümer vorgesehen. Wie viel das Land ihnen letztlich zahlt, ist noch offen. Entschädigungsfragen würden im Zuge der Grunderwerbsverhandlungen geregelt, die derzeit noch nicht abgeschlossen seien, heißt es aus dem Ministerium.
Die vielen Einwendungen werden wohl die Umsetzung verzögern
Hammoors Bürgermeister zeigt sich von der Zahl der Einwendungen überrascht. Er habe zwar mit Kritik gerechnet. „Aber 77 sind schon deutlich viele. Das ist schon heftig, wenn man bedenkt, dass gar nicht so viele Haushalte direkt betroffen sind“, sagt Jendrejewski. Nun müsse sich zeigen, was das für den Fortgang des Projektes bedeute.
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Mindestens auf den Zeitplan wird sich die Flut der Einwendungen wohl auswirken. Jede von ihnen muss geprüft und beantwortet werden. In der Voraussicht auf Widerstand und mögliche Klagen von Grundstückseigentümern hatte das Ministerium diesen bewusst offen gelassen. Eine schnelle Umsetzung dürfte das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht gerade begünstigen.
LBV muss zu allen Einwendungen Erwiderungen und Stellungnahmen erarbeiten
„Vom Vorhabenträger werden nun die Erwiderungen zu den eingegangenen Einwendungen und Stellungnahmen erarbeitet“, sagt Ministeriumssprecherin Sieksmeyer mit Blick auf die nächsten Schritte. Anschließend werde das Amt für Planfeststellung Verkehr über die Notwendigkeit eines Erörterungstermins entscheiden.
Bevor letztlich gebaut werden kann, muss es den sogenannten Planfeststellungsbeschluss geben. „Der Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, da dieser insbesondere davon abhängt, wann die Erwiderungen des Vorhabenträgers vorliegen und welche Entwicklungen sich im weiteren Anhörungsverfahren ergeben“, so die Ministeriumssprecherin.
Verkehrsministerium rechnet mit Beschlusserlass nicht mehr in diesem Jahr
Möglicherweise plant der LBV am Ende des Verfahrens an der einen oder anderen Stelle noch einmal um. Anschließend müsste die Öffentlichkeit erneut beteiligt werden. Sieksmeyer sagt: „Ein Beschlusserlass noch in diesem Jahr ist aufgrund der noch durchzuführenden Verfahrensschritte nicht zu erwarten.“