Hammoor. Straße soll Hammoor vom Verkehr entlasten. Doch nicht alle sind glücklich. Thorsten Hoose bangt um seine Existenz und will klagen.
Nach jahrelangem Hin und Her geht es bei der Ortsumgehung für die Gemeinde Hammoor voran. Seit dem 19. Februar läuft das Planfeststellungsverfahren für die rund zwei Kilometer lange Trasse, die im Norden um das 1300-Einwohner-Dorf bei Bargteheide herumführen soll. Doch nicht alle im Ort sind darüber erfreut.
Fleischermeister Thorsten Hoose führt mit seiner Schwester Katja in dritter Generation die Landschlachterei Hoose an der Hauptstraße (L89) am Hammoorer Ortseingang. Sollte die Ortsumgehung gebaut werden, wie es die derzeitigen Pläne vorsehen, fürchten die Hooses um ihre Existenz.
Schlachter aus Hammoor will gegen geplante Ortsumgehung klagen
Seit 1951 ist der Betrieb dort ansässig. Hooses Großvater hatte das Unternehmen gegründet. Nach und nach wurde der Betrieb erweitert. Heute sind sieben Mitarbeiter in dem Familienunternehmen beschäftigt.
Auf dem Grundstück befinden sich die Schlachterei, in der die Hooses selbst schlachten und das Fleisch verarbeiten, das Fleischerfachgeschäft, in dem sie die Produkte aus eigener Herstellung anbieten, zwei Wohn- sowie mehrere Lagergebäude. Außerdem betreibt die Familie einen Stand auf Wochenmärkten in der Region.
Straße vor der Schlachterei würde infolge des Umbaus zur Sackgasse
„Laufkundschaft macht für uns einen großen Anteil aus“, sagt Thorsten Hoose. Der Betrieb lebt unter anderem von Autofahrern, die am nahen Kreuz Bargteheide auf die A1 oder A21 fahren und unterwegs einen Stopp im Geschäft der Schlachterei einlegen, um sich ein belegtes Brötchen oder einen Kaffee zu holen.
Doch wenn die Ortsumgehung fertig ist, soll der Abschnitt der L89, die derzeit direkt am Laden vorbeiführt, zur Sackgasse werden. Nur von Westen aus wäre dann noch eine direkte Zufahrt möglich, nicht aber aus Richtung der Autobahn und aus Richtung der großen Nachbarstadt Ahrensburg. „Wer macht dann noch den Umweg zu uns?“, fragt Hoose.
Die Hooses sollen 5700 Quadratmeter ihres Grundstücks abgeben
Doch nicht nur das: Die Hooses sollen den Planungen des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (LBV) zufolge auch rund 5700 Quadratmeter ihres Grundstücks abgeben. Das sind rund 44 Prozent der etwa 13.100 Quadratmeter großen Fläche. Die Gebiete werden für die neue Straße und ihre Nebenanlagen benötigt.
Erfahren hat Thorsten Hoose davon nach eigenen Angaben erst, als die Planunterlagen Mitte Februar öffentlich ausgelegt wurden. „Mich hat im Vorfeld keiner informiert“, sagt er. Vor einigen Jahren seien zwar Mitarbeiter des LBV bei ihm im Geschäft gewesen. „Das war noch vor Corona“, so der 55-Jährige. „Die haben mich gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, mit dem Betrieb umzusiedeln.“
LBV schlug Thorsten Hoose vor, mit dem Betrieb umzusiedeln
Das kommt für Thorsten Hoose aber nicht infrage. „Aus unternehmerischer Sicht wäre das Blödsinn bei den heutigen Baukosten“, sagt er. Expandieren wolle er ohnehin nicht. „Ich bin in einem Alter, da binde ich mir so etwas nicht mehr ans Bein.“ Konkrete Zahlen dazu, wie viel Fläche er abgeben soll, hätten die LBV-Mitarbeiter aber nicht genannt. „Es gab auch kein Angebot“, sagt Hoose.
Vor allem zwei Dinge bereiten Thorsten Hoose Kopfzerbrechen. Zum einen müssten eine Lagerhalle und Teile eines anderen Gebäudes abgerissen werden, weil dort die Bankette der neuen Straße angelegt werden soll. „Die Halle habe ich mit Genehmigung gebaut und brauche sie zur Lagerung von Abfallprodukten, die beim Schlachten anfallen“, sagt er.
Ein Neubau an anderer Stelle auf dem künftig kleineren Grundstück sei nicht möglich. „Die Lastwagen und Traktoren, mit denen die Landwirte aus der Region die Tiere zu unserer Hausschlachtung bringen, benötigen ausreichend Platz zum Rangieren.“
Die Umgehungsstraße soll unmittelbar östlich der Schlachterei beginnen
Zum anderen befürchtet Hoose, dass die breitere der zwei Zufahrten zum Hof hinter dem Geschäft, wo die Schlachttiere angeliefert werden, im Zuge des Umbaus der Straße wegfallen wird. „Die andere Zufahrt liegt zwischen zwei Gebäuden und ist für Lastwagen und landwirtschaftliche Fahrzeuge zu schmal“, sagt er.
Die neue Umgehungsstraße soll unmittelbar östlich der Schlachterei an der Hauptstraße beginnen und direkt nördlich an einem der Wohngebäude der Hooses vorbeiführen. Anschließend verläuft sie in Richtung Nordwesten um den Ort herum, um westlich des Gerkenfelder Wegs wieder in die Hauptstraße nach Bargteheide zu münden.
Die Straße soll nach Schätzungen des Verkehrsministeriums 17 Millionen Euro kosten
Acht Meter Fahrbahnbreite soll sie bieten zuzüglich 1,50 Meter Bankette an der Seite. Für eine bessere Anbindung soll außerdem die Ahrensburger Straße (K106) samt Einmündung in die L89 auf einem Abschnitt von 500 Metern nach Osten verschwenkt werden. Das Kieler Verkehrsministerium rechnet damit, dass täglich rund 16.000 Fahrzeuge die neue Trasse nutzen werden.
Die Kosten von schätzungsweise 17 Millionen Euro trägt das Land. 1,5 Millionen Euro sind für die Entschädigung betroffener Flächeneigentümer vorgesehen. Wie viel das Land ihnen letztlich zahlt, ist noch offen. „Entschädigungsfragen werden im Zuge der Grunderwerbsverhandlungen geregelt, die derzeit noch nicht abgeschlossen sind“, heißt es aus dem Verkehrsministerium.
Forderungen nach einer Ortsumgehung gibt es in Hammoor seit Jahrzehnten
Bereits seit 1986 gibt es in Hammoor Forderungen nach einer Ortsumgehung, um die Hauptstraße zu entlasten. Die Straße, die als Teil der L89 die Stadt Bargteheide und ihre Gewerbegebiete mit der Autobahn verbindet, gehört laut Kieler Verkehrsministerium zu den am höchsten belasteten Landesstraßen in Schleswig-Holstein.
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„Der Durchgangsverkehr hat in den vergangenen Jahren noch zugenommen, die Belastung ist ungebrochen hoch“, sagt Hammoors Bürgermeister Andreas Jendrejewski (Wählergemeinschaft AWH). Er ist froh, dass bei es dem Vorhaben endlich vorangeht. Einer Prognose für das Jahr 2030 zufolge würden ohne die Tangente voraussichtlich mehr als 15.000 Fahrzeuge täglich mitten durch das Dorf rollen. Mit Ortsumgehung würden der Schätzung zufolge nur noch 1500 bis 1700 Autofahrer den Weg durch Hammoor wählen.
Landwirte stritten jahrelang über den Verlauf der neuen Straße
Dass die Ortsumgehung nicht schon längst gebaut wurde, liegt daran, dass in der Gemeinde jahrzehntelang um den Verlauf der neuen Straße gestritten wurde. Landwirte aus verschiedenen Teilen des Orts waren uneins, ob sie im Norden oder im Süden an der Gemeinde vorbeiführen soll.
Keine der beiden Seiten wollte ihre Felder für das Vorhaben hergeben. Einige Landwirte drohten mit einer Sammelklage. 2012 wurde nach jahrelanger Diskussion schließlich eine Trasse im Süden festgelegt. Die Entscheidung hielt nur drei Jahre: 2015 wurde das Planfeststellungsverfahren eingestellt, weil das Land erhebliche juristische Risiken sah.
2018 fiel die Entscheidung für eine Nordumgehung in Hammoor
Die Planungen wurden neu aufgerollt. Schließlich fiel 2018 beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) die endgültige Entscheidung zugunsten einer Nordumgehung. Diesmal sei die Planung rechtssicher, heißt es aus Kiel. „Im Grundsatz sind sich alle einig, dass wir die Umgehungsstraße brauchen, nur einige wollen sie lieber auf der einen Seite der Gemeinde und andere auf der anderen“, fasst Bürgermeister Jendrejewski die Debatte zusammen.
Auch Thorsten Hoose sieht die Notwendigkeit, den Verkehr raus aus dem Ortskern zu bekommen. Er gehört zu denjenigen, die sich eine Südumgehung gewünscht hatten und kann die Entscheidung für die nördliche Variante nicht nachvollziehen. „Nun ist es so“, sagt er. Er wünsche sich aber, dass die Trasse wenigstens mit mehr Abstand an seinem Betrieb vorbeigeführt wird. Um das zu erreichen, möchte Hoose entsprechende Einwendungen in dem Planfeststellungsverfahren machen. Dafür ist noch bis zum 2. April Zeit. Der 55-Jährige hat sich bereits einen Anwalt genommen, der ihn bei der Formulierung der Kritikpunkte unterstützt.
Eine Klage könnte den Baubeginn für die Ortsumgehung weiter verzögern
Sollten die Einwendungen in dem Verfahren keine Berücksichtigung finden, will Hoose notfalls vor Gericht ziehen und gegen die Planungen klagen. „Ich weiß von weiteren Flächeneigentümern, die auch dagegen vorgehen wollen“, sagt er. Unabhängig wie ein möglicher Rechtsstreit ausginge, den Baubeginn würde er wohl weiter verzögern. Im Verkehrsministerium hat man sich auf etwaige Klagen bereits eingestellt und bislang gar nicht erst einen Termin für den Baustart genannt.