Glinde. Glinde will Innenstadt aufwerten und Investoren eine Fläche anbieten. Wer den Zuschlag erhält, muss viel Geld für Stellplätze zahlen.
Das Innenstadtkonzept ist tot, betonen Glindes Politiker unisono. Sie haben recht. Grund- und Immobilieneigner werden die Wünsche der Parteien, unter anderem den Bau von 300 Wohnungen an zentraler Stelle, nicht erfüllen. Sie wollen keine neuen Gebäude erstellen. Eine Ausnahme ist die Sparkasse Holstein. Jetzt soll die Umgestaltung in kleinerem Umfang vollzogen werden. Man fokussiert sich auf den Marktparkplatz. Er gehört der Kommune und ist rund einen Hektar groß. Die würde gern ins Geschäft kommen mit Investoren, legte sich nun fest, dass ein Verkauf ausgeschlossen ist. Doch damit nicht genug: Wer den Zugriff erhalten will, soll auch noch kräftig investieren in öffentliche Stellplätze für Autos. Ob sich unter diesen Voraussetzungen ein Unternehmen findet? Zweifel sind angebracht.
Annmarei Roth, zweite stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, bezeichnet das Areal als Sahnegrundstück. Ihre Partei schlug einen Verbleib im Eigentum der Stadt vor. Der entsprechende Antrag wurde im jüngsten Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz einstimmig abgesegnet. Wohnungsbauunternehmen soll stattdessen eine Erbpacht angeboten werden. Die ist häufig auf 99 Jahre festgeschrieben. Wenn der Eigentümer den Vertrag danach nicht verlängert, geht das Gelände an ihn zurück. Er wird auch automatisch Besitzer des darauf gebauten Objekts, muss dafür eine Entschädigung zahlen. Laut Gesetz stehen dem Erbpachtnehmer mindestens zwei Drittel des Verkehrswerts zu.
Baugenossenschaft Sachsenwald sieht sich nicht als Parkhausfinanzier
Die Baugenossenschaft Sachsenwald mit Sitz in Reinbek hat Wohnungen in Glinde und im Stadtteil Wiesenfeld mehrere gepachtete Grundstücke inzwischen ins Eigentum überführt. Sie plant am Buchenweg ein neues Quartier, will den kompletten Bestand abreißen. Wegen gestiegener Baukosten wurde das Projekt in die Warteschleife geschickt. „Beim Thema Erbpacht bin ich eher zurückhaltend. Wobei es natürlich auch auf den Zins ankommt“, sagt Vorstand Dirk Reiche. In Reinbek hat sich die Genossenschaft auf dieses Modell eingelassen, stellte 2023 direkt neben dem Täbyplatz 36 Wohnungen auf einem Kirchengrundstück fertig. Dieses ist bis 2101 gepachtet. Reiche: „Das ist eine Kompromisslösung gewesen, damit überhaupt etwas entsteht.“
Der Marktparkplatz ist für ihn weniger interessant wegen der Forderung, dass Investoren Ersatzabstellmöglichkeiten schaffen sollen, die gebührenfrei sind. Derzeit fasst der Bereich rund 300 Fahrzeuge. Parkhaus oder Tiefgarage könnten den Wegfall kompensieren. „Unser Schwerpunkt ist Wohnungsbau. Wir sind keine Experten für die Errichtung von Parkpaletten mit Gratisnutzung“, sagt Reiche. Bürgermeister Rainhard Zug erzählt den Parteienvertretern schon seit Längerem, dass namhafte Unternehmen aus Norddeutschland die städtische Fläche im Auge haben. Als sie den Verwaltungschef davon in Kenntnis setzten, wussten die Firmen allerdings noch nichts vom Verkaufsverbot.
Glinde beabsichtigt Konzeptvergabeverfahren für Fläche im Zentrum
Mittlerweile dürften sie auch mitbekommen haben, dass Glinde einen Wettbewerb beabsichtigt. Und zwar das Konzeptvergabeverfahren. Dabei muss das Areal nach strikten Vorgaben der Kommune entwickelt werden. Unternehmen treten mit ihren Entwürfen vor ein Preisgericht. In Vorarbeit zu dem Prozess wird die Verwaltung demnächst Gutachten in Auftrag geben zum Beispiel für Einzelhandel und Verkehr. Experten sollen klären, was genau benötigt wird. Die Ergebnisse sind Entscheidungsgrundlage für die Parteien hinsichtlich der Vorgaben an Investoren.
Aber was geschieht, wenn unter den festgelegten Voraussetzungen keine Firma mitmachen will? „Kostenlose Parkplätze in ausreichendem Maß sind für Glinde lebenswichtig. Ohne die funktioniert der Wochenmarkt nicht. Auch für die Geschäfte in der Ortsmitte ist das notwendig. Wenn Investoren kein Interesse haben, dann bleibt es so wie es ist“, sagt SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach. Bei den Christdemokraten hört sich das anders an. Der Ortsvorsitzende Claus Peters: „Wenn keiner darauf anspringt, müssen wir den Beschluss aufheben.“ In diesem Fall könne man sich zum Beispiel Gedanken machen um einen Miteigentümer.
FDP-Chef würde auf Bau von Sozialwohnungen verzichten
Ein gangbarer Weg, um das Grundstück schmackhaft zu machen, ist für FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch, den Erbbauzins auf ein sehr niedriges Niveau zu fixieren. Das ist nicht sein einziger Vorschlag: „Sozialwohnungen müssen an dieser Stelle im Zentrum aus meiner Sicht nicht unbedingt gebaut werden. Das würde Investoren wieder ein bisschen mehr Spielraum geben.“ Derzeit gilt folgende Regel: Wohnungsunternehmen müssen bei Neubauten 30 Prozent der Wohnungen als öffentlich geförderte vermieten. Und wenn derartige Zugeständnisse auf taube Ohren stoßen? „Dann sollte man tatsächlich neu nachdenken“, so Kopsch. Er möchte, dass endlich Bewegung in die Sache kommt.
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Den sogenannten Rahmenplan für die Ortsmitte hatte die Politik im August 2020 beschlossen. Damit wurden die Leitlinien für die städtebauliche Entwicklung festgelegt. Das Konzept beinhaltet auch eine zentrale Busumsteigestation, die drei Haltepunkte in unterschiedliche Fahrtrichtungen ersetzt. Daran orientierte sich das Architekturbüro „SKAI“, präsentierte 2021 den Entwurf eines neuen Zentrums mit Giebeldachhäusern. Rund drei Hektar wurden überplant. Nur Rathaus, Bürgerhaus und ein Gebäude im Norden bleiben demnach erhalten. Durch Abrisse kommt „SKAI“ sogar auf mehr als 400 neue Wohnungen. Nicht nur der Bürgermeister lobte die Visualisierung in höchsten Tönen. Die Hoffnung auf Umsetzung zerschlug sich schnell.
Glunz Immobilien ist ein Neubau schlichtweg zu teuer. Dem Unternehmen gehört ein zwei- bis dreigeschossiger Komplex mit 25 Wohnungen und Gewerbeflächen, der an den Marktplatz grenzt und 2500 Quadratmeter umfasst. Derzeit wird das Gebäude energetisch saniert. Danach sinkt der Verbrauch von 298 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr auf 14, berichtet die Geschäftsführung. Die 1000-Quadratmeter-Dachfläche wird mit 200 Solarmodulen sowie vier Wärmepumpen bestückt, Außenwände erhalten eine 18-Zentimeter-Dämmschicht. Das Projekt kostet zwischen 2,5 und drei Millionen Euro.