Großhansdorf. Immer weniger Menschen sind bereit, Ehrenamt zu übernehmen. Ein Verein aus Großhansdorf geht jetzt neue Wege. Ein Vorbild für andere?
Immer weniger Menschen sind bereit, ein Ehrenamt zu übernehmen. Besonders hart trifft die Entwicklung Sportvereine. Einer Studie des Think Tanks Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) von 2023 zufolge ist die Zahl der Engagierten in kaum einem anderen Bereich so häufig rückläufig wie im organisierten Sport.
Viele Vereine haben deshalb Probleme, Führungspositionen zu besetzen. Der SV Großhansdorf (SVG) geht jetzt neue Wege: Ämter wie die des Vereinsvorsitzenden oder des Kassenwartes werden abgeschafft. Stattdessen soll künftig ein fünfköpfiger Teamvorstand den Verein gemeinsam führen.
Fehlende Bewerber für Ehrenamt: SV Großhansdorf schafft Posten des Vorsitzenden ab
„Im Vorstandsteam kann sich jeder entsprechend seiner Kompetenzen und Interessen einbringen“, sagt Petra Malchin, derzeit noch 1. Vorsitzende. Die Verantwortung für den Verein laste nicht mehr auf den Schultern einer Person allein. „Darin liegt eine große Chance für den SVG.“
Die Idee einer Reform der Vereinsspitze entstand aus der Not heraus. Im Herbst hatte Malchin, die den SVG seit April 2014 führt, angekündigt, nicht erneut für den Posten der Vorsitzenden zu kandidieren. Sie wolle ihren Lebensmittelpunkt in absehbarer Zukunft an die Ostsee verlegen. Zudem bleibe ihr neben den immer umfangreicheren Aufgaben der Vereinsarbeit kaum noch Zeit und Energie für andere Dinge.
Schon seit geraumer Zeit waren zahlreiche Posten in der Vereinsführung unbesetzt
Die Arbeitslast war auch deshalb so hoch, weil schon seit geraumer Zeit zahlreiche Posten in der Vereinsführung mangels Kandidaten unbesetzt sind. Der laut Satzung eigentlich vierköpfige geschäftsführende Vorstand bestand zuletzt lediglich noch aus Malchin und Schatzmeister Lutz Harnisch-Schwerdt, dessen Amtszeit noch bis Frühjahr 2025 dauert. Zwei ist die Mindestzahl der Vorstandspositionen, die besetzt sein muss, damit der Verein handlungsfähig bleibt.
Malchins Rückzugsankündigung drohte deshalb, den SVG in eine Krise zu stürzen. Denn ein Nachfolger fand sich nicht. „Ich habe frühzeitig mit zahlreichen Personen im Verein das Gespräch gesucht, aber leider konnte sich niemand vorstellen, das Amt des 1. Vorsitzenden zu übernehmen“, sagt sie.
Alternativszenarien wären ein hauptamtlicher Geschäftsführer oder ein Notvorstand
Die Alternativszenarien waren wenig reizvoll: Entweder hätte der Verein einen hauptamtlichen Geschäftsführer einstellen müssen. „Das hätte die Schaffung einer Vollzeitstelle bedeutet und viel Geld gebunden, das wir lieber an anderer Stelle einsetzen“, sagt Malchin.
Oder aber das zuständige Amtsgericht Ahrensburg hätte einen Notvorstand bestellt. Dies kann auch eine externe Person sein, die nicht dem Verein angehört. Dabei handelt es sich aber um eine zeitlich befristete Regelung, die zudem ebenfalls auf die Bereitschaft der vom Gericht bestellten Person zur Übernahme des Amtes angewiesen ist.
Der SV Großhansdorf zog den Landessportverband zur Unterstützung hinzu
Um einen Ausweg zu finden, zog der SVG schließlich Ende vergangenen Jahres den Landessportverband (LSV) Schleswig-Holstein hinzu. Dieser stellte den Großhansdorfern Christoph Blöh zur Seite. Der freiberufliche Berater unterstützt im Auftrag des LSV landesweit Sportvereine in Transformationsprozessen. Für diese ist die Beratung kostenfrei, die Kosten übernimmt der Bund.
In mehreren Zukunftsworkshops mit der Vereinsführung des SVG und den Abteilungsleitern entstand schließlich die Idee eines Teamvorstandes. „Wir haben in dem Prozess verschiedene Modelle diskutiert und der SV Großhansdorf ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses die charmanteste Lösung für den Verein ist“, sagt Blöh.
Im Teamvorstand führen fünf Personen den Verein gleichberechtigt
Der Experte hat bei anderen Sportvereinen gute Erfahrungen mit dem Konzept gemacht. „Es spiegelt die agile Welt wider, in der wir leben, in der sich viele Menschen nicht auf bestimmte Aufgaben festlegen möchten“, sagt Blöh. Dem Teamvorstand werden künftig fünf Personen angehören, die den Verein gleichberechtigt führen. Die anfallenden Aufgaben können sie untereinander durch Absprache flexibel aufteilen.
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Entscheidungen trifft der Teamvorstand nach dem Mehrheitsprinzip. Je zwei Mitglieder gemeinsam sind berechtigt, den Verein rechtlich zu vertreten. Außerdem wählt das Quintett einen Sprecher, der die Entscheidungen des Vorstandes nach außen kommuniziert. Die entsprechende Änderung der Vereinssatzung haben die Mitglieder auf ihrer jüngsten Versammlung mit großer Mehrheit abgesegnet.
Experte Christoph Blöh sieht den SV Großhansdorf als Vorbild für andere Vereine
Bewerber für das künftige Vorstandsteam haben sich bereits gefunden: Neben dem derzeitigen Schatzmeister Lutz Harnisch-Schwerdt wollen sich auch Kassenprüfer Jan-Matthias Westermann, Kegler Reinhold Fröhlich und Leichtathlet Folke Kuhlwein zur Wahl stellen, für die eine außerordentliche Mitgliederversammlung in den kommenden Wochen geplant. Außerdem wird Malchin dem Teamvorstand angehören. Sie habe sich dazu bereiterklärt, um in der Übergangszeit ihre Erfahrung weitergeben zu können, sagt sie.
Laut Experte Christoph Blöh ist der SVG mit dem neuen Vorstandsmodell einer der Vorreiter unter den Sportvereinen in Stormarn. „Viele Vereine stellen sich mangels Zeit und Ressourcen dem Zukunftsprozess nicht“, sagt er. Dabei sei dieser Schritt sehr wichtig. „Sportvereine stehen überall vor der Frage, wie sie Menschen für die Ehrenämter gewinnen und was diese Ämter eigentlich ausmacht. Das ist zurzeit eines der großen Themen in der Sportlandschaft in Deutschland.“
Sportvereinen fällt es schwerer als anderen Organisationen, Freiwillige zu werben
Zwar seien alle gesellschaftlichen Organisationen von der zurückgehenden Bereitschaft betroffen, sich ehrenamtlich einzubringen. „Sportvereinen fällt es aber schwerer, gezielt Interessenten für die Aufgaben im Verein zu gewinnen“, sagt Blöh. Das Aufgabenprofil sei für potenzielle Bewerber schwieriger abzuschätzen. „Die DLRG wirbt damit, Held und Retter zu sein. Auch bei Fridays for Future engagieren sich die Menschen, weil sie eine konkrete Vorstellung davon haben, was sie bewirken können.“
Ein Teammodell mit flexibler Aufgabeneinteilung nehme Interessierten die Hemmung, die zwar ein Amt im Verein übernehmen möchten, aber unsicher seien, ob sie den Anforderungen gewachsen sind. „Jemand, der Expertise in Finanzfragen mitbringt, kann sich darauf fokussieren, jemand anderes ist vielleicht gut im Umgang mit Social Media“, sagt Blöh.
Der SV Großhansdorf hat die entscheidenden Weichen jetzt gestellt. Wie das neue Konzept in der Praxis funktioniert, werden kommenden Monate zeigen müssen.