Glinde. Im TSV Glinde ist ein Streit zwischen einem der bekanntesten Sportfunktionäre der Region und seinem Nachfolger entbrannt. Mit Folgen.
Am Sonntag war fix was los auf der Anlage des TSV Glinde. Die neue mobile Soccer-Arena wurde unter den Augen führender Köpfe des rund 2700 Mitglieder zählenden Sportvereins eingeweiht. Geschäftsführer Carsten Henning war ebenso dabei wie Schatzmeister Martin Röwekamp. Einer, der sich bei solchen Anlässen stets zeigte, fehlte: Joachim Lehmann. Und zwar nicht, weil er andere Termine hatte. Der 67-Jährige übt das Amt des Vorstandschefs nicht mehr aus. Er hat hingeschmissen. Es ist ein Paukenschlag.
Die Gründe sind Differenzen mit Henning und fehlende Rückendeckung von Vorstandskollegen in der Auseinandersetzung. „Die Geschäftsführung soll dem Vorstand zuarbeiten. Die Kommunikation flachte jedoch mehr und mehr ab, war zum Schluss auf dem Nullpunkt. Ich musste immer wieder nachfragen, Zusammenarbeit stelle ich mir anders vor“, sagt Lehmann. Das Tischtuch zwischen ihm und dem Hauptamtlichen sei zerschnitten gewesen. Lehmann ärgern mehrere Dinge: „So hat Herr Henning vergessen, einen Antrag für das Spendenparlament zu stellen.“ Dabei geht es um Zuschüsse für Kinder aus sozial schwachen Familien, damit diese an den Ferienreisen des TSV teilnehmen können. Er selbst habe das Dokument dann verschickt und der Verein schließlich 2500 Euro erhalten.
Der Sportverein hat noch keinen Jahresabschluss für 2023
Ein weiteres Beispiel ist der Pumpenausfall im Lehrschwimmbecken auf dem Areal der Grundschule Tannenweg. „Es wäre die Aufgabe des Geschäftsführers gewesen, mich darüber zu informieren. In Kenntnis gesetzt wurde ich jedoch von Maik Reiser, dem Leiter der Volkshochschule.“ Lehmann habe dann von Mallorca aus umdisponiert, zwei TSV-Kurse nach Ostern für zwei Wochen in die Barsbütteler Schwimmhalle verlegt. „Ich bin in Gesprächen mit Herrn Henning sehr deutlich geworden, weil ich unzufrieden war.“
Er moniert zudem, dass der Verein am 1. Mai noch keinen Jahresabschluss für 2023 hatte. „Und der Haushalt für 2024 ist ebenfalls nicht beschlossen. Man kann also keine Aufträge vergeben.“ Investitionen in Höhe von 10.000 bis 15.000 Euro seien nötig im alten Sportlerheim für die beschädigte Dachrinne und die Beseitigung von Schimmel in den Umkleidekabinen. Dazu muss man wissen: Bislang wurde der Jahresabschluss in Eigenregie erstellt, jetzt ist ein Steuerberaterbüro dafür engagiert.
Vorstandsmitglieder schweigen zu Gründen des Rücktritts
„Ich habe mehrmals den Finger in die Wunde gelegt und auf Verzögerungen hingewiesen“, sagt der Ex-Chef. Die Vorstandsmitglieder, aktuell sind es fünf, verspüren offenbar keinen Zeitdruck. Mehr noch: Sie haben sich auf die Seite des Geschäftsführers gestellt. Am 24. April wurde Lehmann zu einem Sechs-Augen-Gespräch mit seiner Stellvertreterin Petra Kolanczyk-Mellenthin und Beisitzer Gerd Mucha gebeten. „Mir wurde eine Vielzahl von Verfehlungen im Umgang mit Herrn Henning vorgeworfen. Und man hat mich aufgefordert, mir Gedanken über einen Rücktritt spätestens zur nächsten Mitgliederversammlung zu machen, bevor es zur Abwahl meiner Person kommen könnte.“ Nach diesem Treff war für Lehmann klar, dass er die Segel streicht.
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Natürlich hat diese Redaktion auch die andere Seite kontaktiert, um deren Sichtweise zu schildern. Schatzmeister Röwekamp sagte am Sonnabend am Telefon, er stehe gerade auf dem Tennisplatz. Sonntag sei er nicht zu sprechen und Montag unterwegs. Kolanczyk-Mellenthin wollte ebenso keine Stellung beziehen und verwies auf die offizielle TSV-Pressemitteilung. Jene umfasst drei Sätze ohne Angabe von Gründen des Rücktritts. Unter anderem heißt es darin: „Der Verein dankt ihm für sein Engagement und seine geleistete Arbeit während seiner Amtszeit als Geschäftsführer und 1. Vorsitzender.“ Henning sagte auf Nachfrage, man müsse jetzt Ruhe in den Verein tragen.
Fußball-Abteilungsleiter lobt Lehmanns Verdienste
Der 41 Jahre alte Diplom-Sportmanager ist seit vergangenem August bei Stormarns viertgrößtem Sportverein angestellt und hatte bei der Bewerbung in Lehmann einen großen Befürworter. Der wiederum war von 2009 bis Ende 2023 Geschäftsführer, machte diesen Job vier Monate länger als geplant, um seinen Nachfolger einzuarbeiten. Erster Vorsitzender wurde der Großenseer 2014. Er war bis 2026 gewählt. Lehmann hat den TSV mit enormem Einsatz in ruhigeres Fahrwasser gebracht. Der Verein übernahm sich vor mehr als 20 Jahren mit einem Hotel samt Tanzsporthalle, stand kurz vor der Pleite. Inzwischen sind die Schulden auf rund 800.000 Euro reduziert.
„Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis, Joachim Lehmann hat große Verdienste um den TSV“, sagt Fußball-Abteilungsleiter Frank Gabbert. Der Abgang tue ihm persönlich leid. „Wir haben viele Projekte zusammen gemacht.“ Der 63-Jährige meint damit zum Beispiel Aktionen, die den Bau des Kunstrasenplatzes 2015 ermöglichten. Der klamme Verein bestach durch Kreativität, sammelte mehr als 50.000 Euro an Spenden für Rasenpatenschaften. Hierfür wurde das Spielfeld gedanklich in 1020 Parzellen aufgeteilt. Geld warb man zudem beim Spendenlauf mit „Tagesschau“-Sprecher Thorsten Schröder und durch das Sticker-Album mit Porträts aller Mitglieder der Fußball-Abteilung nach Panini-Art ein. Gabbert sagt aber auch: „Wir Abteilungsleiter stehen hinter dem Kurs, den der Geschäftsführer fährt.“
Lehmann engagiert sich weiterhin als Ehrenamtler, bleibt stellvertretender Vorsitzender des Kreissportverbands Stormarn und ist Präsident des Landesverbands Special Olympics. In Glinde schlägt der Senior fortan zweimal pro Woche auf, allerdings nicht für den TSV. Immer dienstags von 17 bis 18.30 Uhr gibt er als Honorarkraft Sportunterricht für Kinder mit Übergewicht in der Halle am Tannenweg. Freitags von 11 bis 13 Uhr bringt er im dortigen Hallenbad Kindern das Schwimmen bei. Sport ist für diesen Mann Lebenselixier.