Glinde/Trittau. Wie der Lieferservice Morgengold um Neukunden wirbt. Warum dieses Haustürgeschäft erfolgreich und sogar nachhaltig ist.
Ab 3 Uhr am Morgen, wenn sich die meisten Bürger in Glinde noch im Tiefschlaf befinden, herrscht in einem Gebäude im Gewerbegebiet schon Hochbetrieb. 20 Männer und Frauen stehen an langen Tischreihen und befüllen knisternde Tüten mit frischen Brötchen, Broten und Kuchen. Eine Stunde später schwärmen sie dann aus und liefern die Bestellungen frei Haus. Doch gibt es für solch einen Lieferservice überhaupt genügend Interessenten angesichts der Tatsache, dass so gut wie jeder Supermarkt in seiner Vorkassenzone zumeist auch einen Bäcker-Shop hat?
Mehr als 1300 Haushalte werden beliefert
„Aber, ja“, sagt Nils Weisphal, der mit seiner Firma Hanse Lieferdienste vor drei Jahren den Bringeservice als Franchise-Nehmer des süddeutschen Unternehmens Morgengold in der Region Hamburg-Ost übernommen hat und seitdem organisiert. Das Geschäftsgebiet reicht inzwischen von Geesthacht und Hamburg-Bergedorf im Süden bis Großensee im Norden und von Schwarzenbek im Osten bis Barsbüttel und Oststeinbek im Westen.
„Wir versorgen aktuell mehr als 1300 Haushalte mindestens einmal in der Woche, viele aber sogar mehrfach“, berichtet der 49-Jährige. Bei ein bis zwei Prozent aller Haushalte im Lieferbereich rechne sich das Konzept bereits. Viele treue Stammkunden würden schon über mehrere Jahre hinweg verlässlich bestellen, die Fluktuation sei überschaubar. „Im Schnitt bleiben unsere Kunden mindestens drei Jahre“, so Weisphal.
Keine Belieferung in Mehrfamilienhäuser
Dabei kann nicht jeder den Service in Anspruch nehmen. „Wir liefern nur in Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser“, erklärt Weisphal. Anderenfalls würde das Konzept nicht aufgehen. „Da es keine direkte Übergabe an den Kunden gibt, sondern die Ware nur an die Haustür gebracht wird, muss natürlich eindeutig sein, wer der Empfänger ist. In einem Geschosswohnungsbau mit vielen Haushalten würde das Ganze nicht funktionieren“, so Weisphal.
Damit die Ware frisch und knackig bleibt, müssen die Kunden eine Box oder eine stabile Tasche bereitstellen. Neukunden bekommen mit der ersten Lieferung eine Isotasche mit Reißverschluss gegen die Luftfeuchtigkeit, die Backware bekanntermaßen rasch pappig werden lässt.
Alle drei Jahre Neukunden-Akquise mit Flyern
Jüngst haben Weisphal und seine Kollegen mit einer Türhänger-Aktion in Trittau um neue Kunden geworben. Ein lohnendes Unterfangen? In drei der sechs Supermärkte sind Bäcker aus der Region mit eigenen Shops vertreten, außerdem gibt es vier weitere Bäckerei-Filialen in der Gemeinde mit 9000 Einwohnern.
„Trotzdem beliefern wir in Trittau mehr als 100 Haushalte und haben dort eine besonders treue Kundschaft“, kontert Weisphal. Der Ort sei mit seinen vielen Einzel- und Reihenhaus-Quartieren wie geschaffen für das Geschäftsmodell. Außerdem gebe es turnusgemäß ohnehin alle drei Jahre eine Neukunden-Akquise mit Flyern.
Bis 6.30 Uhr sind alle Bestellungen beim Kunden
Doch warum entscheiden sich Kunden überhaupt für eine Freihauslieferung von Backwaren? Ist es reine Bequemlichkeit oder in Zeiten des Online-Versandhandels längst normal? „Ich glaube, dass der Erfolg gleich mehrere Gründe hat“, sagt der Vertriebsprofi.
Es gehe schon damit los, dass alle Lieferungen bis spätestens 6.30 Uhr abgeschlossen seien. Unabhängig davon, wie weit der Bestimmungsort von Glinde entfernt liege. „Die Leute schätzen es einfach, wenn Brot und Brötchen zum Frühstück auf dem Tisch sind, oder dann auch mit zur Arbeit oder zur Schule genommen werden können“, so Weisphal.
Anerkannte Bäckereien sichern hohe Qualität
Einen wesentlichen Faktor stelle natürlich die Qualität dar. „Wir erhalten unsere backfrische Ware täglich von der Bäckerei Meyns in Glinde und der Demeter Bäckerei Bahde im niedersächsischen Seevetal, also anerkannten Handwerksbetrieben aus der Region“, erläutert Weisphal. Da sei nichts vorgefertigt oder nachträglich aufgebacken wie bei großen Filialbäckereien, alles komme direkt und original aus dem Backofen.
Ein überzeugendes Argument sieht Weisphal zudem in der breiten Palette von rund 100 Produkten, die den Morgengold-Kunden offeriert werden könne. So stehen 43 verschiedene Brötchen, davon acht in Bio-Qualität, 35 Brot- und 25 Kuchensorten zur Auswahl, von der Laugenstange über Croissants und Franzbrötchen bis zu Berlinern, Donuts, Butter- und Spritzkuchen.
Auf jedem Brötchen steht schon ein Name
Trotz Anlieferung sind die Preise in der Regel konkurrenzfähig. Zwar wird pro Tour zusätzlich eine Lieferpauschale von zwei Euro fällig. Brötchen kosten indes zwischen 68 Cent für die einfache Schrippe und 1,05 Euro für Biobrötchen, Brote zwischen 3,30 und 5,20 Euro, wenn sie einen hohen Roggenanteil haben.
Nicht zu unterschätzen ist aus Sicht des Managers auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. „Wir ordern nur, was auch bestellt wurde. Bei uns steht praktisch auf jedem Brötchen der Name des Empfängers. Bei uns wird, anders als in vielen Bäckereifilialen, am Ende des Tages nichts weggeworfen, weil es nicht verkauft werden konnte“, so Weisphal.
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Der Geschäftsmann aus Glinde, der auch in den USA lebte, anfangs oft in Bäckereien jobbte und später als Logistikfachmann für große Lebensmittelkonzerne tätig war, hat den Lieferservice längst zu einem Familien-Unternehmen gemacht. Tochter Lena übernimmt oft den Telefondienst, die Söhne Erik und Simon finanzieren als Auslieferer ihre Studien.
Bei Nils Weisphal laufen derweil alle Drähte zusammen. Und zwar schon früh ab 3 Uhr, wenn der Tag mit der Kontrolle der angelieferten Ware aus den beiden Partnerbäckereien beginnt. „Und natürlich bin ich auch der erste Aushilfsfahrer, wenn mal ein Kollege ausfällt“, sagt der Unternehmer. Für den die Operation Morgengold immer wieder aufs Neue eine reizvolle Herausforderung ist, der er sich mit anhaltender Leidenschaft täglich stellt.