Glinde. CDU schlägt Reduzierung der Plätze von 80 auf 50 vor. Nachbarn wollen allerdings jegliche Wohnbebauung verhindern und klagen.

Es war der Versuch, zu einem Einvernehmen zu kommen. Eine Belegung mit maximal 50 Personen schlägt die CDU vor für das geplante Flüchtlingsheim im Glinder Gewerbegebiet an der Straße Am Alten Lokschuppen. Sie will damit die von der Stadtverwaltung genannte Grenze nach unten korrigieren. Die liegt bei 80. Anwohner lehnen das Ansinnen der Christdemokraten ab und sind weiterhin entschlossen, vor Gericht zu ziehen. „Wir holen uns rechtlichen Beistand und klagen, wenn der ein Verfahren für Erfolg versprechend hält“, sagt Nicole Friedrich. Sie hatte sich für eine Petition engagiert, die 736 Frauen und Männer unterschrieben. Davon kamen 574 aus Glinde. Ihr Ziel: keine Wohnbebauung auf dem Areal.

„Auch teure Eigentumswohnungen würden die Sache nicht besser machen“, so Friedrich. Die Protestlerin will damit verdeutlichen, dass sie und ihre Mitstreiter nicht fremdenfeindlich sind. Die Bürger fürchten einen Wertverlust ihrer Immobilien sowie mehr Lärm, haben aber auch Sorge um die Sicherheit ihrer Kinder. Ihren Unmut äußerten sie erstmals öffentlich auf dem Neujahrsempfang der Stadt Mitte Januar. Die Unterschriften wurden auf einer von der Kommune bereitgestellten Onlineplattform gesammelt, Initiator Jan Müller übergab diese im Beisein von rund 50 Unterstützern an Bürgermeister Rainhard Zug Ende März.

Glinde ist bei Zuweisungen mit 27 Personen im Minus

Kurz darauf musste sich das Parlament mit der Petition beschäftigen, weil das Quorum bei 420 Unterschriften liegt. Auf der Sitzung gab die CDU eine Empfehlung ab. Neben der 50-Personen-Grenze will sie maximal ein zweigeschossiges Gebäude sowie eine optische Abgrenzung zwischen Flüchtlingsunterkunft und vorhandenem Wohngebiet in Form eines Walls, der zu bepflanzen ist. Die Stadt macht von einer Sondernutzungsregel für das Gewerbegebiet Gebrauch, kann dort für Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen Häuser mit drei Ebenen erstellen.

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Derzeit beherbergt Glinde rund 400 Flüchtlinge, ist um eine dezentrale Unterbringung bemüht. Mehrmals rief die Stadt Immobilieneigentümer auf, Wohnungen an sie zu vermieten. Es reicht aber nicht. Die Kommune hat aktuell 27 Menschen weniger untergebracht, als ihr zugewiesen sind. Bis Ende dieses Jahres rechnet Bernd Mahns, Leiter des Amts für Bürgerservice und zuständig für die Verteilung, mit 100 Neuankömmlingen. Spätestens Mitte Mai sollen drei Tiny Houses mit Platz für 18 Menschen an der Straße Am Berge bezogen werden. „Sie sind für vier- bis sechsköpfige Familien. Es gibt Wochen, in denen wir ausschließlich Einzelpersonen bekommen. Deshalb brauchen wir weitere Unterkünfte wie zum Beispiel Am Alten Lokschuppen“, sagt Mahns.

Das Grundstück im Gewerbegebiet ist für zehn Jahre gepachtet

Die Minimalbelegung dort hatte das Rathaus mit 50 angegeben. Eine Spanne wurde auch der Politik genannt, als hinter verschlossenen Türen der Pachtvertrag über zehn Jahre für das rund 1500 Quadratmeter große Grundstück abgesegnet wurde. Er gilt seit Januar. Glinde zahlt pro Monat 4300 Euro an den Eigner, der die Fläche nicht verkaufen wollte. Nach derzeitiger Rechtslage darf die Stadt an dem Standort sechs Jahre ein Flüchtlingsheim betreiben.

Das Budget für den Bau liegt bei 1,65 Millionen Euro. Der Haushalt für dieses Jahr ist inzwischen vom Kreis genehmigt. Damit kann das Projekt angegangen werden. Mahns spricht von der Idee, ein Gebäude mit mehreren Eingängen zu platzieren. Selbst bei 50 Personen sei ein Haus mit nur einer Ebene nicht möglich. Wie viele Menschen letztendlich im Gewerbegebiet eine Bleibe finden, entscheidet der Bürgermeister. Die Politik hat nur eine beratende Funktion. Zug: „Wir lassen von einem Architekten mehrere Entwürfe anfertigen, im Juli kann ich dann mehr sagen.“ Über die Absicht der Anwohner äußert sich der Verwaltungschef so: „Man sollte sich überlegen, ob man ein Klageverfahren anstrebt. Wir brauchen Zusammenhalt in der Gesellschaft.“

Emotionen kochten auch bei Übergabe der Unterschriften hoch

Wenn die Detailplanung vorliegt, sollen die Anwohner wieder zu einem Bürgerdialog geladen werden. Einen solchen veranstaltete das Rathaus bereits Ende Januar. Bisweilen ging es ruppig zu. Nicht nur einmal wurde der Bürgermeister verbal angegangen, drohte zwischendurch mit Abbruch. Auch bei der Übergabe der Unterschriften, die mit einer sachlichen Diskussion begann, kochten die Emotionen hoch, als es um den befürchteten Wertverlust der Häuser ging.

Bei der baulichen Gestaltung der Unterkunft sollen die Bürger eng eingebunden werden. Zwar bewerten Protestler und Politik die zahlreichen Gespräche als positiv, auf eine gemeinsame Linie wird man aber nicht kommen. Dass eine Reduzierung der Maximalauslastung von 80 auf 50 Menschen keine 180-Grad-Drehung bei den Nachbarn bewirkt, dürfte die CDU nicht verwundern auch mit Blick auf den Begründungstext der Petition. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Lauterbach kritisiert die Empfehlung der Christdemokraten: „Man kann den Leuten nicht Dinge versprechen, die man nicht einhalten kann. Vor allem, wenn keine alternativen Lösungen angeboten werden.“ Es sei Sache des Bürgermeisters, der müsse jetzt allein entscheiden.

Der CDU-Ortsvorsitzende Claus Peters rechtfertigt das Vorgehen seiner Partei. 80 Menschen auf kleinem Raum seien nicht vertretbar. „Und wir drängen auf eine Belegung mit Familien.“ FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch sagt: „Letztlich werden wir eine Klage nicht verhindern können. Die Erfolgsaussichten der Anwohner, einen Prozess zu gewinnen, schätze ich als nicht sehr hoch ein.“