Bagteheide. Handel boomt: Warum sich viele ein Zweitrad anschaffen, E-Bikes dominieren und was bei Jugendlichen derzeit besonders angesagt ist.

Die steigenden Temperaturen sind der Startschuss für die neue Fahrradsaison. Hat der alte Drahtesel ausgedient, ist es höchste Zeit, sich nach einem neuen Modell umzusehen. Bei Radsport Runge in Bargteheide brummt das Geschäft. Vergessen sind die Zeiten, als Räder aufgrund von Lieferengpässen Mangelware waren: Rund 250 Fahrräder hat das Fachgeschäft vorrätig. Die Auswahl ist groß: Vom Kinderrad über Touren- und Treckingräder, Mountainbikes, Rennräder bis zum Pedelec und E-Bike ist alles dabei.

Juniorchef Nico Runge (33) sagt: „Der Trend geht zum E-Bike, und das in allen Richtungen.“ E-Bike wird oft als Universalbegriff für ein Fahrrad mit elektrischer Unterstützung verwendet, beschleunigt im Gegensatz zum Pedelec aber auf Knopfdruck, wird bis zu 45 km/h schnell und muss im Regelfall auf der Straße fahren. Bei Pedelecs kommt der Motor nur beim Treten in die Pedalen zum Einsatz, sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h und können auf Radwegen gefahren werden.

Start der Fahrradsaison: Diese Modelle liegen 2024 im Trend

„2023 war das erste Jahr in Deutschland, in dem mehr E-Bikes verkauft worden sind als normale Räder“, berichtet Runge. Letztere werden neuerdings auch als Bio-Bikes bezeichnet, weil sie rein mit Muskelkraft angetrieben werden. Nach Einschätzung des Geschäftsführers gehen die Verkaufszahlen auch deswegen in die Höhe, weil „deutlich mehr Menschen Fahrrad fahren“.

Als Beispiel nennt er Ältere, die das Radfahren eigentlich schon aufgegeben hätten, aber mit Pedelec sogar wieder Touren unternehmen. Oder Berufstätige, denen zehn Kilometer jeden Morgen mit dem Rad zur Arbeit zu anstrengend waren, die Strecke dank Pedelec jetzt mühelos bewältigen und dafür einmal mehr aufs Auto verzichten. Peter Kaleta, der im Verkauf des Ahrensburger E-Bike-Spezialisten e-motion tätig ist, hat die Erfahrung gemacht, dass Familien oft zu einem E-Bike greifen, um das zweite Auto zu ersetzen. Nico Runge nennt einen weiteren Grund für die gestiegene Nachfrage: „Das Fahrradleasing hat den Markt extrem nach oben gehoben.“

Im Trend: Kauf von zwei Rädern für unterschiedliche Zwecke

Bei seiner Kundschaft zeichne sich eine zunehmende Tendenz zum Zweitrad ab. Viele schaffen sich ein E-Bike für den Alltag und ein Bio-Bike für den sportlichen Aspekt an. Nico Runge besitzt selbst ein E-Mountainbike und ein Rennrad, mit dem er sich so richtig auspowern kann. Es gibt sogar E-Rennräder, was verwundert, weil es dabei auf ein möglichst geringes Gewicht ankommt. Laut dem Juniorchef sind E-Rennräder noch immer leicht, „weil ihr Akku nicht so fett ist“.

Was ist der Sinn dieser Kombination? „Mit einem Rennrad fahre ich üblicherweise schneller als 25 km/h und kann so auch dann noch Schnitt halten, wenn ich einen Berg hochfahre“, erläutert der Juniorchef. Die meisten Rennradfans lehnten E-Bikes ab. „Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie es nicht mögen, wenn sie von Rentnern auf einem E-Bike überholt werden“, sagt Runge schmunzelnd.

Gravelbikes verdrängen klassische Cross- oder Trekkingräder vom Markt

„Aktuell gibt es bei Gravelbikes einen riesigen Boom“, sagt Runge. Sie verfügen über eine aufrechtere Sitzgeometrie und eine breitere Bereifung als der sportliche Purist. Runge beschreibt sie als alltagstaugliche Allrounder. Kunden entschieden sich immer öfter für ein solches Rad. „Seitdem wir sie im Sortiment anbieten, verkaufen wir kaum noch klassische Cross- oder Trekkingräder.“

Und was kostet der Spaß? „Beim Gravelbike geht es preislich ab 999 Euro los. Das Gros liegt bei 1500 bis 2000 Euro.“ Bei Rennrädern gebe es keine Grenze nach oben. Ab 1500 Euro zahlen Kunden für ein Basismodell. Laut Runge ist es gar nicht so selten, dass Rennradfans bereit sind, für ein hochwertiges Rad zwischen 8000 und 10.000 Euro auszugeben. Eine Steigerung ist möglich, kommt aber nur in Ausnahmefällen vor. „Modelle ab 15.000 Euro verkaufen wir vielleicht zweimal pro Jahr.“

Vor einer Kaufentscheidung können Kunden das Rad auf der Strecke testen

Die Modelle, die Runge am häufigsten verkauft, sind klassische Damen- oder Herren-Pedelecs. „Kompakträder mit 22 Zoll und Gravelbikes werden sehr viel nachgefragt.“ Er gehe davon aus, dass E-Bikes auch dieses Jahr alle anderen bei den Absatzzahlen hinter sich lassen. Bei Liegerädern gehe der Trend hingegen ganz stark zurück. „Wir haben gar keine am Lager.“ Bei e-motion gibt es sie noch: als E-Bike. Kaleta berichtet, dass sogenannte SUV-Bikes mit breiten Reifen, die viel Fahrkomfort und Fahrsicherheit bieten, verstärkt nachgefragt werden.

Michael May (v.) und sein Kollege Timo Naber haben in der Fahrradwerkstatt alle Hände voll zu tun. Die beiden gehören zum fünfköpfigen Mechaniker-Team von Radsport Runge.
Michael May (v.) und sein Kollege Timo Naber haben in der Fahrradwerkstatt alle Hände voll zu tun. Die beiden gehören zum fünfköpfigen Mechaniker-Team von Radsport Runge. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Laut Runge hätten seine Kunden oft eine genaue Vorstellung, welches Rad sie haben wollten, seien aber noch unentschieden, ob in der motorisierten Variante oder nicht. Die Preisunterschiede zwischen beiden Ausführungen sind nicht mehr so groß. Ein gut ausgestattetes Herrenfahrrad schlägt mit 1500 bis 2500 Euro zu Buche, bei Pedelecs beträgt die Preisspanne 2500 bis 5000 Euro. Bei Radsport Runge gibt es einen besonderen Service. Kunden können für ein, zwei Tage testen, ob das Rad ihrer Wahl auch wirklich das geeignete für ihre Zwecke ist. „Es ist einfach zu viel Geld dafür, dass man das Rad am Ende nicht nutzt.“

Auf so ein hochwertiges Gefährt haben es natürlich auch Diebe abgesehen. In der Meisterwerkstatt von e-motion werden deshalb auf Wunsch in die Räder GPS-Empfänger eingebaut – sofern das technisch möglich ist –, damit sie im Fall eines Diebstahls schnell geortet werden können.

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Selbst Kinder- und Jugendräder sind teurer geworden. Laut Runge kostet ein Rad für ein Kind im Alter von drei, vier Jahren 200 bis 500 Euro, für Jugendfahrräder werden 700 bis 1000 Euro fällig. Mountainbikes sind der Hit bei den Jugendlichen. „Es wird deutlich sportlicher, die klassischen Holland- oder Retrofahrräder sind extrem selten geworden. Das liegt viel an den Influencern, die mehr Fitness, Bewegung und Sport propagieren“, vermutet der 33-Jährige. Woher er das weiß? Selbstredend hat Radsport Runge einen Instagram-Account.

Reinbeker Fahrradhändlerin konzentriert sich auf Reparaturen statt Verkauf

Und wenn das Rad mal kaputt ist? Viele Fahrradgeschäfte nehmen nur Räder zur Reparatur an, die aus ihrem eigenen Verkauf stammen. Nicht so Radsport Runge: In der Werkstatt bringen fünf Mechaniker nahezu jedes Rad wieder auf Vordermann. Der Andrang ist derzeit so groß, dass dafür Termine vereinbart werden müssen.

Für Sabine Löscher, Inhaberin des Fahrradgeschäfts Hanold an der Schönnigstedter Straße in Reinbek, ist das der Kernbereich. Sie führt zu 90 Prozent nur noch Reparaturen aus. Die Anfragen für neue Räder seien zurückgegangen. „Die Fahrräder sind teurer geworden und die Leute sehen auf die Preise.“ Löscher findet das verständlich, „aber sie wissen nicht, was bei einem Fachgeschäft alles dahintersteht“. Die Folge: Kauf im Internet oder gebraucht. Löscher: „Ich repariere alles außer E-Bikes und Räder, die noch Garantie haben oder in der Gewährleistung sind.“