Bargteheide. Wie die Wählergemeinschaft in Bargteheide darauf reagieren will. Und warum das Schulzentrum eine zentrale Rolle spielen soll.
Wenn sich eine Kommune verpflichtet, bis 2035 klimaneutral zu sein, sollte eine Stärkung des Radverkehrs eigentlich ganz oben auf ihrer Agenda stehen. In Bargteheide ist das Thema tatsächlich seit vielen Jahren anhängig. Doch ernsthaft vorangekommen ist man dabei nach Ansicht der Wählergemeinschaft WfB nicht. „Obwohl bereits Mitte August 2021 beschlossen worden ist, ein Fachbüro mit der Erstellung eines innerstädtischen Geh- und Radwegekonzepts zu beauftragen, liegt dieses bis heute nicht vor“, moniert WfB-Fraktionschef Norbert Muras. Während viele andere Kommunen bereits Fördergeld von Land und Bund eingeworben hätten, stünde Bargteheide noch immer ganz am Anfang. „Ob und wie lange Fördertöpfe angesichts der allgemein angespannten Haushaltslage noch zur Verfügung stehen werden, ist mehr als ungewiss. Uns läuft die Zeit davon“, warnt Muras.
Nun ist die WfB in Vorleistung gegangen und hat ein eigenes, 24 Seiten umfassendes Radwegekonzept vorgelegt. „Wir haben im Kommunalwahlkampf versprochen, uns um die Radwege-Infrastruktur zu kümmern, dieses Versprechen lösen wir jetzt ein“, gibt sich Muras kämpferisch. Es könne nicht sein, dass nach weit mehr als zwei Jahren noch immer keine beratungsreife Planung auf dem Tisch liege, auf deren Grundlage endlich konkrete Maßnahmen beschlossen werden könnten.
20 Euro pro Einwohner sollten in jedem Jahr fließen
Dabei gab es bereits 2018 und 2019 mehrere politische Beschlüsse zur Radwegeplanung. Bis zu 334.000 Euro, 20 Euro pro Einwohner, sollten pro Jahr fließen. Doch weil sich kaum etwas bewegte, wurde dann im Sommer 2021 beschlossen, das Konzept von den Fachbüros urbanus aus Lübeck und Gertz Gutsche Rühmenapp aus Hamburg erstellen zu lassen.
Zwar gab es inzwischen je zwei öffentliche Infoveranstaltungen und zwei Präsentationen von Zwischenergebnissen im Planungsausschuss. Laut Wählergemeinschaft fanden sich darin lokale Vorarbeiten der Grünen, der SPD, der WfB und des ADFC aber nicht wieder. Mehr noch habe es, und das sei am aller Befremdlichsten, bislang keine Zusammenarbeit mit der Rad-AG gegeben. Am 6. November 2023 ist erst wieder ein Termin zum wiederholten Male abgesagt worden.
WfB-Chef Muras begleitet das Thema seit 24 Jahren
Die WfB sieht ihr zum Jahreswechsel nochmals überarbeitetes Papier als eine Analyse des Istzustands, sowie einer daraus abgeleiteten, ausführlichen Problemdarstellung mit konkreten Lösungsansätzen. „Unser Konzept enthält notwendige Sachdarstellungen, die als Grundlage für Ausschussberatungen und die Erarbeitung von Förderanträgen dienen können“, erklärt Muras. Zumal ohne schlüssiges Konzept auch keine Anträge im Rahmen der Städtebauförderung möglich seien.
Seit 24 Jahren begleitet der WfB-Fraktionschef das Thema Radverkehr in Bargteheide und hofft deshalb, dass nun endlich ein substanzieller Durchbruch gelingt. Die bisherigen Rad- und Fußwegekonzepte stammten aus den Jahren 1976 und 2001 und seien hoffnungslos überaltert. Fahrradwege gebe es allenfalls rings um die Innenstadt und in der Rathausstraße, ansonsten im Zentrum aber kaum.
Aktuelles Wegesystem ist ein einziger Flickenteppich
„Das Radwegesystem ist ein einziger Flickenteppich, oft nicht zu Ende gedacht und mit zahlreichen Missständen behaftet, die zum Teil schon seit Jahren existieren“, kritisiert Muras. Nicht ohne Grund habe der ADFC die Radwegesituation in Bargteheide in seinen Reports 2020 mit der Schulnote 4,2 und 2022 sogar noch schlechter mit 4,4 bewertet.
Bei ihrem Konzeptentwurf hat sich die WfB von guten Beispielen der Städte Buchholz in der Nordheide und Elmshorn leiten lassen. Ziel sei die Schaffung einer Nord-Süd-Achse und einer Ost-West-Achse durch den Stadtkern, sowie möglichst vieler unabhängiger Rad- und Fußwege abseits der wichtigen Autostraßen.
Schulzentrum ist Dreh- und Angelpunkt des Konzepts
Eine zentrale Rolle im Konzept der Wählergemeinschaft spielt das Schulzentrum. „Dass vor allem Kinder und Jugendliche sichere Wege zu ihren Schulen und retour finden, ist uns ein wichtiges Anliegen“, sagt Muras. Mehr Schüler sollten selbstständig unterwegs sein, um so auch die erhebliche Zahl an Elterntaxis spürbar zu reduzieren.
„Dass das Fahrrad bereits jetzt ein gefragtes Verkehrsmittel unter Schülern ist, beweisen die rund 600 Fahrradständer im Schulzentrum, die in Schulzeiten fast immer sehr gut ausgelastet sind“, berichtet Muras. Letzten Zählungen zufolge gebe es täglich mehr als 1000 Fahrradbewegungen ins und aus dem Schulzentrum.
Westlich des Bahnhofs soll Fahrradzone entstehen
Die Nord-Süd-Achse führt auch deshalb mitten durchs Schulzentrum, um so die südlichen, bevölkerungsreichen Wohngebiete Fischteichsiedlung, Blumensiedlung, BornInk, Lohe und Bornberg an die Innenstadt anschließen zu können. „Dass Planungsbüros eine deutlich längere östliche und westliche Umfahrung empfohlen haben, geht an den Realitäten vorbei und ist für eine Steigerung des Radverkehrsanteils kontraproduktiv“, erklärt Muras.
Vielmehr sollten noch stringentere Radrouten ins Schulzentrum geschaffen werden, etwa aus Richtung Rathausstraße durch den Utspann-Park. Zudem fordert die WfB, den Bereich zwischen Bahnhof und Schulzentrum (Mittelweg, Baumschulenstraße) zu einer Fahrradzone umzugestalten, in der Velos Vorrang haben.
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Die Ost-West-Achse soll den Radverkehr an der Jersbeker Straße, Theodor-Storm-Straße, Ernst-Barlach-Weg, Traberstieg und die Anbindung östlich des Bahnhofstunnels aufwerten. „Diese Trasse erfordert eine komplette Überarbeitung in allen Teilbereichen“, ist sich Norbert Muras bewusst. Sie illustriere in ihrem aktuellen Zustand indes die völlige Missachtung jeglicher Belange von Radfahrern.
Deshalb fordert die Wählergemeinschaft ein grundlegendes Umdenken – in der Kommunalpolitik wie bei den Bürgern. Denn bahnbrechende Verbesserungen für Radfahrer und die Schulwegsicherung seien praktisch unmöglich, ohne einen Eingriff in den bisher ausschließlich privilegierten Autoverkehr. „Insofern wäre die Umsetzung eines substanziellen Radwegekonzepts ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so Muras. Nach Abendblatt-Informationen sollen die beauftragten Fachbüros ihr Konzept inzwischen fertiggestellt haben und es zeitnah der Verwaltung und der Rad-AG vorstellen.