Ahrensburg. Haus in der Nachbarschaft machte Ahrensburger Angst. Deshalb zündete er es an, ist sich das Schöffengericht sicher.

Das Schöffengericht am Ahrensburger Amtsgericht hat einen 47 Jahre alten Einwohner der Stadt wegen Brandstiftung zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Richter Said Evora und seine beiden Beisitzerinnen sahen es als erwiesen an, dass der Mann in der Nacht von Montag auf Dienstag, 8. und 9. Mai 2023, ein leer stehendes Haus an der Hagener Allee/Ecke Forsthof Hagen angezündet hat. Mehrfach wurde im Prozess erläutert, dass ihm das als „Messiehaus“ und „Hexenhaus“ bekannte Gebäude „ein Dorn im Auge“ war. Der damals unter Alkoholsucht und Depressionen leidende Mann habe eine Angst vor dem Haus entwickelt und sich verfolgt gefühlt.

„Sowohl das Motiv des Angeklagten hat sich bestätigt als auch die Gelegenheit, denn er war vor Ort“, sagte Richter Evora. Nach allen Zeugenaussagen und Indizien gebe es keine andere plausible Möglichkeit, als dass der 47-Jährige den Brand absichtlich gelegt habe. Dessen Version, dass vielleicht eine achtlos weggeworfene Zigarette das Feuer entfacht haben könnte, sei nicht nachvollziehbar. „Wir sind überzeugt, dass es gar keine Zigarette war“, so Evora.

Prozess Ahrensburg: Brandstifter kommt mit eineinhalb Jahren auf Bewährung davon

Das Landeskriminalamt (LKA) hatte in Bodenproben entdeckt, dass jemand zwischen Schuppen und Eingangstür Benzin verteilt hatte. An einer weiteren Stelle am Gebäude wurden Spuren von Terpentinersatz gefunden. Ein Brandmittelspürhund schlug am Tag nach dem Feuer an vier Stellen an. Ein LKA-Gutachter sagte am ersten der beiden Verhandlungstage, dass eine Zigarette nicht heiß genug sei, um verschüttetes Benzin zu entzünden. Dafür brauche man eine offene Flamme.

Die Brandruine an der Hagener Allee verfällt, durch das offene Dach regnet es ins Haus.
Die Brandruine an der Hagener Allee verfällt, durch das offene Dach regnet es ins Haus. © Harald Klix | Harald Klix

Wie mehrere Zeugen bestätigten, rief der 47-Jährige noch in der Nacht sein westlich von Hamburg lebendes Kind an. Dieses machte ebenso wie die Mutter des Angeklagten vom Aussageverweigerungsrecht als nahe Verwandte Gebrauch. Die Ex-Frau des Angeklagten und Mutter des Kindes wurde dagegen als Zeugin gehört. „Ich war auf dem Weg zur Arbeit noch kurz einkaufen, als mein Kind unter Tränen anrief und sagte, dass sein Vater ein Haus angezündet habe“, so die 45-Jährige. Ihr Ex-Mann, zu dem sie seit zwei Jahren keinerlei direkten Kontakt mehr habe, habe dem Kind gesagt, dass er „irgendwas reingeworfen“ habe.

Ihr Kind habe in etlichen Telefonaten ganz klar betont, dass man immer die Wahrheit sagen müsse. Später habe aber im Raum gestanden, dass man nicht alles hundertprozentig richtig sagen könne.

Vier Zeugen wunderten sich am Brandort über das verdächtige Verhalten

Wie die 22 Jahre alte Partnerin des Kindes vor Gericht bestätigte, gab es am Tag nach dem Brand noch ein Treffen zwischen den beiden, dem Angeklagten und dessen Mutter. „Das war eine sehr angespannte Situation, weil alle Angst hatten, dass die Polizei gleich kommt“, sagte die 22-Jährige. An etliche Details könne sie sich aber nicht mehr erinnern: „Das ist schon so lange her.“ Auf Nachfrage einer Schöffin erläuterte sie allerdings, dass auch von einem brennenden Taschentuch oder Papier die Rede war.

Vier weitere Zeugen berichteten, dass sie sich in der Tatnacht mit dem Angeklagten unterhalten hatten. Die beiden jungen Pärchen waren durch Flammen und Blaulicht auf das Feuer aufmerksam geworden, das um 0.37 Uhr über Notruf gemeldet worden war. Von einer Tischtennisplatte auf einem Spielplatz auf der anderen Straßenseite verfolgte die Gruppe die Löscharbeiten. „Der Angeklagte lief komisch herum und wirkte alkoholisiert“, sagte ein junger Mann. „Er kam zu uns und sagte, dass an dem Haus öfter Jugendliche auf einem Grillplatz Feuer machen würden. Dabei hatten wir dort noch nie Feuer oder Menschen gesehen.“

Staatsanwältin fordert Bewährungsstrafe und Geldauflage

Der stark alkoholisierte Mann habe gemeint, das alte Haus brenne „wie Hulle“, sagte eine Studentin. Auf den Einwand, dass ein Kinderwagen und Spielzeug vor dem Haus darauf schließen ließen, dass dort eine Mutter mit Kind leben könnte, habe er panisch geantwortet, dass dort niemand wohne. „Wir fanden es so komisch, was er uns alles gesagt hat“, so die 23-Jährige. So entschloss man sich, einen Polizisten in der Nähe über den Verdacht zu informieren.

Der 47 Jahre alte Angeklagte (l.) sitzt neben seinem Anwalt Oliver Dedow im Saal des Amtsgerichts Ahrensburg.
Der 47 Jahre alte Angeklagte (l.) sitzt neben seinem Anwalt Oliver Dedow im Saal des Amtsgerichts Ahrensburg. © HA | Filip Schwen

Am Ende der Beweisaufnahme stand für die Staatsanwältin fest, dass der 47-Jährige der Brandstifter sein muss. „Aus allen Indizien gepaart mit den Anrufen entsteht die Überzeugung, dass er das Feuer gelegt hat“, sagte die Anklägerin. Auch wenn man in seinem Zuhause keinen Brandbeschleuniger gefunden habe, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass irgendwelche anderen Personen an dem Brandort Benzin verteilt und Feuer gelegt hätten. Da der Ahrensburger teilweise geständig gewesen und seine Alkoholsucht jetzt im Griff habe, plädierte sie auf die eineinhalbjährige Bewährungsstrafe plus 1000 Euro Geldauflage.

Für den Verteidiger kann es nur einen Freispruch geben

Verteidiger Oliver Dedow verlangte dagegen einen Freispruch. Sein Mandant sei krank und hatte Alkohol getrunken. „Er hat sich vorgeworfen, eventuell eine glimmende Zigarette fallen gelassen zu haben und sich dann so in die Sache reingesteigert, dass er Familie und Bekannte anrief“, so der Anwalt. „Wo soll er das Benzin denn hergehabt haben?“, fragte Dedow. An der Kleidung seines Mandanten hätten die Ermittler keine Spuren gefunden, auch keine Rußpartikel und nichts Relevantes auf dem Handy. „Er ist es schlicht und einfach nicht gewesen“, so der Verteidiger.

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Zugleich kritisierte er, dass in „keine andere Richtung“ ermittelt worden sei. Beispielsweise sei bei einem Immobilienwert von mehr als einer halben Million Euro auch eine Brandsanierung denkbar.

Der 47-Jährige selbst betonte in seinem Schlusswort, dass er sich vor einem knappen Jahr in „einem psychischen Ausnahmezustand“ befunden habe. Er habe geraucht und sei in jener Nacht zwar auf dem Grundstück gewesen, aber nie im Gebäude drin. Er bekundete mit leiser Stimme: „Ich habe dieses Haus nicht angezündet.“

Höchststrafe für Brandstiftung liegt bei zehn Jahren Gefängnis

Das sah das Schöffengericht anders und folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Richter Said Evora wies zudem die Spekulation der Verteidigung über eine sogenannte „heiße Sanierung“ zurück: „Das macht wenig Sinn ohne Versicherung.“

Er erläuterte, dass für Brandstiftung eine Strafe zwischen ein und zehn Jahren möglich sei. Er sieht für den 47-Jährigen, der nicht vorbestraft ist, eine positive Prognose. Evora: „Sie haben das Beste aus Ihrer Situation gemacht, sich der Depression gestellt und sind inzwischen trockener Alkoholiker.“ Zu den eineinhalb Jahren auf Bewährung kommt eine Zahlung von 1000 Euro an die Tafel Ahrensburg. Die Frist zur Einlegung einer Berufung oder Revision beträgt eine Woche.