Ahrensburg. Prozess: Ahrensburger soll Versicherungen um mehr als 100.000 Euro betrogen haben. Kunde: „Fühlten uns betrogen und hatten Angst.“
Der Angeklagte Fatic B (Name geändert) machte einen gelassenen Eindruck, als er in Handschellen in den Saal 1 des Amtsgerichts in Ahrensburg geführt wurde. Gegen den 42-Jährigen wird vor dem Schöffengericht wegen gewerbsmäßigen Betruges in besonders schwerem Fall und Unterschlagung in 13 Fällen, zwei davon als Versuch, verhandelt. Der aus dem Kosovo stammende Mann betrieb ein Autohaus in Ahrensburg und soll mehrere Versicherungen durch fingierte Unfälle um zum Teil fünfstellige Geldbeträge betrogen haben. Der Gesamtschaden soll sich auf über 100.000 Euro belaufen.
Der Angeklagte soll die Unfälle unter anderem mit Autos, die Kunden bei ihm zur Reparatur eingestellt hatten, selbst verursacht haben. Dann, so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor, soll er die Schäden unter Nutzung der Namen und Daten seiner Kunden selbst bei den Versicherungen angemeldet und Reparaturkosten und Schadenzahlungen einkassiert haben.
Prozess: Unfälle fingiert? Autohaus-Chef droht lange Haftstrafe
Wie der Betrug aufgeflogen ist, blieb am ersten Verhandlungstag noch unklar. Zunächst wurden mehrere Zeugen gehört. Darunter ein Oldesloer, der sein Fahrzeug zum Angeklagten in die Werkstatt gebracht hatte, weil es Öl in großen Mengen verlor. Die Überprüfung habe ergeben, dass sein Auto ein Totalschaden sei und nicht mehr repariert werden könne, so der Zeuge.
Man habe verabredet, dass B. den Wagen deshalb bei der Zulassungsstelle abmelden sollte. Im Gegenzug kaufte der Zeuge einen Gebrauchtwagen beim Werkstattinhaber. Der Angeklagte soll die Stilllegung jedoch verschleppt und das Fahrzeug für einen vorgetäuschten Auffahrunfall genutzt haben. Dann soll er den Schaden unter dem Namen des Zeugen bei dessen Versicherung geltend gemacht haben. Im Prozess konnte sich der Zeuge zwar noch genau an die Abläufe erinnern, mit der zeitlichen Zuordnung hatte er aber Schwierigkeiten. „Das ist alles so lange her. Ich kann nicht mehr genau sagen, ob das nun 2017 oder 2018 gewesen ist“, sagte er.
Ein Zeuge leidet an dissoziativer Persönlichkeitsstörung, ein anderer ist schon verstorben
Einem weiteren Zeugen erging es nicht besser. Als ihm Richter Said Evora seine Aussage vorlas, die er damals bei der Polizei gemacht hatte, und fragte, ob das seine Erinnerung auffrischen würde, sagte dieser: „Ich kann nicht mehr sagen, wann das war. Ich leide an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung, habe mehrere Persönlichkeiten, die sich untereinander nicht kennen. Irgendeine von ihnen hat diese Erinnerung sicherlich, ich kann sie aber nicht abrufen.“
In einem anderen Fall soll der Angeklagte einen demenzkranken Kunden, der inzwischen verstorbenen ist, zu einem schriftlichen Schuldeingeständnis verleitet haben. Ein Freund des an Demenz Erkrankten sagte, sie hätten das Fahrzeug zur Reparatur in der Werkstatt des Angeklagten eingestellt. Sein Freund sei dort seit Jahren Kunde gewesen. Manchmal, so der Zeuge, sei die Bezahlung in der Vergangenheit wohl auch ohne Rechnung erfolgt.
Dann, erzählte der Zeuge weiter, sei plötzlich von einem Unfall die Rede gewesen, den sein Freund mit seinem Wagen verursacht haben soll. „Eine Lüge“, sagte der 85-Jährige entrüstet. Das sei gar nicht möglich gewesen, denn zu diesem Zeitpunkt hätten sie den Wagen noch gar nicht zurückbekommen. Der Zeuge konnte nicht nur den Werdegang der Geschehnisse plausibel erklären, sondern auch alles in einen klaren zeitlichen Kontext setzen. Mitgebrachte Dokumente und akribisch geführte Aktennotizen belegten seine Aussage.
85-Jähriger sagt: Wir fühlten uns betrogen und wir hatten Angst
Als die entstandenen Reparaturkosten in Höhe von rund 3500 Euro kalkuliert waren, sollen die Mitarbeiter des Autohauses auf Barzahlung bestanden haben. „Wir mussten extra zur Bank fahren und 2000 Euro abheben“, erzählt der Zeuge. Den Rest der Reparatursumme hätten sie dann mit Karte bezahlt. Im Autohaus sei die Atmosphäre sehr unangenehm gewesen. „Ich wollte nur noch den Wagen meines Freundes auslösen und dann nichts wie weg. Wir fühlten uns betrogen und wir hatten Angst.“ Nach diesem Vorfall sei er misstrauisch geworden und habe sich die Rechnungen der vergangenen Jahre aus dem Autohaus vorgenommen. „Da habe ich festgestellt, dass der Name des Autohauses alle zwei Jahre gewechselt hat und auch die Namen der Gesellschafter wechselten in diesem Zeitraum. In regelmäßigen Abständen verschwanden Namen, um dann irgendwann wieder aufzutauchen“, sagte er. Seriös sei das wohl nicht.
Das Strafgesetzbuch sieht für gewerblichen Betrug mit einer so hohen Schadensumme wie in diesen Fällen eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Die Mindeststrafe liegt bei sechs Monaten Haft. Eine Geldstrafe ist nicht mehr vorgesehen. Der Prozess wird am 30. Januar mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt. bja