Grönwohld/Ratzeburg. Obwohl der frühere Bäckereiunternehmer nicht zum Prozess erscheint, verhängt Gericht eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.
Das öffentliche Interesse ist groß, die Zuschauerränge im Saal des Amtsgerichts Ratzeburg sind fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Dort soll am Freitag, 22. März, der Prozess gegen den früheren BäckereiunternehmerManfred von Allwörden wegen Tierquälerei beginnen. Doch dazu kommt es nicht. Die Anklagebank bleibt leer. Der 63-Jährige erscheint ebenso wenig vor Gericht wie sein Verteidiger.
15 Minuten wartet Richter Martin Mrozek, macht dann kurzen Prozess: Er erlässt Strafbefehl gegen von Allwörden. 112.500 Euro Geldstrafe wegen Tierquälerei in sechs Fällen. Die Entscheidung ist einer Verurteilung gegenüber gleichwertig. Bezahlen muss der Unternehmer die Summe voraussichtlich aber nicht. Mrozek setzte sie für zwei Jahre zur Bewährung aus.
Mehr als 100.000 Euro Geldstrafe: Gericht erlässt Strafbefehl gegen von Allwörden
In der Zwischenzeit muss von Allwörden 30.000 Euro an vier Tierschutzorganisationen sowie die Möllner Tafel zahlen. Erfüllt er die Auflage und leistet sich der 63-Jährige keine weiteren Vergehen, ist die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit automatisch abgegolten.
Das im Strafgesetzbuch vorgesehene Instrument des Strafbefehls ermöglicht es, Verfahren mit weniger gewichtigem Tatvorwurf auch in Abwesenheit des Angeklagten zu einem Abschluss zu bringen. Für den Erlass müssen keine Zeugen vernommen werden, es gibt keine Beweisaufnahme. Ein hinreichender Tatverdacht genügt. Der liegt laut Mrozek vor. Der Richter ist überzeugt, dass von Allwörden, der ein Gestüt in Grönwohld bei Trittau betreibt, durch mangelhafte Versorgung zwischen 2021 und 2022 den Tod von 14 Pferden verursacht hat.
Der Unternehmer soll Pferde vernachlässigt haben, 14 Tiere wurden eingeschläfert
Die Staatsanwaltschaft hatte dem 63-Jährigen vorgeworfen, „durch Unterlassen Wirbeltieren länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt“ und damit gegen das Tierschutzgesetz verstoßen zu haben. Monatelang und trotz Hinweisen und Auflagen des Veterinäramtes habe er die Pferde vernachlässigt
Konkret soll der Unternehmer nicht für die bei Pferden regelmäßig notwendige Entwurmung Sorge getragen haben. Wegen ausbleibender Wurmkuren und „unzureichender Kontrollen von Pflege- und Gesundheitszustand“ hätten die 14 Tiere eingeschläfert werden müssen.
Von Allwörden sei wiederholt über die Mängel informiert worden
Der Staatsanwaltschaft zufolge soll von Allwörden „die Entwurmung aus Praktikabilitäts- und Kostengründen unterlassen haben“. Außerdem habe der Unternehmer zu wenig Mitarbeiter für die Versorgung der Pferde beschäftigt, denen es zudem an der erforderlichen Sachkenntnis gemangelt habe.
Dadurch und durch das Ausbleiben regelmäßiger Überprüfungen des Pflege- und Gesundheitszustandes der Tiere seien die Erkrankungen nicht rechtzeitig erkannt worden. Obwohl er wiederholt über die Mängel informiert worden sei, habe es keine ausreichende Kontrolle der zuständigen Mitarbeiter gegeben.
Der ehemalige Bäckerei-König führt den Grönwohldhof seit 2012
Von Allwörden hatte 2012 das Gestüt Grönwohldhof in der gleichnamigen Gemeinde übernommen. Dort betreibt der ehemalige Bäckerei-König, der seine mehr als 200 Filialen 2022 an den Supermarkt-Riesen Edeka verkauft hat, eine erfolgreiche Zucht von Holsteiner-Pferden. Der 62-Jährige besitzt mehr als 1000 Tiere, darunter sind außergewöhnliche Pferde wie den 14 Jahren alten Hengst Chopin VA. Der Sohn des legendären Casall hatte sich für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio qualifiziert.
Nach Angaben des Gestüts werden jedes Jahr rund 150 Fohlen geboren. Neben dem Hauptstandort in Grönwohld gehören auch mehrere Koppeln und Außenstellen im Kreis Herzogtum Lauenburg zum Betrieb. Im November 2022 war bekannt geworden, dass das Veterinäramt des Kreises bereits ein Jahr zuvor, im November 2021, eine Ordnungsverfügung mit Auflagen für die Tierhaltung gegen von Allwörden erlassen hatte, nachdem wiederholt Mängel festgestellt worden waren.
Fotos zeigen bis auf die Knochen abgemagerte Pferde auf von Allwördens Koppeln
Doch für die verfügte Verbesserung der Haltungsbedingungen sorgte der Züchter offenbar nicht. In den Folgemonaten mussten laut Mrozek acht weitere Pferde eingeschläfert werden. Im Herbst 2022 tauchten dann Fotos auf Facebook und in anderen Sozialen Medien auf, die bis auf die Knochen abgemagerte Tiere zeigen und auf einer Koppel von Allwördens in Groß Zecher (Kreis Herzogtum Lauenburg) aufgenommen worden sein sollen.
Tierschützer starteten eine Online-Petition mit der Forderung einer Schließung des Gestüts, die bis heute mehr als 6800 Menschen unterzeichnet haben. Die Staatsanwaltschaft Lübeck bestätigte ein Ermittlungsverfahren gegen von Allwörden. Zuvor hatte das Lauenburgische Kreisveterinäramt Strafanzeige gestellt. Im vergangenen August erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.
Verteidiger will Verschiebung und führt gesundheitliche Probleme seines Mandanten an
Im Vorfeld des Verfahrens habe der Verteidiger des 63-Jährigen zwei ärztliche Atteste vorgelegt, die eine Verhandlungsunfähigkeit des Unternehmers belegen sollten und um eine Verschiebung des Prozessauftaktes gebeten, sagte Richter Mrozek. In den Schriftstücken sein eine Herzerkrankung angeführt worden, in deren Folge von Allwörden unter Schlaf- und Konzentrationsproblemen leide.
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Beide Bescheinigungen hätten jedoch nicht den rechtlichen Anforderungen für eine Verlegung genügt. „Ich sehe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine Anreise und Teilnahme an der Verhandlung nicht möglich sind“, so Mrozek. Bei Nichterscheinen des Angeklagten habe das Gericht grundsätzlich auch die Möglichkeit, Haftbefehl zu erlassen, um dessen Teilnahme am Prozess zu erzwingen. Alternativ sei eine sogenannte Vorführung möglich, bei der die Polizei den Angeklagten an seiner Wohnanschrift aufsucht und zum Gericht bringt.
Haftbefehl und Vorführung wären laut Richter nicht verhältnismäßig
Für beide Maßnahmen sei angesichts der von Allwörden zur Last gelegten Vorwürfe die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben, begründete Mrozek seine Entscheidung für einen Strafbefehl. „Das mag man als unbefriedigend empfinden, aber prozessual ist das der richtige Weg“, so der Richter. Von Allwörden sei zudem nicht vorbestraft und sei im Tatzeitraum zeitweise „ernsthaft erkrankt“ gewesen. Trotz der großen medialen Aufmerksamkeit müsse er denselben Maßstab anlegen wie bei anderen Angeklagten.
Gleichwohl übte Mrozek deutliche Kritik an den Haltungsbedingungen auf dem Gestüt des Unternehmers, sprach von einer „Massentierhaltung“ mit „starkem, wirtschaftlichen Hintergrund“. Seine Hoffnung sei es, dass das Ergebnis des Prozesses dem Angeklagten eine Warnung ist und sich die Bedingungen für die Pferde in der Zukunft verbesserten.
Von Allwörden reagiert nicht auf eine Anfrage unserer Redaktion
Bei der Höhe der Geldstrafe orientierte sich Mrozek an den geschätzten monatlichen Einkünften des Unternehmers in Höhe von rund 22.500 Euro. Die Geldauflage kann der 63-Jährige in monatlichen Raten zu je 2000 Euro an die Organisationen zahlen. Von Allwörden hat nun 14 Tage Zeit, gegen den Strafbefehl Widerspruch einzulegen. In diesem Fall käme es zu einer neuen Verhandlung. Tut er das nicht, wird die Entscheidung rechtskräftig. Ursprünglich waren für das Verfahren drei Verhandlungstage bis Ende April angesetzt.
Der 63-Jährige reagierte am Freitag nicht auf eine Anfrage unserer Redaktion. In der Vergangenheit hatte er die Verantwortung für den Tod der Pferde eingeräumt und Verbesserungen der Haltungsbedingungen angekündigt. Von Allwörden bestritt aber, die Tiere vernachlässigt zu haben. Die Wurmkur habe in den Fällen nicht angeschlagen, das habe er zu spät bemerkt. Welche Verbesserungen der Unternehmer umgesetzt hat, lässt sich nicht überprüfen. Seit November 2022 äußerte er sich nicht mehr zu den Vorwürfen.