Reinbek. Früher war er Spezialist für Uhren. Dann machte Matthias Kopp sein Hobby zum Beruf, begeistert sich und andere für sein Lieblingsgetränk.
Das Bier gewinnt. Diese unter Hobbyfußballern weit verbreitete Weisheit stellte vor gut sechs Jahren das Leben des Reinbekers Matthias Kopp auf den Kopf. Damals lebte der Juwelier, der als Vertriebsleiter für einen Schweizer Luxusuhren-Hersteller viel in der Welt unterwegs war, in Berlin.
Eines Abends saß er mit einem Nachbarn, dem Craft-Beer-Brauer Michael Schwab (Brewbaker), in einer Eckkneipe. Der Kenner empfahl Kopp ein Ingwer-Bier. Der war skeptisch – und nach den ersten Schlucken vollkommen überzeugt. „Das schmeckte ganz anders als das konfektionierte Einheitsbier, viel interessanter“, sagt Kopp über den Moment, der sein Berufsleben komplett drehen sollte. Heute begeistert der 42-Jährige selbst als Biersommelier andere Menschen für das Getränk.
Ein Freund schlug beim Grillen vor, den Beruf zu wechseln
„In Berlin holte ich mir erst mal unterschiedliche Biere aus dem Supermarkt, probierte und las mir alle Infos über die Sorten durch, die ich finden konnte“, sagt Kopp. Es folgten weitere Abende voller Fachsimpeleien mit seinem Nachbarn. Bei Grillabenden in seiner alten Heimat Hamburg tauchte er seitdem mit einer Handvoll gut gekühlter Flaschen zum Probieren auf, schwärmte der Runde von neuen Geschmackserlebnissen vor.
„Ein guter Freund schlug vor, das doch beruflich zu machen“, sagt Kopp. Offenbar war ihm auch die Unzufriedenheit über seinen Uhren-Job („Die Bedingungen im Vertrieb hatten sich dramatisch geändert“) anzumerken. „Wenn, dann mache ich das richtig und nicht aus einem Hobby heraus“, dachte sich Kopp. Er präsentierte seine Idee einem Unternehmensberater und den Experten für Existenzgründung von der KfW-Bank. Als der Businessplan stand, war klar, „dass ich Biersommelier werde“.
Wichtiger Rat: Bier nicht aus der Flasche trinken
Wieder verglich er die Angebote und entschied sich für die namhafte Doemens Academy bei München. Er absolvierte einen mehrwöchigen Kursus und Praktika, darf sich nach bestandener Prüfung seitdem Diplom-Biersommelier nennen und gehört dem bundesweiten Berufsverband an. Wenn Mathias Kopp jetzt von seinem Job erzählt, leuchten seine Augen wieder: „Bier hat 800 bis 1000 verschiedene Aromen, Wein knapp 500.“ Diese Vielfalt komme aber nur bei der richtigen Lagerung und Temperatur des Getränks zur Geltung. Sein wichtigster Rat aber ist: „Bitte niemals aus der Flasche trinken, sondern immer aus dem Glas.“
Genießer stürzen das Getränk nicht hinunter, sondern spüren den Aromen im Rachen nach – ähnlich wie beim Wein. „Wer darauf verzichtet, dem entgeht die Hälfte“, so der Experte. Sogar Frauen würden nach einer solchen „Geschmacksexplosion am Gaumen“ zu Bierliebhabern, wenn sie erst mal feststellen: Es muss gar nicht bitter sein. Mit seiner unter dem Namen Bier-Faktur gegründeten Firma berät Matthias Kopp jetzt nicht nur Restaurants und Gastronomen bei der Getränkeauswahl und in Fragen der Schankhygiene. Er vertreibt auch ausgewählte Sorten. „Oftmals sind es kleinere Betriebe“, sagt er. Da er nicht wie viele andere Sommeliers bei einer Brauerei angestellt sei, könne er sich seine Lieferanten unabhängig und objektiv auswählen.
Alles ist möglich: Mit Kirschen, Kürbispüree oder Koriander
Hinzu kommen Tastings, die der Reinbeker sowohl für Unternehmen als auch für private Runden bundesweit anbietet. Bei diesen Probierrunden stellt er in eigens mitgebrachten Tasting-Gläsern unterschiedliche Craft-Beer-Sorten (handwerklich gebrautes Bier) vor, informiert über Herstellung und Geschmack. Unter anderem weiht er das Publikum nach Führungen in der Hamburger Ratsherrn-Brauerei in die Geheimnisse der Bier-Welt ein.
Bei seinen Veranstaltungen räumt der Fachmann gern mit dem 500 Jahre alten deutschen Reinheitsgebot auf. Demnach soll Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden. „Das ist Quatsch“, sagt Kopp, „viel entscheidender ist, dass ausschließlich natürliche Zutaten verwendet werden.“ Wenn die von besonderer Qualität sind, sei auch das Ergebnis hervorragend.
Konzerne nehmen häufig weniger aromatische Bitterhopfen
Als Beispiel nennt er den Einsatz von hochwertigem Aromahopfen. Für die Massenproduktion nähmen Konzerne vor allem die günstigeren und weniger aromatischen Bitterhopfen. Zudem werde Industriebier häufig gefiltert, verliere dabei auch Geschmacksstoffe. „Seit jeher ist es außerdem selbstverständlich, Bier mit Kräutern zu brauen.“ In der Konsequenz sollte ein Natürlichkeitsgebot das Reinheitsgebot ablösen.
Der Biersommelier-Verband hat auch Mitglieder in Japan
Überall auf der Welt gebe es gelungene Kompositionen. So kommen bei einer belgischen Spezialität getrocknete Sauerkirschen mit ins Fass, was einen fruchtigen Geschmack erzeugt. Kürbispüree sorgt in den USA für eine besondere Note, ist besonders im Herbst beliebt. Und das erfrischende Gose aus Goslar, in dem sich Kochsalz und Koriander wiederfinden, soll sogar schon Goethe gemundet haben.
Kopp wohnt in der Nähe des Reinbeker Gut Silk
Was der Sommelier dagegen gar nicht mag, sind Nachtwächter. So heißt in der Gastronomie das Bier, das vom Vortag in der Leitung steht – entsprechend schal ist und unbedingt weggekippt werden sollte. Der Geschmacksexperte ist in dieser Beziehung eigen: „Fassbier trink ich nur bei Wirten, die ich gut kenne.“
Wenn Matthias Kopp heute nach Feierabend aus seinem Wohnzimmer über die Felder am idyllisch gelegenen Reinbeker Gut Silk blickt, weiß er, dass seine Entscheidung, beruflich noch mal ganz neu anzufangen, goldrichtig war. Dann gönnt er sich eine Flasche aus seinem gut sortierten Kühlschrank – mehr auch nicht. „Bier ist wie Wein ein Lebensmittel mit Tradition und auch ein Genussmittel“, sagt er. Matthias Kopp weiß genau: Das Bier gewinnt nicht immer. Aber mit ihm immer öfter.