Ahrensburg. Politiker sehen erhebliche Mängel in Planung. Notfalls wollen sie einstimmig beschlossene Einwendungen juristisch durchsetzen.

Gemeinsam sind wir stark: Nach diesem Motto handeln die Ahrensburger Kommunalpolitiker, um beim Bau der neuen S-Bahnlinie 4 das Beste für ihre Heimatstadt herauszuholen. In demonstrativer Geschlossenheit haben die Stadtverordneten von Grünen, CDU, SPD, FDP und Wählergemeinschaft WAB die Einwendungen der Stadt zum Planfeststellungsabschnitt 3 (Landesgrenze Hamburg bis Ahrensburg-Gartenholz) einstimmig beschlossen. Zudem stellten sie knapp 400.000 Euro für die Ausarbeitung eigener Alternativvorschläge und eine eventuelle gerichtliche Auseinandersetzung bereit.

„Wir haben in den Antragsunterlagen immer wieder Passagen entdeckt, bei denen die Vorarbeiten der Bahn den rechtlichen Rahmen verlassen“, sagte Detlef Steuer (WAB) über den wochenlangen Einsatz der extra gegründeten S4-Arbeitsgruppe. Die AG aus Vertretern aller Fraktionen, Rathausmitarbeitern und externen Fachleuten hatte Dutzende Ordner mit Tausenden Seiten gesichtet. Und dabei nach eigener Einschätzung erhebliche Mängel festgestellt. Kernpunkte der Kritik sind der Naturschutz von Auetal und Tunneltal, die Planung der neuen S4-Haltestelle Ahrensburg West und mehrerer Brücken sowie der Lärmschutz.

S4: Ahrensburg sieht in den Unterlagen „grob rechtswidrige“ Aussagen

Die Deutsche Bahn AG möchte auf dem 8,5 Kilometer langen Ahrensburger Abschnitt der Strecke Hamburg–Lübeck bis zum Regionalbahnhof zwei neue Gleise und von dort bis zur Haltestelle Gartenholz ein zusätzliches Gleis verlegen. Dafür sind mehrere neue Brücken und bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände erforderlich. Ende 2029 sollen die S-Bahn-Waggons zwischen Bad Oldesloe, Bargteheide, Ahrensburg und dem Hamburger Hauptbahnhof pendeln.

Am Feldweg Grävinghorst in Ahrensburg liegt hinter den Gleisen ein einziges Haus, für das eine neue Brücke gebaut werden soll.
Am Feldweg Grävinghorst in Ahrensburg liegt hinter den Gleisen ein einziges Haus, für das eine neue Brücke gebaut werden soll. © Harald Klix | Harald Klix

In den Antragsunterlagen seien „grob rechtswidrige“ Aussagen enthalten, so Detlef Steuer. Ein Beispiel sei, dass Anwohner bei Rammarbeiten in einem Umkreis von 2000 Metern rund um die Uhr – also auch nachts – eine Lärmstärke von 80 Dezibel ertragen müssten. „Den Bürgern empfiehlt die Bahn, in hintere Räume ihrer Wohnungen auszuweichen“, so Steuer kopfschüttelnd.

Ahrensburg stellt 100.000 Euro für juristische Auseinandersetzung bereit

Einig sind sich alle fünf Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung, die Ahrensburger Interessen notfalls auch juristisch durchsetzen zu wollen. 100.000 Euro werden im Haushalt 2024 für mögliche rechtliche Auseinandersetzungen aufgenommen. Sollte das Geld nicht reichen, kann die Summe aufgestockt werden. „Wir zeigen, dass wir bereit sind, uns zu wehren“, sagte Detlef Steuer. Und Christian Schmidt (Grüne) ergänzte: „Im Idealfall brauchen wir das Geld nicht. Falls doch, liegt es aber bereit.“

Dass es sinnvoll sei, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, merkte auch Bürgermeister Eckart Boege an. „Ich habe aber die Hoffnung, dass wir unsere Einwendungen schon im Dialog mit der Bahn durchsetzen können“, sagte er.

Für 290.000 Euro werde eigene Alternativlösung erarbeitet

Um konkrete Verbesserungsvorschläge auf den Tisch von Land und Bahn legen zu können, wird die Stadt auch eine eigene Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag geben. Dafür werden nach ebenfalls einstimmigem Votum der Stadtverordneten nächstes Jahr 290.000 Euro bereitgestellt. „Das brauchen wir, damit wir wehrhaft auftreten können“, sagte Béla Randschau (SPD). Die Einwendung allein reiche nicht aus, um Veränderungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen.

Alternative Lösungen sollen sowohl für den Erddamm am Auetal („Der würde es vollkommen abriegeln“, so Randschau) als auch für den Westbahnhof aufgezeigt werden. Die neue S-Bahnstation ist aus Ahrensburger Sicht eine Fehlplanung. Fahrgäste müssten beim Übergang zum U-Bahnhof West zwei viel befahrene Straßen überqueren und weite Wege im Freien gehen. Das sei nicht akzeptabel und riskant. Der Übergangsbahnhof sollte deshalb komplett neu geplant werden an der Stelle, an der sich U-Bahn und Regionalbahn schon jetzt kreuzen. Erforderlich seien zudem ein Busbahnhof, eine Park-and-ride-Anlage und ein Radparkhaus.

Halbtransparente Lärmschutzwände an gesamter Strecke gefordert

Völlig überflüssig ist für die Schlossstadt die bis zu acht Meter hohe Stahlbetonbrücke, die zum einzigen auf der östlichen Bahnseite gelegenen Siedlerhaus führen soll. Das Gebäude, das hinter dem beschrankten Bahnübergang der Sackgasse Grävinghorst liegt, sollte auch aus Naturschutzgründen gekauft und abgerissen werden.

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Eine weitere Forderung sind halbtransparente Lärmschutzwände an der gesamten Strecke. Für Tiere sollten ausreichend Querungsmöglichkeiten geschaffen werden. Vor allem Eingriffe ins Tunneltal wie Baustraßen müssten minimiert werden. Zudem sollten Züge in Ahrensburg nicht schneller als mit Tempo 100 fahren.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Bellizzi erläuterte nach der Sitzung, dass er in der S4 nach wie vor keine Vorteile für Ahrensburg sehe, sondern nur für Hamburg. „Unser geschlossenes Auftreten ist aber der richtige Weg, um mit der Einwendung möglichst viel für unsere Stadt zu erreichen“, sagte er.

Anhörungsbehörde lädt alle Beteiligten zum Erörterungstermin

Die Einwendungsfrist für den Planfeststellungsabschnitt 3 endet am Mittwoch, 8. November. Träger öffentlicher Belange (TöB) wie Behörden haben noch etwas länger Zeit. Die DB Netz AG, die das 1,85-Milliarden-Euro-Projekt S4 verantwortet, erwidert alle Stellungnahmen schriftlich. Nach Prüfung lädt die Anhörungsbehörde, die dem schleswig-holsteinischen Verkehrsministerium angegliedert ist, zum nicht-öffentlichen Erörterungstermin ein.

Danach erstellt das Amt für Planfeststellung Verkehr in Kiel eine abschließende Stellungnahme. Diese prüft das Eisenbahn-Bundesamt und erlässt den Planfeststellungsbeschluss. Nach Veröffentlichung können die Beteiligten innerhalb eines Monats Klage erheben.

„Die eigentliche Arbeit kommt also noch“, sagte Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg (Grüne). Der gesamte Prozess wird also nicht nur die Stadtverordneten einige Jahre beschäftigen.