Ahrensburg. Bauernproteste: Betreiber von Hof Kamp berichten, mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben. Es geht nicht nur um Agrardiesel.
Wenn um fünf Uhr morgens der Wecker klingelt, heißt es aufstehen für Sandra Rübcke und Marten Koop. Eine halbe Stunde später sind sie bereits an ihrem Arbeitsplatz. Denn der liegt gleich nebenan. Work-Life-Balance? Den Begriff kennen sie nur vom Hörensagen. Trotzdem haben die beiden sich ganz bewusst für ein Leben als Landwirt entschieden. Das Paar bewirtschaftet Hof Kamp in Ahrensburg, einen Milchvieh- und Ackerbaubetrieb.
Die beiden sind Bauern aus Leidenschaft. Marten Koop (38) sagt: „Wenn wir nur Geld verdienen wollten, wären wir keine Landwirte.“ Wichtiger ist ihnen die Freude an der Arbeit. „Wir machen das richtig gern“, versichert Koop. Um so mehr sind beide genervt von Bedingungen, die nach ihrem Dafürhalten dafür sorgen, dass ihnen der Idealismus zunehmend abhandenkommt. Bei den Bauernprotesten und bei Mahnfeuern haben sie ihrem Unmut über die Agrarpolitik der Regierung Luft gemacht. An Autobahn- oder anderen Blockadeaktionen wie der vor der Axel-Springer-Druckerei in Ahrensburg hätten sie sich jedoch nicht beteiligt.
Bauernproteste: 13 Euro Stundenlohn – Landwirt aus Ahrensburg spricht über seine Finanzen
Bei den Protesten gehe um viel mehr als den sogenannten Agrardiesel. Die hätten das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Darüber sind sich Rübcke, Koop und Jens Timmermann-Ann, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Stormarn, einig. Bei den umstrittenen Subventionen für Agrardiesel handele es sich um Steuerrückzahlungen, weil die Trecker nur selten auf Straßen unterwegs seien.
Den Kraftstoffverbrauch für den eigenen Betrieb beziffert Koop auf etwa 35.000 bis 39.000 Liter Diesel jährlich. Timmermann-Ann sagt: „Die meisten Betriebe haben eine Hoftankstelle. Dadurch bekommen sie den Diesel etwas günstiger. “ Am Ende des Jahres forderten die Landwirte etwa die Hälfte der Steuer zurück. „Bei uns sind das etwa 8000 Euro“, erläutert Koop. „Was am Ende davon übrig bleibt, entspricht ungefähr eineinhalb Monatsgehältern.“ Sollte die Dieselrückerstattung wegfallen, bedeute das in der Konsequenz „eine tolle Viehbürste oder eine Reihe Gummimatten weniger für die Kühe“.
Selbst in der Freizeit sind die Hofbetreiber immer abrufbereit
„Wir haben das mal runtergerechnet: Wenn wir am Ende des Jahres einen Gewinn von 50.000 bis 55.000 Euro haben, arbeiten Sandra, die einen Master of Science Agrar hat, und ich mit einer kaufmännischen sowie einer landwirtschaftlichen Ausbildung für ungefähr 13 Euro Stundenlohn.“ Timmermann-Ann merkt an, dass die Familie vom Gewinn leben muss, davon Investitionen getätigt und Steuern gezahlt werden. Bei der Planung gibt es wenig Sicherheit, zu viele Faktoren wie Wetter, Maschinenschäden oder auch die schwankenden Milchpreise spielen eine Rolle. „Die Meierei holt die Milch ab und am Ende des Monats sehen wir, wie viel wir dafür bekommen“, so Koop. 130 Milchkühe und 65 Jungtiere leben zurzeit auf dem Hof.
Selbst in der Freizeit seien sie immer abrufbereit, sagt Rübcke. „Wenn ein Tier ein Problem hat, muss auch die tollste Party warten. Und wenn es morgen Regen gibt, muss eben geerntet werden“, ergänzt Koop. 166 Hektar Fläche werden konventionell bewirtschaftet. Darauf werden Mais, Raps, Weizen, Dinkel, Hafer und Roggen angebaut, ein Teil ist Grünland. Das Futtergetreide wird an Landhändler verkauft und geht an viehstarke Betriebe beispielsweise in Niedersachsen. Für Brotgetreide werden höhere Margen erzielt. Hinzu kommen weitere 31,5 Hektar Grünland und Bienenweiden, die ökologisch bewirtschaftet und von sechs Galloways beweidet werden. Durch die Umgestaltung der Flächenprämie pro bewirtschaftetem Hektar Land verzeichnet die Familie weitere Einbußen von etwa 15.000 Euro.
Job in der Landwirtschaft kaum kompatibel mit Lebensentwurf
Sandra Rübcke hat den Hof von ihrem Vater übernommen. Für ihre Schwestern sei das nicht infrage gekommen, erzählt die 37-Jährige. Obwohl ihr Vater sich mit 69 Jahren theoretisch aufs Altenteil zurückziehen könnte, packt er beim Ackerbau mit an, hilft bei Bedarf auch bei den Kühen aus. Senioren, die ihren Ruhestand ungestört genießen können? Kaum vorstellbar in einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb wie diesem. Rübcke und Koop ist klar, dass diese Perspektive auch ihre Zukunft betrifft. Vorausgesetzt, eines der beiden gemeinsamen Kinder übernimmt den Hof. Dann wäre der Betrieb in Hand der vierten Generation und der siebten in Folge, die in der Landwirtschaft tätig ist.
Das wäre ganz im Sinne der Eltern. Unter Druck setzen wollen sie ihre Kinder aber nicht. Viele Anforderungen des Jobs sind nicht kompatibel mit den Lebensentwürfen junger Menschen. Die Landwirtschaft hat generell ein Nachwuchsproblem. Hof Kamp bildet aus, zwei Azubis arbeiten derzeit auf dem Feld und im Stall mit. Um Jüngere für den Beruf zu begeistern, ist Sandra Rübcke jetzt auch auf Instagram aktiv.
Behörden und Ämter sind zu weit von der Landwirtschaft entfernt
Ein weiterer Faktor, der den Bauern das Leben schwer macht, ist die Bürokratie. Nach den Bauernprotesten 2019 habe der Bund ein Förderprogramm für Investitionen in nachhaltige Bauten und Technik aufgelegt, so Koop. Sie hätten einen Zuschuss zum Bau einer neuen Mistplatte beantragt. Eine solche Betonplatte verhindert, dass der darauf gelagerte Kuhmists das Erdreich kontaminieren kann.
„Nach der Genehmigung der staatlichen Förderung haben wir einen Bauantrag bei der Stadt Ahrensburg gestellt“, berichtet Koop weiter. Im Verlauf des Verfahrens habe das Bauamt eine unverhältnismäßige Versiegelung des Bodens durch die Platte moniert. Dann wiederum wurde die Frage gestellt, wie viel Flüssigkeit darauf gelagert werden sollte, obwohl es um eine Kuhmistplatte ging. Weil der Bauantrag wegen dem Hin und Her mit der Behörde nicht rechtzeitig bewilligt und mit dem Bau nicht innerhalb der Frist begonnen wurde, wurde ihnen die Förderung aberkannt. „Dabei hatten wir das Gefühl, wir machen doch nur etwas Gutes“, sagt Koop.
Bürokratie raubt den Landwirten Zeit für wichtige Arbeitsabläufe
Letztendlich hätten sie die Genehmigung bekommen, aber durch die zeitliche Verzögerung Abstriche bei der Förderung hinnehmen müssen. Trotz allem unterstellt das Landwirtepaar keine böse Absicht. „Diese Ämter sind einfach so weit von der Landwirtschaft entfernt, dass sie gar nicht wissen, worum es geht“, meint Koop. Als sie ein Becken zur Lagerung von Gülle bauen wollten, habe der zuständige Behördenmitarbeiter das infrage gestellt, weil sie doch gar keine Schweine halten würden. Dass der Begriff ebenso in der Rinderhaltung Verwendung findet, wusste er nicht.
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Jens Timmermann-Ann sagt: „Es ist klar, dass nicht jeder alles wissen kann. Wenn so eine Verwaltung einsichtig ist, mag das ja noch gehen.“ Trotzdem komme es bei den behördlichen Abläufen immer wieder zu langen Verzögerungen. „Das ist eines der Probleme, die uns so umtreiben“, sagt Koop. „Solche Vorgänge fressen Zeit, die wir für die eigentlichen Arbeitsabläufe benötigen.“ Der Papierkram wird abends erledigt, wenn die Kinder im Bett sind. Alles muss akribisch dokumentiert werden, denn selbst Flüchtigkeitsfehler können drastische Sanktionen nach sich ziehen.
Lieber angemessene Lebensmittelpreise statt Subventionen
„Durch Subventionen hat uns die Politik im Griff“, so Koop. Um sie zu bekommen, müssten immer Bedingungen erfüllt werden. „Wir würden gern auf Subventionen verzichten, wenn wir am Markt das erlösen, was wir brauchen.“ Im Grunde werde der Bürger subventioniert, damit er erschwingliche Lebensmittel bekomme. Koop würde die Milchviehhaltung gern auf ökologische Milchwirtschaft umstellen. Doch es gebe zu viele Hürden, klagt er.
Allen drei geht es darum, die Landwirtschaft „wieder ins richtige Licht zu rücken“. Der Grad der Identifikation ist hoch. Selbst in der Disco tragen Azubis selbstbewusst ihr T-Shirt mit dem Logo von Hof Kamp. Trotz aller Herausforderungen findet Koop: „Es ist ein toller Job.“ Die Geburt eines Kälbchens oder der Anblick der goldgelben Weizenähren auf dem Feld sind für ihn unvergessliche Momente, die ihn für vieles entschädigen. Für alles andere bräuchte es mehr Unterstützung der Politik.