Trittau. Etwa hundert Teilnehmer versammelten sich auf dem Europaplatz in Trittau. Zu den Initiatoren zählt die AfD-Politikerin Wiebke Neumann.
Vor Kurzem zeigten viele Trittauer dem Rechtsextremismus die rote Karte. Sie alle folgten dem Aufruf des Bündnisses „Trittau ist Vielfalt – Trittau ist bunt“, zu dem sich Vereine, Parteien, Glaubensgemeinschaften und weitere Organisationen zusammengeschlossen hatten. Bei einer Demonstration auf dem Europaplatz Ende Januar machten die Teilnehmenden klar, dass sie in einer freien und demokratischen Gesellschaft leben wollen, in der für Diskriminierung und Hass kein Platz ist.
In dieser Woche hatte eine Gruppe für Freitagnachmittag zu einer Kundgebung an derselben Stelle aufgerufen, den sie als „Proteste des Mittelstandes in Trittau“ deklarierte. Die Landwirte hätten es vorgemacht und die Proteste aus dem Mittelstand hätten sich angeschlossen, heißt es vonseiten der Organisatoren, die mit dieser Aktion vor allem ihre Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen. Ihre Forderungen: ein buntes Sammelsurium von weitgefassten Allgemeinplätzen von „Rente, die zum Leben reicht“, „weniger Steuerverschwendung“ bis hin zu „bessere Bedingungen in der Pflege“. Die Gruppe kämpft nach eigenen Angaben auch für „Frieden in Kriegsgebieten durch Gespräche“, „Freie und neutrale Medien“ und „Versorgung mit regionalen Lebensmitteln“. Vertreter aus dem Bereich der Bauwirtschaft, Landwirtschaft und Pflege waren als Redner und Gesprächspartner angekündigt.
Kundgebung in Trittau: Erst auf Druck geben Initiatoren ihre Namen preis
Lang war nicht klar erkennbar, wer hinter dieser Gruppe, die sich Mittelstand Trittau nennt, steckt. Denn alle öffentlichen Aufrufe waren nur mit Vornamen unterzeichnet. Noch kurioser wurde der Vorgang, als der Trittauer Bürgermeister Oliver Mesch ein Schreiben der Initiatoren erhielt, in dem sie ihn zum Dialog aufforderten, sich aber nicht mit vollen Namen zu erkennen gaben. Der Bürgermeister leitete den anonymen Brief an seine Amtskollegen weiter. Als daraufhin einer von ihnen die Organisatoren kontaktiert habe, um zu erfahren, von wem denn dieses Gesprächsangebot kommt, habe es von deren Seite geheißen, wenn er das wissen wolle, könne er ja kommen.
Dieses Verhalten löste vielerorts Befremden aus. Bürgervorsteher Lars Ryll sagt: „Erst mit einem Post am Donnerstagmorgen auf einem Onlineportal haben sich die Initiatoren mit Klarnamen gezeigt.“ Dort war zu lesen: „Das Organisationsteam der Proteste aus dem Mittelstand in Trittau sind Sarah Hauswald, Matthias Hansen, Sophie Pries, Hartmut Jodies, Wiebke Neumann, Thomas Steffen und Kevin Niemeyer.“ Und damit war dann auch klar, dass mit Neumann ein AfD-Mitglied mit von der Partie war.
Wirklich ein Bauernprotest? Kreisbauernverband bezweifelt das
Mesch reagierte prompt, meldete sich auf seinem Facebook-Account zu Wort und machte publik, dass die AfD offensichtlich ihre Finger mit im Spiel habe. „Ein Bürgermeister ist dafür da, zu sagen, was ist“, stellte Mesch klar. „Demonstrationen und Protest sind ein legitimes Mittel unserer Demokratie.“ Hier werde aber zunächst anonym, das heißt nur mit Vornamen, zu „Bauern- und Mittelstandsprotesten“ aufgerufen. „Wofür oder wogegen protestiert wird, bleibt unklar“, so Mesch weiter. Einen Tag vorher habe sich dann herausgestellt , dass eine der Aufrufenden die AfD-Bundestagskandidatin Wiebke Neumann sei. „Was soll so ein Vorgehen, will man hier Menschen täuschen?“, fragt Mesch.
Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Stormarn, erklärt auf Nachfrage, dass er keine Kenntnis von einer Veranstaltung von und mit Landwirten in Trittau habe. „Der Kreisbauernverband ist also nicht Beteiligter und wohl auch kaum Landwirte aus der Region“, so Koll. Somit könne er zu den Organisatoren und anderen Gruppierungen und deren Motiven nichts sagen. „Ob die Proteste der Landwirte hier als Vorwand dienen, eigene politische Ziele zu vertreten, kann vermutet werden. In jedem Fall lassen sich unsere Mitglieder und der Bauernverband nicht für Ziele anderer politscher und möglicherweise extremer Gruppen instrumentalisieren.“ Auch die Blockade von Zeitungen und Pressevertretern „ist nicht unser Mittel des Protestes. Wir stehen auf dem Boden des Grundgesetzes und zu den demokratischen Organen der Gesellschaft.“
Initiator versucht, Privatadresse des Bürgermeisters herauszufinden
Bleibt die Frage, wieso die Gruppe als Vertretung der Landwirte und des Mittelstands auftritt. Initiator Hartmut Jodies betreibt Garten- und Landschaftsbau. Seine Mitstreiter kämen aus allen Bereichen, darunter die Betreiberin eines Nagelstudios, ein ITler, besorgte Bürger, ein Landwirt und eine Mutter. Dass sie eine AfD-Politikerin in ihren Reihen haben, stört sie offensichtlich nicht. „Mit der AfD, den erklärten Feinden unserer Demokratie, demonstriert man nicht. Ich fordere die Organisatoren auf, sich klar von der AfD zu distanzieren und diese auszuladen. Für Rassisten, Rechtsradikale und Feinde der Demokratie darf kein Platz in Trittau sein“, fordert Bürgermeister Mesch. Doch das Gegenteil ist der Fall.
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Mesch berichtet von Anfeindungen und dass Jodies am Freitagmorgen versucht habe, über Mitglieder von Meschs Familie dessen Privatadresse herauszufinden. „Der Bürgermeister lässt sich nicht bedrohen“, stellt er klar. Jens Hoffmann, Fraktionsvorsitzender der Trittauer CDU, ordnet den Auftritt der Gruppe so ein: „Das sind irgendwelche Dusselköppe, die da auf dem Europaplatz herumhampeln.“ Detlef Ziemann (Grüne) sagt: „Wenn unter den Organisatoren auch ein lokal-prominentes AfD-Mitglied ist, passiert es eben schnell, dass die ganze Veranstaltung in einen Ruch gerät, in den sie möglicherweise gar nicht gehört. Das ist aber kein Problem derjenigen, die auf diesen Umstand hinweisen, sondern das der Organisatoren.“
Bei der Kundgebung versammelten sich etwa hundert Menschen auf dem Europaplatz. Als eine Sprecherin verkündet: „Wir als Orgateam haben heute im Laufe des Tages eine Anzeige gegen alles, was in Betracht kommt, gegen den Bürgermeister Oliver Mesch bei der Polizei gemacht“, gibt es viel Beifall von den Umstehenden. Sie fordere von ihm eine öffentliche Entschuldigung „auf demselben Wege, wie er uns gegenüber öffentlichen Rufmord ausgeübt hat“.