Travenbrück. Landwirt Lukas Fröhlich aus Travenbrück beteiligt sich nicht an Aktionen. Weshalb er die Forderungen der Teilnehmer kritisch sieht.

Seit Montag legen Trecker-Kolonnen überall in Deutschland immer wieder den Verkehr lahm, blockieren Autobahnzufahrten und Kreuzungen. Es ist der Protest der Bauern gegen die Sparpolitik der Ampelregierung, die ihnen einen Teil der Subventionen streichen möchte. Die gesamte Branche scheint sich zusammenzuschließen und eine Front gegen die Pläne zu formen.

Doch nicht alle Landwirte stehen hinter den Protesten. Einer, der die Demonstrationen kritisch sieht, ist der Travenbrücker Lukas Fröhlich. Er sagt: „Das Subventionssystem, dessen Erhalt gefordert wird, ist weder nachhaltig noch zukunftsfähig.“ Es begünstige große Betriebe und biete zu wenige Anreize, in eine umweltschonende, tierfreundliche Produktion zu investieren.

Stormarner Landwirtschaftsbetrieb beteiligt sich nicht an Bauernprotesten

Fröhlich leitet den Feldgemüse-Anbau des Kattendorfer Hofs. Der Betrieb mit rund 90 Mitarbeitern an zwei Standorten in Kattendorf (Kreis Segeberg) und im Travenbrücker Ortsteil Neverstaven (Kreis Stormarn) unterhält eine ökologische Landwirtschaft nach Demeter-Richtlinien.

Bewirtschaftet werden 450 Hektar Pachtland. Angebaut werden Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Kleegras zur Verfütterung. Auf dem Hof leben 70 Milchkühe sowie rund 200 Jungrinder und mehr als 200 Schweine für den Mastbetrieb. Außerdem gehört eine eigene Käserei zum Kattendorfer Hof.

Größte Betriebe streichen derzeit das meiste Fördergeld ein

„Derzeit streichen die Betriebe mit dem größten Ertrag das meiste Fördergeld ein“, kritisiert Fröhlich. Anstrengungen im Bereich des Tierwohls und des Umweltschutzes würden finanziell kaum honoriert, so der 33-Jährige, der ein Studium der ökologischen Landwirtschaft absolviert hat. Stattdessen würden Betriebe durch das derzeitige Subventionssystem dazu gedrängt, eine möglichst kostengünstige Massenproduktion aufzubauen.

„Die aktuellen Proteste fokussieren sich auf die steuerliche Förderung des Dieselverbrauchs in der Landwirtschaft. Diese ist für viele Betriebe finanziell betrachtet aktuell hilfreich, ist aber ökologisch widersinnig und langfristig alles andere als nachhaltig“, sagt Bernhard Weßling. Der 72-Jährige aus Jersbek ist einer von drei Geschäftsführern des als Unternehmen mit acht Gesellschaftern organisierten Hofes.

Bundesregierung solle Geld lieber in nachhaltige Transformation investieren

Ein weiteres Problem seien die pauschalen Flächenprämien, welche die Europäische Union an die Landwirte zahlt. „Es gibt kaum Anforderungen, ich bekomme Geld, vollkommen egal, was ich auf der Fläche mache“, so Weßling. Statt für einen Erhalt der Agrardiesel-Subventionierung zu demonstrieren, müsse die Subventionsstruktur insgesamt infrage gestellt werden. „Die Entwicklungen gehen schon seit Jahrzehnten in die falsche Richtung“, sagt der 72-Jährige.

Auch in Stormarn protestieren derzeit die Landwirte. Am Montag startete eine Kolonne mit rund 70 Traktoren in Großensee.
Auch in Stormarn protestieren derzeit die Landwirte. Am Montag startete eine Kolonne mit rund 70 Traktoren in Großensee. © René Soukup | René Soukup

Weßling und Fröhlich sind der Meinung, dass die Bundesregierung das verfügbare Geld lieber in eine nachhaltige Transformation investieren sollte. „Ökologische Landwirtschaft erbringt auch über die Nahrungsmittelerzeugnisse hinaus wertvolle Leistungen für die Gesellschaft“, sagt Weßling.

Nachhaltige Landwirtschaft erbringt Dienstleistung für Gesellschaft

Durch den Verzicht auf chemischen Dünger würden etwa das Grundwasser geschützt und Kosten bei der Abwasseraufbereitung gespart. Das Weglassen von Pestiziden und Anlegen von Blühstreifen helfe nicht nur den Insekten, sondern auch den Obst- und Gemüsepflanzen, die von diesen bestäubt werden.

„Wir erbringen für die Gesellschaft eine Dienstleistung, die uns keiner bezahlt“, sagt Weßling. Die kommerzielle Landwirtschaft arbeite hingegen, indem sie Kosten externalisiere. „Der Betrieb arbeitet möglichst kostengünstig, während der Gesellschaft hohe Folgekosten entstehen“, so der Geschäftsführer.

Weßling beziffert Summe der Nachhaltigkeitsleistungen auf 800.000 Euro

Um den Wert der Leistungen zu ermitteln, die der Kattendorfer Hof im Bereich des Ressourcenschutzes erbringt, hat der Betrieb einen externen Dienstleister beauftragt. Anhand von mehreren Hundert Kennzahlen sei eine Summe von 800.000 Euro im Wirtschaftsjahr von Juli 2021 bis Juni 2022 berechnet worden, so Weßling. Das Verfahren, das Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Landwirten erarbeitet haben, wird vom Bundeszentrum für Ernährung empfohlen, um den Wert von Nachhaltigkeitsleistungen in der Agrarwirtschaft zu bestimmen.

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„Diese Leistungen spiegeln sich in den Lebensmittelpreisen praktisch gar nicht wider und werden durch öffentliche Förderung nur in geringem Umfang honoriert“, sagt Landwirt Lukas Fröhlich. Statt jedoch für einen Ausbau der Subventionen für Nachhaltigkeitsmaßnahmen einzutreten, nutze der Bauernverband die aktuellen Proteste für Forderungen nach einer Lockerung der Umwelt- und Tierwohlstandards.

Lukas Fröhlich kann den Frust vieler Bauern nachvollziehen

„Das sind Forderungen vor allem der großindustriellen Landwirtschaft, der Protest der kleinen Bauern wird so funktionalisiert“, meint Weßling. Der Bauernverband sei jahrzehntelang als Verfechter einer Massenproduktion aufgetreten und präsentiere sich nun als Stimme der kleinen Betriebe.

Dennoch könne er den Frust vieler Landwirte nachvollziehen, betont Lukas Fröhlich. Geld, mit dem die Bauern gerechnet hätten, solle nun plötzlich wegfallen. „Die Kommunikation der Bundesregierung war sicherlich ungünstig“, sagt der 33-Jährige. „Landwirtschaft muss sich lohnen“, so Fröhlich. Für Betriebe, die ökologisch wirtschaften wollten, sei das aktuell nicht immer der Fall. „Wir sind alle Idealisten, brauchen aber gezielte Unterstützung, damit Dinge umgesetzt werden können.“

Hof finanziert sich durch Solidarische Landwirtschaft und Direktvertrieb

Der Kattendorfer Hof finanziert sich derzeit vor allem über das Modell der sogenannten Solidarischen Landwirtschaft (Solawi). Dabei erwerben Vereinsmitglieder zu Beginn einer Saison Ernteanteile, ohne zu wissen, welche Erzeugnisse in welcher Menge sie letztlich bekommen. Dadurch erhält der Landwirt wirtschaftliche Sicherheit. Rund 1000 zahlende Mitglieder hat die Solawi aktuell.

Diese und der Direktvertrieb in sieben hofeigenen Läden ermögliche es dem Betrieb, trotz Mehrkosten im Bereich Ökologie wirtschaftlich zu arbeiten. Das, so gibt Weßling zu, sei aber kein Modell für die Versorgung der breiten Gesellschaft. Er appelliert: Statt für eine Beibehaltung des derzeitigen Subventionssystems sollten die Landwirte lieber für eine Reformierung eintreten. Doch auch die Politik sieht der 72-Jährige in der Pflicht: „Die Bundesregierung muss die Landwirtschaft fordern, aber auch selbst liefern.“