Glinde. Komplex am Tannenweg mit Mensa kostet knapp elf Millionen Euro. Wann der Generalunternehmer das Projekt endlich abschließen will.
Vor dem Haupteingang des mit einem Gerüst ummantelten Gebäudes sind vier Tankbehälter positioniert, die zwei nebenstehende Bauheizungen mit Öl versorgen. Durch gelbe Luftschläuche gelangt Wärme in das Objekt. Dort tummeln sich an diesem Morgen 30 Arbeiter auf zwei Ebenen. Überall sind Kabel zu sehen, Abhangdecken und Türen fehlen. Es gibt noch einiges zu tun. „Rund 65 Prozent sind bislang geschafft“, sagt Bauleiter Matthias Strangalies. Klingt erstmal nach viel, ist aber zu wenig gemessen an dem, wie weit man sein wollte beim neuen Komplex der Grundschule Tannenweg mit Mensa in Glinde. Das Projekt kostet knapp elf Millionen Euro und verzögert sich nicht zum ersten Mal. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass Jungen und Mädchen direkt nach den Sommerferien hier unterrichtet und mit einer warmen Mahlzeit versorgt werden.
Zuletzt war die Stadtverwaltung von einer Vollendung im Mai ausgegangen. „Laut dem Generalunternehmer gab es Probleme, Subunternehmen für die Bereiche Sanitär und Heizung zu finden“, sagt Bauamtsleiterin Fruzsina Ascherl über den Grund des erneuten Aufschubs. Sie ist mindestens einmal pro Woche auf der Baustelle und macht sich ein Bild vom Geschehen. Zur Seite steht ihr dabei der zuständige Architekt Jan Hage. Der berichtet von einem zugesagten Fertigstellungstermin Mitte August. Schließlich benötigt es auch noch einige Tage, um das Mobiliar aufzustellen. Anfang September beginnt das neue Schuljahr. Sollte der Stichtag nicht eingehalten werden, muss die Firma August Reiners mit Sitz in Bremen eine Strafe an Glinde zahlen. Das ist Bestandteil des Vertrags.
Flachdach ist mit 30 Zentimeter dickem Schaumglas gedämmt
Die Bildungseinrichtung, an der momenten 379 Erst- bis Viertklässler lernen, wurde 1939 eröffnet. Der zweigeschossige Erweiterungsbau ohne Keller ist 1930 Quadratmeter groß und in sandfarbenem Klinker gehalten. Ebenerdig befindet sich die Mensa mit Platz für 250 Personen. Die wird auch als Saal für Aufführungen genutzt. Dafür schafft sich Glinde eine mobile Bühne an. Das Obergeschoss ist neben einer Innen- auch durch zwei Außentreppen, über Balkone sowie per Fahrstuhl zu erreichen. Die Immobilie beinhaltet zehn Klassen- und fünf Differenzierungszimmer.
Der Vorplatz ist inzwischen gepflastert, ein Teil des Flachdachs vollendet. Zur Dämmung wird Schaumglas verwendet. Die Schicht ist im Schnitt 30 Zentimeter dick, die einzelnen Platten sind fest verklebt mit Bitumen. „Das Material aus Altglas ist extrem stabil und lässt kein Wasser durch“, sagt Hage. Der Hersteller habe eine Garantie über 25 Jahre ausgestellt. Die Fläche, von der man über ganze Straßenzüge blicken kann, wird begrünt und mit 120 Solarmodulen ausgestattet. Das Gebäude hat die Effizienzhaus-Stufe 40. Der Bund unterstützt mit 950.000 Euro.
Glinde hatte eine Menge Ärger mit dem Generalunternehmen
Im Dach sind diverse Fenster integriert, sie haben mitunter einen 1,80-Meter-Durchmesser. Das bringt reichlich Helligkeit vor allem in den Flur. Auf der Hinterseite des Gebäudes Richtung der separaten Turnhalle ist auch schon gegraben worden für ein zweites Projekt, das nach Angaben der Bauamtschefin Ende 2025 finalisiert sein soll: die Umgestaltung des angrenzenden Sportplatzes. Hierfür sind 2,2 Millionen Euro veranschlagt, eine Million steuert der Bund bei. Neben einem novellierten Hauptplatz sind zwei kleine Multifunktionsspielfelder geplant. Seilparcours, Reck, Schaukel und Trampoline bieten alternative Bewegungsmöglichkeiten. Eine Tartanbahn in Wellenform umrundet Geräte und Felder.
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Den Schulbau hatte die Politik im November 2019 beschlossen und 7,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zu diesem Preis war es jedoch nicht zu machen. Die Firma August Reiners unterbreitete das beste Angebot mit einem Volumen von 9,3 Millionen Euro und erhielt den Zuschlag. Im Februar 2022 bewilligte das Stadtparlament die zusätzlichen Mittel. Also alles paletti? Von wegen. Der Generalunternehmer zögerte mit der Vertragsunterschrift. Steigende Materialkosten wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine würden es unmöglich machen, den Bau zu den angebotenen Konditionen umzusetzen, argumentierte die Firma. Die Kommune legte im März nach: immerhin 431.000 Euro. Drei Monate später war Baustart.
Personal auf der Baustelle wird aufgestockt auf 40 Kräfte
Die Arbeiten gingen allerdings nur schleppend voran, die Stadtverwaltung verschob den Fertigstellungstermin mehrmals. Zwischen Glinde und August Reiners knallte es gewaltig, Juristen wurden eingeschaltet. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, die Firma habe Mitarbeiter bewusst abgezogen, um den Prozess zu verlangsamen und Glinde unter Druck zu setzen, weiteres Geld locker zu machen. In einem Rathaus-Dokument aus 2023 ist von vielen Gesprächen die Rede und von Drohungen des Generalunternehmens, die Bautätigkeiten einzustellen. Einen Fragen-Katalog dieser Redaktion ließ August Reiners im vergangenen Juni unbeantwortet.
Das Unternehmen bekam zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich seinen Willen. Der Bauausschuss stimmte hinter verschlossenen Türen für eine Budget-Erhöhung um rund 1,1 Millionen Euro. Natürlich hatte sich Bürgermeister Rainhard Zug vorher über mögliche Folgen einer Kündigung des Vertrags vonseiten der Stadt informiert. Ein Anwaltsbüro riet davon ab. Schadensersatzforderungen wären unkalkulierbar und die Baukosten mit einem neuen Partner eventuell noch höher als mit August Reiners gewesen. Insofern mussten die Parteienvertreter in den sauren Apfel beißen. Berechtigte Hoffnung, dass es jetzt zumindest eine Punktlandung wird zum neuen Schuljahr, macht diese Aussage des Bauleiters: „Bald werden hier 40 Handwerker arbeiten.“