Glinde. Umbau des naturwissenschaftlichen Bereichs im Schulzentrum Glinde ist abgeschlossen. Warum in den neuen Räumen trotzdem niemand lernt.
Schick und modern sieht er jetzt aus, der naturwissenschaftliche Bereich für die Fächer Biologie, Chemie und Physik im Glinder Schulzentrum am Oher Weg. Das Inventar ist vom Feinsten, die digitalen Tafeln glänzen. Gebrauchsspuren? Fehlanzeige. In diversen Räumen sind die Stühle kopfüber auf den Tischen positioniert am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr, Jungen und Mädchen nicht zu sehen. Eigentlich sollten sie hier nach den Sommerferien unterrichtet werden, nachdem Umbau und Sanierung abgeschlossen waren. Doch der Einzug verzögert sich. Der Abschnitt ist nicht freigegeben. Es geht um Brandschutz und fehlende Dokumente. Die Kommunalpolitik ist verärgert, Bürgermeister Rainhard Zug macht nun richtig Alarm.
Schon seit zweieinhalb Jahren können die Schüler keine Experimente mehr machen, für die zum Beispiel ein Gashahn vorhanden sein muss. Denn im Sommer 2021 hatten die Abrissarbeiten begonnen. Danach wurde die Ausführungsplanung angegangen. Im vorvergangenen August startete der Wiederaufbau. Dass die geplante Fertigstellung in diesem Mai nicht gelang, hatte mehrere Gründe: Die technische Gebäudeausstattung musste ob fehlender Angebote von Firmen mehrmals ausgeschrieben werden, es gab Probleme bei der Materialbeschaffung. Komplette Handwerkerkolonnen fielen zudem wegen einer Infektion mit dem Coronavirus aus.
Bürgermeister kündigt Krisentreff mit Architekt und Brandschutzingenieur an
Vor drei Monaten war dann schließlich alles vorbereitet für die Aufnahme des Unterrichts. „Technisch sind die Räume nutzbar“, sagt Taisija Tissen, Projektleiterin von der Stadtverwaltung. „Allerdings steht die Stellungnahme des von uns beauftragten Brandschutzingenieurs noch aus.“ Diese benötige wiederum der vom Kreis eingesetzte Prüfingenieur, der für die Freigabe zuständig sei. „Unserem Brandschutzexperten fehlen Nachweise von Firmen, also Dokumente, die der Architekt sammeln und weiterreichen muss“, berichtet Tissen. Es habe sich bereits herausgestellt, dass ein Schutzvorhang nicht die Anforderungen erfülle und ausgetauscht werden müsse.
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Im jüngsten Bauausschuss berichtete sie den Parteienvertretern vom Dilemma. Die schüttelten ungläubig den Kopf. Matthias Sacher (CDU) brachte die Mitteilung vollends auf die Palme. In seiner Erregung forderte er von Bürgermeister Rainhard Zug: „Nehmen Sie den auseinander oder machen Sie was.“ Er meinte damit den Architekten. Marlies Kröpke, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, äußerte sich gegenüber dieser Redaktion im Nachgang der Sitzung: „Alle sind erbost, so kann es nicht gehen. Wenn wir gewusst hätten, dass es sich dermaßen in die Länge zieht, hätten wir Container aufgestellt. Die Jugendlichen müssen mit der richtigen Ausrüstung in den jeweiligen Fächern unterrichtet werden.“ Glindes Verwaltungschef ist mit seiner Geduld am Ende. Er kündigte ein Krisengespräch mit allen Beteiligten binnen 14 Tagen an. Zug: „Ich werde massiven Druck ausüben und mit Schadenersatz drohen.“
Der offene Lernbereich hat Lounge-Charakter
Am Glinder Schulzentrum lernen 1248 Kinder und Jugendliche. 542 davon besuchen die Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule ohne Oberstufe, 706 das Gymnasium. Für das Bauprojekt mussten zwei Raumkonzepte zusammengebracht werden. Rund 1600 Quadratmeter umfasst der Umbau. Ein Hingucker ist der offene Lernbereich mit Lounge-Charakter. Mehrere blaue Sofas für zwei Personen mit einer Rückenlehne, die weit über den Kopf hinausragt in Sitzposition, sind hier platziert. Davor steht ein orangefarbenes Modell mit Platz für mindestens drei Menschen. Nebenan befindet sich das sogenannte Zimmer mit Sammlungen. Am Eingang blickt man auf drei Skelette aus Kunststoff für den Biologie-Unterricht. Der frühere Hörsaal mit massiver Treppe ist einer Bibliothek gewichen.
Vier Millionen Euro kostet die Modernisierung, bei der aus zehn Räumen 17 gemacht wurden. Alle Leitungen, die Heizungen samt Lüftungsanlagen sind ausgewechselt. Das Land steuert 1,7 Millionen Euro aus dem Förderprogramm mit dem Namen Impuls 2030 bei.
Streit mit Generalunternehmen bei anderem Schulbauprojekt
Mit Bauprojekten an Lehranstalten hat Glinde derzeit Pech. Auch bei der Erweiterung der Grundschule Tannenweg kommt es zu Verzögerungen – und es gab Zoff. An dem Standort entsteht ein zweigeschossiger 1930-Quadratmeter-Komplex mit Mensa samt Küche, zusätzlichen Horträumen, zehn Klassen- und fünf Differenzierungszimmern. Der Baubeginn war erst im Juni 2022 und damit zehn Monate später als geplant. Das ursprünglich veranschlagte Budget in Höhe von 7,6 ist inzwischen auf 10,8 Millionen Euro gewachsen.
Wie berichtet, hatte die Stadt heftig mit dem Generalunternehmer ums Geld gestritten, der immer wieder mehr forderte. Juristen waren eingeschaltet. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, die Firma habe Mitarbeiter bewusst abgezogen, um den Prozess zu verlangsamen und Glinde unter Druck zu setzen. Das von der Verwaltung beauftragte Anwaltsbüro riet der Kommune davon ab, dem Partner zu kündigen und sich einen neuen zu suchen. Ein Grund: Im schlimmsten Fall würden bereits erhaltene Fördermittel entfallen. Die Politik erhöhte schließlich Mitte dieses Jahres den Etat, seitdem herrscht Burgfrieden. Im Mai kommenden Jahres soll das Projekt abgeschlossen sein. Glinde hat eine Reserve geschaffen, mit der ein Rechtsanwalt bezahlt werden kann bei weiteren Streitigkeiten. Derzeit ist der Jurist aus der Nummer raus. „Ich bin weit entfernt zu sagen, dass es morgen nicht anders ist“, so Bürgermeister Zug.