Barsbüttel. Nico Lemke sammelt Unterschriften, um für die Wahl am 9. Juni zugelassen zu werden. Mit welchen Themen er bei den Bürgern punkten will.
Er bezeichnet sich als Paradiesvogel, sagt, das Leben sei bunt. Das ist Nico Lemke auch anzusehen. Die Fingernägel einer Hand sind magentafarben lackiert, die der anderen in einem etwas dunkleren Ton. Zudem trägt der 36-Jährige zwei unterschiedliche Socken Heute sind sie hellbraun und schwarz. Der Student war vier Jahre Mitglied der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), stand bei der Landtagswahl 2021 in Mecklenburg-Vorpommern auf Listenplatz drei. Inzwischen ist der Rostocker ausgetreten, „weil es als Bürgermeister besser ist, keiner Partei anzugehören“, erklärt der Mann mit den zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren. Er will Verwaltungschef in Barsbüttel werden und Amtsinhaber Thomas Schreitmüller verdrängen.
Das Wahl ist am Sonntag, 9. Juni. Ob Lemke zugelassen wird, ist keineswegs gewiss. Er muss 115 Unterschriften sammeln von wahlberechtigten Barsbüttelern und seine Dokumente bis spätestens 15. April um 18 Uhr im Rathaus einreichen. Das betrifft Bewerber, die von keiner Partei nominiert werden. 30 Signaturen hat der Naturfreund bislang gesammelt. Um die erforderliche Zahl zu erreichen, ist er jetzt häufiger vor Ort und spricht die Menschen zum Beispiel am Nahversorgungszentrum an der Straße Am Akku an. In dieser Zeit übernachtet Lemke bei seiner Mutter und dem Stiefvater, die in der Gemeinde leben.
Als Jugendlicher war Lemke in der Showband 2000 aktiv
Im Alter von sieben Jahren zog er mit der Familie von Hamburg nach Barsbüttel. Lemke hat noch einen jüngeren Bruder, besuchte die Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule und verließ diese mit dem Hauptschulabschluss. Als Jugendlicher spielte er im Musikzug mit dem Namen Showband 2000 diverse Schlagwerk-Instrumente und verbrachte seine Freizeit beim Skaten. „Ich habe mich schon damals für Politik interessiert, außerdem eingesetzt für einen Bolzplatz.“ Lemke berichtet diesbezüglich von seiner Unterschriftenaktion. „Ein Landwirt hat dann auch eine Fläche zur Verfügung gestellt, die Gemeinde daraufhin Tore errichtet und die Pflege übernommen.“
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Nach einer kaufmännischen Ausbildung zum Fachmann für Systemgastronomie bei einer Bäckerei-Kette blieb er im Betrieb und arbeitete für diesen auch in Rostock, wo Lemke seit 2015 lebt. Mit seiner Verlobten (35) hat er eine inzwischen sechs Jahre alte Tochter, die im Sommer eingeschult wird. Der Grund für den Ortswechsel? „Ich musste mein Umfeld verlassen, um mich weiterentwickeln zu können.“ Zwischendurch lebte der gebürtige Hamburger sechs Wochen in Dresden, hatte dort eine Wohnung für sechs Monate gemietet zwecks Fortbildung zum Fachwirt im Gastgewerbe. Der Lehrgang sei zwei Tage vor dem geplanten Beginn abgesagt worden, einen weiteren Versuch der Teilnahme unternahm er nicht und wechselte schließlich den Job: Die Tätigkeit als Call-Center-Agent sicherte das Einkommen.
Der 36-Jährige nutzt den ÖPNV und fährt viel Fahrrad
Das Unternehmen hat Lemke verlassen und absolviert seit einem Monat ein Fernstudium zum Psychotherapeuten. Die Bildungseinrichtung hat ihren Sitz in Darmstadt. Der Lernstoff bereitet ihn auf die amtsärztliche Prüfung im Bereich Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz vor. In dieser Branche will er Fuß fassen, sollte es mit dem Bürgermeisterposten nicht klappen.
Momentan widmet Lemke viel Zeit dem Ehrenamt, ist nach eigenen Aussagen bis zu 35 Stunden pro Woche im Jugendalternativzentrum Rostock aktiv. Der Verein hat zum Beispiel eine Töpferwerkstatt. Er selbst organisiert auch Veranstaltungen, fuhr am Mittwoch zurück in die an der Ostsee gelegene Hansestadt, weil im JAZ „Küche für alle“ auf dem Programm stand. Übrigens mit der Bahn. Ein Auto besitzt er nicht. Dafür ein Renn-, ein Trekking- sowie ein altes Klapprad. Mit Letzterem besteigt Lemke Züge und Busse. Bei der Fortbewegung ist er in Sachen Klimaschutz vorbildlich.
In Barsbüttel besuchte der Student den Neujahrsempfang, unterhielt sich dort mit Fraktionsspitzen von SPD sowie Grünen und setzte sie von seinen Ambitionen in Kenntnis. Für den Fall, dass sein Wunsch in Erfüllung geht, muss er mit ihnen eng zusammenarbeiten. Nicht zu vernachlässigen sind Qualitäten in der Personalführung. Als Bürgermeister von Barsbüttel ist man Chef von mehr als 230 Verwaltungsangestellten. Lemke strotzt vor Selbstbewusstsein, sagt ganz allgemein: „Ich stelle mich gern Herausforderungen, bewältige diese in der Regel.“
Thomas Schreitmüller ist seit Januar 2007 Barsbüttels Bürgermeister
Oberstes Ziel als Verwaltungschef wäre für ihn der Schuldenabbau, sagt der Rostocker. Wie das funktionieren soll bei den anstehenden großen Bauprojekten, verrät Lemke noch nicht. Nur so viel: Er habe Lösungsansätze, will aber vermeiden, dass andere, die am Bürgermeisterposten interessiert sind, diese kopieren. Gewiss möchten die Bürger mehr Details wissen. Ohne deren Zuneigung kann er sich seinen Traum abschminken. Ein weiteres Vorhaben wäre die Stärkung des Ehrenamts, sagt der Mann. Er würde dafür sogar einen Teil seines Gehalts spenden, um mehr Anreize zu schaffen. Über Amtsinhaber Schreitmüller verliert Lemke kein schlechtes Wort: „Ich möchte ihn nicht kritisieren, bin kein Typ für sowas.“
Der aktuelle Bürgermeister kandidiert erneut und wird dabei von CDU, Wählergemeinschaft BfB und den Grünen unterstützt. Schreitmüller steht seit Januar 2007 an der Spitze der Verwaltung. Beim Votum 2006 setzte er sich gegen drei Kandidaten durch, schlug in der Stichwahl Vorgänger Arno Kowalski. Die Abstimmungen 2012 und 2018 waren ein Selbstgänger wegen fehlender Konkurrenz, 90,8 sowie 92,8 Prozent der Stimmen ein deutlicher Vertrauensbeweis. Wollen Schreitmüllers Job neben Lemke auch andere Personen? Im Rathaus sind bislang keine Bewerbungsunterlagen eingegangen. Das bestätigte Anke Stiefenhofer, Fachbereichsleiterin Zentrale Dienste und Bürgerbüro, dieser Redaktion.