Bad Oldesloe. Auch im zweiten Anlauf findet sich keine Mehrheit für das Vorhaben. Warum die Umfrage ein vernichtendes Urteil bedeutet.

Prognosen zufolge müssten bis 2030 in jedem Jahr deutlich mehr als 1000 neue Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf in Stormarn annähernd zu decken. 2022 waren es tatsächlich 1131, von denen 480 jedoch auf Ein- und Zweifamilienhäuser entfielen. Doch gerade im Segment bezahlbares Wohnen entstehen nach wie vor viel zu wenige Einheiten. Deshalb warben vor allem Grüne und SPD im Vorjahr vehement für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (WBG) auf Kreisebene. Der Wirtschaftsausschuss des Kreistags beauftragte die Kreisverwaltung schließlich mit einer Umfrage unter den Städten und Gemeinden, inwieweit sie sich beteiligen würden. Nun liegt das Ergebnis vor – das den Initiatoren kaum gefallen dürfte.

Nur 23 der 55 Kommunen haben sich beteiligt

„Nur 23 von 55 Kommunen haben fristgemäß bis Ende Dezember geantwortet. Und von den 23 signalisierten nur vier ein ernsthaftes Interesse, sich an der Wohnungsbaugesellschaft zu beteiligen“, beschrieb Thorsten Kuhlwein vom Fachdienst Planung und Verkehr das ernüchternde Resultat der Umfrage.

Das Erfordernis, durch eine WBG rasch zu mehr bezahlbarem Wohnraum zu kommen, sahen immerhin noch neun Kommunen. Gesellschafter wollten allerdings nur vier werden, und zwar die Stadt Glinde, sowie die Gemeinden Barsbüttel, Oststeinbek und Bargfeld-Stegen. Als problematisch bewerteten viele Kommunen vor allem das Ausfall- und Insolvenzrisiko einer solchen Gesellschaft und die Tatsache, dass trotz einer finanziellen Beteiligung neuer Wohnraum womöglich nicht prioritär im eigenen Gebiet entsteht, sondern anderswo.

Die drei größten Städte gaben gar kein Votum ab

Dass nicht einmal die drei einwohnerstärksten Stormarner Städte Ahrensburg (34.105 Einwohner), Reinbek (28.245) und Bad Oldesloe (24.738) ein Votum abgaben, die wegen ihrer Flächenpotenziale aber besonders relevant für das Vorhaben gewesen wären, macht das Ergebnis umso eindeutiger.

„Mich überrascht der Ausgang der Befragung nicht“, sagte Landrat Henning Görtz dieser Redaktion. Er habe bereits im Vorfeld viele Gespräche zum Thema geführt, in denen immer wieder deutliche Skepsis geäußert worden sei. „Zumal die Bereitstellung von Grundstücken und das Baurecht ohnehin Sache der Kommunen sind“, so Görtz.

Erfolgreiche Bauprojekte in Barsbüttel und Bargteheide

Dass es auch ohne eine kreisweite Wohnungsbaugesellschaft ginge, hätten zuletzt überaus erfolgreiche Bauprojekte in Barsbüttel und Bargteheide gezeigt. Unterdessen bleibe mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen eine vordringliche Aufgabe aller Kommunen. „Insofern sind jetzt alle in der Pflicht, entsprechende Vorhaben allein voranzubringen“, fordert Görtz.

Bestätigt sehen sich durch den Ausgang der Befragung unterdessen auch CDU und FDP. „Da sich immerhin 23 von 55 Kommunen beteiligt haben, ist das Ergebnis für mich repräsentativ“, sagt Christdemokrat Wolfgang Gerstand, Vorsitzender des Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschusses. Der Rest habe durch ausgebliebene Rückmeldungen Ablehnung signalisiert.

Beschäftigungsgesellschaft endete in einem Desaster

Aus rein kaufmännischen Erwägungen und einer entsprechenden Risikobewertung heraus, könne er das Ergebnis nur begrüßen. Die dem „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ angeschlossenen Wohnungsbauunternehmen könnten die Aufgabe besser und kostengünstiger umsetzen, ohne finanzielle Risiken für den Kreis und die Kommunen.

„Ich habe noch immer die Abwicklung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQS) im Hinterkopf, die mit erheblichen finanziellen Folgen für den Kreis desaströs endete“, erklärt Gerstand. Zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen war die BQS 1995 auf Drängen der SPD gegründet worden, bis sich der Kreis als Hauptanteilseigner 2011 zurückzog.

Sabine Rautenberg: „Hier wurde eine Chance vertan“

„Offensichtlich hat die große Mehrheit der Kommunen im Gegensatz zu SPD und Grünen keine Notwendigkeit für eine Wohnungsbaugesellschaft auf Kreisebene gesehen, das ist mit der Umfrage deutlich geworden“, kommentierte FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi. Das Problem der fehlenden Baugrundstücke hätte man durch die WBG auch nicht beheben können, dafür wäre man aber ein gemeinschaftliches Haftungsrisiko eingegangen.

Sabine Rautenberg, Fraktionschefin der Grünen, sieht in der erneut gescheiterten Gründung der Wohnungsbaugesellschaft nach 2017 indes eine „vertane Chance“. Positiv sei immerhin, dass darüber in den zuständigen Gremien der Kommunen auf „breiter Basis“ diskutiert wurde. „Wir bleiben aber dabei, dass bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums nicht nur auf die Kräfte des freien Markts vertraut werden darf“, beharrt Rautenberg.

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Zumal aus ihrer Sicht irrationale Risiken befürchtet worden seien, die sie so nicht sehen könne. Eine Wohnungsbaugesellschaft könne nicht mal eben pleitegehen. „Andererseits wird es nun auch keinen Transfer von Know-how geben, wie er sich bei der 2017 gegründeten kommunalen Wohnungsbaugesellschaft im Kreis Harburg bewährt habe“, sagt Rautenberg. Dort seien im Laufe der Zeit verschiedene Haustypen entwickelt worden, die deutlich kostengünstiger je nach Größe der Grundstücke gebaut würden.

Der erste Vorstoß der Grünen hatte 2017 zur Gründung des „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ geführt unter Beteiligung des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) sowie elf Wohnungsbaugenossenschaften und -unternehmen. „Wir werden die Entwicklung auch jetzt weiter im Blick behalten“, verspricht Sabine Rautenberg. Das Marktumfeld sei durch den Fachkräftemangel und die stark gestiegenen Baukosten weiter schwierig, da hätte eine kommunale WBG durchaus hilfreich sein können. „Aber manchmal brauchen die Dinge halt einfach Zeit. Deshalb gebe ich die Hoffnung nicht auf“, so die Frontfrau der Grünen im Kreistag.