Ahrensburg. Wer in Stormarn bezahlbaren Wohnraum sucht, hat kaum eine Chance. Kann ein Modell aus dem Landkreis Harburg helfen? Die Details.
Kann eine kommunale Wohnungsgesellschaft helfen, in Stormarn bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Die Stormarner Grünen fordern zur Bekämpfung der akuten Wohnungsnot die Gründung einer solchen kommunalen Wohnungsgesellschaft im Kreis und hatten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Etwa 40 Interessierte waren der Einladung gefolgt.
Unter Moderation vom Finanzausschussvorsitzendem im Kreis Stefan Kehl (Grüne) diskutierten Gastgeberin und Fraktionsvorsitzende Sabine Rautenberg (Grüne), Stormarns Landrat Henning Görtz, Christoph Kostka, Geschäftsführer beim Landesverband Norddeutscher Wohnungsunternehmen Schleswig-Holstein, Kai Uffelmann, Erster Kreisrat des Landkreises Harburg, und Wolfgang Krause, Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Harburg. In Harburg nämlich wurde vor einigen Jahren unter vergleichbaren Bedingungen eine kommunale Wohnungsgesellschaft gegründet. Die Gäste berichteten von ihren Erfahrungen.
Um den Bedarf zu decken, müssten pro Jahr 1000 Wohnungen geschaffen werden
Dass Handlungsbedarf besteht, darin waren sich alle Beteiligten einig. „Um den Bedarf zu decken, müssten in Stormarn jedes Jahr 1000 zusätzliche Wohnungen geschaffen werden“, so Landrat Görtz. Das sind 10.000 Wohnungen in den nächsten zehn Jahren. Denn: „Die Bevölkerung in Stormarn wird in den kommenden Jahren weiter wachsen“, sagte der Chef der Kreisverwaltung. Derzeit leben rund 245.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Kreis. Laut einem aktuellen Gutachten aus dem Jahr 2022 wird die Zahl bis 2030 unter Berücksichtigung der Zuwanderung um 7000 auf 252.000 Menschen ansteigen. „Wir müssen also davon ausgehen, dass auch der Wohnraumbedarf wächst“, so Görtz.
Aber: Nicht nur die blanke Zahl, sondern auch die Art der Wohnungen müsse berücksichtig werden. Es seien weniger Einfamilienhäuser und eher kleinere, bezahlbare Wohnungen zum Beispiel für Alleinstehende und Senioren gefragt. Denn: „Die Menschen werden älter, und die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab“, so Görtz. Doch wo sollen all die Wohnungen herkommen? Das steht noch in den Sternen. „Die Zahlen zeigen, wie dramatisch die Situation ist“, sagte der Landrat. Zudem würden mehrere Faktoren den Wohnungsbau hemmen – hohe Baukosten, gestiegene Zinsen und Flächenknappheit. Görtz: „Wohnraum, Gewerbe, Naturschutz und Verkehrsinfrastruktur – für all das muss Platz sein.“ Ein möglicher Lösungsansatz: Mehr auf Geschossbau als etwa auf frei stehende Häuser setzen.
Sabine Rautenberg: Kommunale Wohnungsgesellschaft hat Vorteile
Die Flächenknappheit sei vorhanden, egal wer baue, gab Sabine Rautenberg zu bedenken. Doch eine kommunale Wohnungsgesellschaft biete mehrere Vorteile, so die Grünen-Politikerin: „Es ist eine Nachhaltigkeit gegeben. Außerdem besteht die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Es ist geregelt, wie hoch die Mieten sind und an wen vermietet wird.“ So seien auch soziale Herausforderungen besser zu bewältigen. Rautenberg: „Aktuell haben Geflüchtete keine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt, und sie kommen nicht aus den Unterkünften raus. Wohnungen, die auf den Markt kommen, sind sofort wieder weg.“
Dieses Problem treffe nicht nur Geflüchtete, sondern alle Menschen, die Wohnungen suchen. Finden sie diese nicht, habe das Konsequenzen, so Rautenberg weiter. „Das Thema betrifft auch den Fachkräftemangel, es ist also ein handfestes wirtschaftliches Thema. Wir brauchen dringend Fachkräfte, aber dafür müssen diese in Stormarn bezahlbaren Wohnraum finden.“ Anderenfalls könne es passieren, dass beispielsweise dringend benötige Erzieherinnen und Erzieher oder auch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren den Kreis verließen.
Im Landkreis Harburg wurde 2017 eine Wohnungsbaugesellschaft gegründet
Ob eine kommunale Wohnungsgesellschaft Abhilfe schaffen könnte, davon berichteten die Gäste aus dem Landkreis Harburg, wo 2017 eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft gegründet wurde. „Es war ein sehr intensiver Prozess, bei dem viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss“, so Wolfgang Krause. Zudem gehe es um viel Geld, das investiert werden müsse. Einnahmen bringe eine Wohnungsgesellschaft zwar auch, aber nicht am Anfang, machte Kai Uffelmann deutlich. Trotz Herausforderungen in der Baubranche agiere die Wohnungsbaugesellschaft erfolgreich. Das Unternehmen mit Sitz in Winsen/Luhe erwirbt Grundstücke, entwickelt Projekte und vermietet die eigenen Objekte langfristig.
Das wäre auch das Ziel einer Wohnungsgesellschaft in Stormarn. Seit Jahren ist die Gründung eines solchen Unternehmens immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte. 2018 wurde das Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen gegründet, dem sich 36 kreisangehörige Städte und Gemeinden, Wohnbauverbände und Wohnungsunternehmen anschlossen. „Das Bündnis ist richtig, aber die Frage ist, ob es ausreichend ist“, so Görtz. „Denn es kann nicht mehr sein als der Ausdruck einer gemeinsamen Haltung.“ Der Landrat selbst wollte sich auf der Veranstaltung weder für noch gegen eine kommunale Wohnungsgesellschaft aussprechen. Görtz: „Das muss die Politik entscheiden.“
- Unfall in Oststeinbek: Völlig betrunkener Autofahrer sorgt für Stromausfall
- Kommunalwahl Stormarn: „Verhältnisse wie in einer Bananenrepublik“?
- Wohnungsnot: 219 Sozialwohnungen in Reinbek – wo diese entstehen könnten
Sie wäre allerdings, gab Görtz zu bedenken, die Verständigung über ein gemeinsames Ziel. Und das brauche es auch. Denn: „Die Gegner von Wohnprojekten haben eine viel größere Lobby als Wohnungssuchende“, sagte der Landrat. Schon häufig sei es vorgekommen, dass sich gegen Bauvorhaben Bürgerinitiativen gegründet und Stadtvertreter letztlich gegen Projekte gestimmt haben, „frei nach dem Motto: Bezahlbarer Wohnraum ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür“, so Görtz. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssten Kommunen auch bereit sein, Gegenwind in Kauf zu nehmen. Eine kommunale Wohnungsgesellschaft könnte ein geeignetes Instrument gegen die Wohnungsnot sein. Ob die Stormarner Kommunen das auch so sehen und an der Gründung Interesse hätten, soll zeitnah abgefragt werden, so Görtz weiter. Die Gäste aus Harburg sagten zu, bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.