Glinde. Glinder Bürgerinitiative setzt sich für ein Tempolimit ein. Warum es keine offizielle Begrenzung der Geschwindigkeit gibt.
Es ist ein gewohntes Bild an diesem Morgen gegen 9 Uhr am Papendieker Redder in Glinde: Ein BMW sowie ein Mercedes direkt dahinter brettern die Straße entlang Richtung Barsbüttel und überschreiten dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um einiges. Anwohner bemängeln derartiges Fehlverhalten seit Langem und fordern auf einem rund einen Kilometer langen Abschnitt Tempo 30.Sie haben eine Bürgerinitiative gegründet, in der 117 Haushalte organisiert sind. Mit dem Ansinnen kommt die Gruppe nicht durch, ihren Antrag hat die Stadtverwaltung abgelehnt. Widerspruch wurde eingelegt, die Antwort steht aus. Sprecher Peter Berndt und Mitstreiter sind jetzt selbst aktiv geworden und haben sechs Schilder an Laternenmasten angebracht.
Sie sind in Rot gehalten mit weißer Schrift. Auf ihnen steht „Freiwillig wegen uns!“, zwei Kinder beim Ballspielen sind darauf zu sehen und die Zahl 30. Die Teile aus hartem Kunststoff hängen in 2,20 Meter Höhe, jeweils vier Schrauben sorgen für Halt. Mehr als 300 Euro hat die Initiative für die 60 mal 40 Zentimeter großen Schilder gezahlt, die nicht als Verkehrszeichen gelten. Die Installation wurde vom Glinder Ordnungsamt dennoch genehmigt mit Befristung bis 31. Januar kommenden Jahres. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Sondernutzung.
Glinde: Initiative kontrolliert selbst den Verkehr
„Wir machen das in der Not und hoffen, dass die Schilder eine Wirkung erzielen“, sagt Berndt. Das wünscht sich auch Christina Detje (38). Sie hat zwei Kinder. Der Sohn (5) kommt nach den Sommerferien in die erste Klasse, muss auf dem Weg zur Schule die Straße queren. Ihre Tochter ist erst zwei Jahre alt und besucht eine Kita. „Ich habe Angst um meine Kinder wegen der Raser“, sagt Detje. Vor Kurzem sei dem Sohn beim Spielen der Ball auf die Straße gesprungen und der Nachwuchs im Affekt hinterhergelaufen. „Zum Glück hat ein Autofahrer die Situation erkannt, angehalten und sich bewusst quergestellt. So musste das viel zu schnelle Fahrzeug auf der anderen Seite verlangsamen, ansonsten hätte es ein Unglück gegeben“, so Detje.
Die Initiative hat viel Material gesammelt, um die Verwaltung von Tempo 30 zu überzeugen, unter anderem Videos gedreht von rasenden Autos und auch mit Blick auf Lärmbelästigung. Vorfälle wurden auf mehreren DIN-4-Seiten protokolliert. Glinde führte vor dem Ablehnungsbescheid Geschwindigkeitsmessungen durch: zum Beispiel im Bereich der Einmündung Am Walde rund 100 Meter hinter dem Ortseingangsschild stadteinwärts – durchgängig über 95 Stunden.
In dieser Zeit wurden 3548 Fahrzeuge gezählt. 1610 fuhren zwischen 51 und 60 sowie 244 zwischen 61 und 70 km/h. Die Initiative moniert, dass nur in eine Fahrtrichtung kontrolliert wurde. Insofern gebe es noch mehr Tempo-Sünder. Die Verkehrsaufsicht der Stadt sieht jedoch keine konkrete Gefahr für Radfahrer und Fußgänger, begründet das auch mit Daten der Polizei. In 2022 wurden fünf Unfälle mit Begegnungsverkehr und geparkten Fahrzeugen sowie einer mit Wild registriert.
Radstreifen ist ausgeschlossen, weil es Fahrbahn an Breite fehlt
Den Widerspruch hat die Initiative auch an die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe geschickt. Der Papendieker Redder ist zugleich Kreisstraße mit der Nummer 109. Glindes Parteien sind auf einer Linie mit der Gruppe. „Am liebsten wäre mir, sofort auf Tempo 30 umzustellen. Spätestens nach dem Straßenumbau muss es geschehen“, sagt der CDU-Vorsitzende Claus Peters. SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach: „Wir unterstützen die Initiative.“
Die Parteien hatten schon vor den Anwohnern Druck gemacht bei der Kreisbehörde, als die Sanierungspläne bekannt wurden. Sie wollten nämlich einen Radstreifen, dafür ist allerdings die Fahrbahn zu schmal. Die Straße wird von der Ecke Möllner Landstraße auf einem Kilometer grunderneuert. Um Radler besser zu schützen, setzen sich CDU, SPD, FDP und Grüne für eine Geschwindigkeitsreduzierung ein. Das lehnte die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe lange ab, hat inzwischen signalisiert, dass man das zumindest auf Teilabschnitten so machen kann. Nach dem Umbau wohlgemerkt.
Ab Herbst sollen Versorgungsleitungen erneuert werden
Die Lage ist ein Stück weit verzwickt: Glinde kann, weil die Stadt eine eigene Verkehrsaufsicht hat, Tempo 30 veranlassen. Als übergeordnete Instanz hat der Kreis die Möglichkeit, eine solche Entscheidung einzukassieren. Ob er das machen würde, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Mitarbeiter verweisen auf die Zuständigkeit der Verwaltung in Glinde. Berndt findet jedenfalls, dass die Kommune ihren Ermessensspielraum nicht nutzt.
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Das Straßenprojekt, finanziert vom Kreis, wurde bereits mehrfach verschoben. Bislang sind Vorarbeiten erledigt. In zwei Etappen wurden Platanen gefällt. Voraussichtlich ab Herbst werden dann Versorgungsleitungen erneuert bis Ende 2025. Danach wird die Fahrbahn angefasst. Im Vorentwurf sind Kosten von 2,2 Millionen Euro veranschlagt. Bestandteil ist eine Reduzierung der Gehwegbreite von 2,50 auf zwei Meter. Dieser Bereich war früher eine kombinierte Zone und damit auch für Radfahrer frei. Viele sind dort immer noch unterwegs. Erlaubt ist das nicht, laut Vorschrift müssen sie auf die Straße.
Die Proteste aus Glinde haben die Kreisverwaltung veranlasst, einige Dinge zu überdenken. Man prüfe Varianten, dass der Gehweg seine derzeitige Breite behalte und es auf diesem ein Angebot für Radfahrer gebe, sagt eine Mitarbeiterin. Konkreter will sie nicht werden und verweist auf den Kreisverkehrsausschuss am 25. März, wo die Sache vorgestellt werden soll. Laut Berndt gibt es Hoffnung, dass man durch eine behördliche Lärmberechnung zu Tempo 30 kommt. Nach Information dieser Redaktion wurden Prüfschemata novelliert. Das könnte zu mehr Anordnungen von Geschwindigkeitsreduzierungen führen.