Bargteheide. Allein die Kernsanierung würde laut einem Gutachten rund eine Million Euro verschlingen. Warum das Haus als so schützenswert gilt.
Die sogenannte „Villa Wacker“ dürfte das wohl umstrittenste Bauwerk der Stadt Bargteheide sein. Seit Jahren wird mit Verve diskutiert, wie mit dem Mitte der 1920er-Jahre errichteten Backsteinhaus An den Stücken 49 unweit des Bahnhofs umzugehen sei. Die einen würden es mit Blick auf den baulichen Zustand und die Notwendigkeit, dringend benötigten neuen Wohnraum schaffen zu müssen, am liebsten abreißen.
Die anderen sehen in dem Gemäuer ein besonderes architektonisches Zeugnis in einer städtischen Grünachse, die unbedingt erhalten bleiben sollte. Nun hat der zertifizierte Bausachverständige Rüdiger F. Solvie aus Hamburg im Bauausschuss eine Bauzustandsanalyse vorgelegt, die für neuen Zündstoff in der Debatte sorgt. Seinen Erkenntnissen zufolge würde die reine Instandsetzung nach aktuellen Maßgaben rund eine Million Euro kosten.
Gebäude hat für die Stadt „keinen besonderen Wert“
„Um das Haus für Wohnzwecke zu ertüchtigen, wäre das ein viel zu hoher Preis. Um es einer öffentlichen Nutzung zugänglich zu machen, müssten die Decken statisch nachgebessert und ein zweiter Fluchtweg geschaffen werden, was mit Sicherheit noch teurer wird. Ich sehe hier ein kleines Gebäude, das für die Stadt keinen besonderen Wert hat“, legt sich FDP-Fraktionschef Gorch-Hannis la Baume, der selbst Bauingenieur ist, fest.
Das beurteilt das Landesamt für Denkmalpflege allerdings völlig anders. Mitte März vergangenen Jahres hatte die Behörde der Stadt mitgeteilt, dass das „Landhaus Lüneburg“, so die jetzt amtlich festgestellte Bezeichnung der Immobilie, samt Nebengelassen und Gartenanlage in die Liste der Kulturdenkmale Schleswig-Holstein aufgenommen worden sei.
Bauliches Zeugnis für „Lebensweise des Bürgertums“
Laut Amtsbeschreibung handelt es sich bei dem vermutlich 1925 für den Bargteheider Kaufmann Fritz Lüneburg errichteten Ensemble um ein „charakteristisches bauliches Zeugnis für die Heimatschutz- und Reformarchitektur“ des Landes und die „damalige Lebensweise des gehobenen Bürgertums“. Die daraus resultierenden orts- wie architekturgeschichtlichen und städtebaulichen Denkmalwerte begründeten „ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Erforschung des Objekts“, heißt es in der Einschätzung.
Damit müssen jegliche Veränderungen an der Bausubstanz bei der zuständigen Denkmalschutzbehörde beantragt und durch diese genehmigt werden. Was den Spielraum der Stadt noch mal deutlich einschränkt. Die sich ohnehin seit Längerem in der Zwickmühle befindet, was die Nutzung der alten Villa und des umgebenden Grundstücks angeht.
2013 war die Villa bereits als „Abrisshaus“ eingestuft worden
Die Stadt hatte das gesamte Areal bereits 2013 erworben und die Bestandsimmobilie seinerzeit als „Abrisshaus“ eingestuft. Stattdessen sollten in der ehemaligen Parkanlage ein Parkdeck und drei mehrstöckige Wohnblöcke entstehen. Nach Vorlage eines entsprechenden Entwurfs regte sich aber umgehend Widerstand. Innerhalb kurzer Zeit hatte die Bürgerinitiative Basta mehr als 1000 Unterschriften für den Erhalt des historischen Ensembles gesammelt. 2018 ist das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans dann ausgesetzt worden.
Um Leerstand zu vermeiden, hatte die Stadtverwaltung die alte Villa und deren Nebengelasse dem Verein Bunte Vielfalt und den Sozialarbeitern der Hilfsorganisation tohus in Form einer Duldung überlassen, als Fahrradwerkstatt, Club-, Beratungs- und Lagerräume. Allerdings ohne dauerhafte Zusagen und das Aufzeigen von Perspektiven.
Wassereinbrüche und Schimmelbefall durch verstopftes Siel
Zugespitzt hatte sich die Debatte um die Zukunft des Komplexes spätestens durch Wassereinbrüche samt massivem Schimmelbefalls infolge eines verstopften Siels. Anfang Oktober 2022 war es schließlich zu einer 24-stündigen Besetzung durch Jugendliche gekommen, die seit Langem für selbst verwaltete Räume in der Stadt kämpfen.
Seitdem sieht sich die Stadtverwaltung zu einer Entscheidung gedrängt, wie mit dem Terrain weiter umgegangen werden soll. Deshalb beauftragte sie den Architekten Solvie zu prüfen, inwieweit das Landhaus Lüneburg zur Unterbringung von Geflüchteten oder für eine öffentliche Nutzung ertüchtigt werden könne.
Gebäude ist technisch und energetisch nicht zeitgemäß herstellbar
Dessen Fazit: Die Villa befindet sich „in einem schlechten Zustand“. Allein die Kernsanierung würde mit rund 970.000 Euro zu Buche schlagen. Instandsetzung und weiterer Unterhalt des Gebäudes sind nur „unter hohem Aufwand“ zu realisieren und werden zu Baukosten führen, „die im Normalfall wirtschaftlich nicht darstellbar“ sind. Schlimmer noch: „Selbst nach einer Instandsetzung ist das Gebäude technisch und energetisch nicht zeitgemäß herzustellen“, so Solvie.
Die vorhandene Heizungsanlage könne nur mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, der Einsatz einer Wärmepumpe sei ausgeschlossen. Wärmedämmende Maßnahmen seien nur am Mauerwerk im Keller und im Dachgeschoss möglich, würden aber selbst dann zu keinen zeitgemäßen Dämmwerten führen. Überdies müsste die gesamte Elektrik (Verkabelung) ebenso erneuert werden, wie die Fenster, das Dach und die Kellertreppe, die einen erheblichen Wurm- und Pilzbefall aufweist. Außerdem empfiehlt der Experte den Rückbau aller nicht denkmalgeschützen An- und Ausbauten.
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Zwar könnten rein theoretisch fünf Wohnungen in der alten Villa entstehen. Dies aber nur mit erheblichen Mehrkosten von rund 220.000 Euro ohne Berücksichtigung zusätzlicher Brandschutz-Anforderungen. Eine Nutzung als „öffentlichen Raum“ schloss Solvie generell aus, allein mit Blick auf die heutzutage geforderte Barrierefreiheit. „Die würde zumindest den Einbau eines Aufzugs bedingen, der allein 60.000 Euro kosten dürfte“, so der Hamburger Architekt.
Insbesondere die Grünen taten sich sichtlich schwer, das Urteil des Fachmanns zu akzeptieren. „Wir haben vieles gehört, was angeblich nicht geht. Mir ist aber viel zu kurz gekommen, was möglich ist“, monierte Claudia Mac Arthur. Parteikollegin Ruth Kastner hofft noch immer auf eine, zumindest eingeschränkte öffentliche Nutzungsmöglichkeit. „Mit Fördermitteln der Stiftung Denkmalschutz könnte eine Co-Finanzierung vielleicht gelingen“, so Kastner.