Ahrensburg. Patricia Peulen setzt im Alleingang Zeichen gegen Rechtsextremismus. Andere schließen sich ihrer Aktion an. So reagiert die AfD.

Ein eisiger Wintertag Anfang Januar. Lena Enns ist an einem Sonnabendvormittag mit dem Kinderwagen im Zentrum von Ahrensburg unterwegs. Vor eineinhalb Jahren ist die junge Mutter mit ihrer Familie von Hamburg in die Schlossstadt umgezogen. Ihre Kinder sollten in einem idyllischeren Umfeld aufwachsen. Als Enns am Rondeel ankommt, springt ihr sofort der große Infostand der Partei Alternative für Deutschland (AfD) ins Auge. „Für mich war das ein erschreckendes Bild“, sagt sie. „In der Provinz meint man doch, dass die Welt noch in Ordnung ist.“

Als sie auf dem Rückweg vom Markt wieder an der Stelle vorbeikommt, erblickt sie eine zierliche Seniorin, die ganz allein auf einer Bank gegenüber dem Stand sitzt, an dem sich nach Enns Einschätzung mindestens zehn Männer positioniert haben. Sie hält ein Plakat in den Händen. „Omas gegen Rechts“ steht darauf. Enns ist tief beeindruckt von der Aktion und dem Mut dieser Frau, die für ihre Überzeugung in der Kälte ausharrt. Sie sagt: „Es fühlte sich wie eine Erleuchtung an, diese ältere Dame zu sehen, die entschlossen und freundlich, die Krücken zur Seite gestellt, dort saß.“ Spontan geht Enns auf sie zu. „Ich habe ihr von ganzem Herzen gedankt. Es braucht immer eine erste Person, die den Anfang macht.“

Viele schließen sich dem Protest der Ahrensburger Seniorin an

Diese Person ist die Ahrensburgerin Patricia Peulen. Das erste Mal hat die 69-Jährige ihre Mahnwache gegen den zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland einen Tag vor Heiligabend auf dem Rondeel gehalten. Sie sagt: „Ich habe gedacht, ich mache das wie Greta Thunberg und setze mich einfach dahin.“ Konkreter Auslöser, aktiv zu werden, sei die Oberbürgermeisterwahl im sächsischen Pirna am 17. Dezember gewesen, bei der sich der Kandidat der AfD durchsetzen konnte. Das habe das Fass für sie zum Überlaufen gebracht. „Es war ein AfD-Kandidat zu viel, der gewählt worden ist“, so Peulen.

Dass die AfD immer mehr Zulauf bekomme, bereite ihr schon seit Längerem Sorgen. Sie sei sonst nicht politisch engagiert, aber der generelle Rechtstrend hat sie aufgerüttelt. Auch in Stormarn hat die AfD zugelegt: Bei der Kommunalwahl im Mai vorigen Jahres um 1,7 auf 8,3 Prozent. Peulen geht es weniger um ihre eigene Zukunft, als die ihrer Enkel. Sie sagt: „Ich habe Angst, dass sie sich später nicht trauen, den Mund aufzumachen.“ Und davor, dass wieder ein Nährboden entsteht, auf dem Antisemitismus, Homophobie, Ausländerfeindlichkeit und Populismus gedeihen können.

Kommt AfD an die Macht, will Ahrensburger Familie auswandern

Im Gespräch mit Peulen hat Enns mehr über ihre Beweggründe erfahren. „Sie sagte mir, dass sie fürchtet, dass sich die Geschichte wiederholt. Sie wolle sich nicht vorwerfen lassen, tatenlos gewesen zu sein“, berichtet Lena Enns. Sollte die AfD in Deutschland jemals an die Macht kommen, würde sie mit ihrer Familie auswandern – darüber seien sie und ihr Mann sich einig. Damit dieser Fall gar nicht erst eintritt, will sie sich künftig an der Aktion von Peulen beteiligen. „Sich diese eine Stunde in der Woche zu nehmen sollte sich lohnen, denn es ist für eine große Sache“, findet Enns.

Andere haben das bereits getan. Beim ersten Mal seien es zwei Frauen gewesen, die sich zu ihr gesellt hätten, berichtet Peulen. Beim letzten Mal hätten sich mehr als 50 Gleichgesinnte auf dem Rondeel versammelt. Wenn sie für ihren Mut gelobt wird, winkt die Seniorin bescheiden ab. „Ich brauche doch keinen Mut dafür, mich in Ahrensburg mit meinem Plakat hinzusetzen.“ In Rostock hingegen würde sie sich das nur mit weiteren Unterstützern trauen.

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Davon, dass die AfD am 6. Januar auf dem Rondeel einen Stand aufbauen würde, habe sie im Vorhinein nichts geahnt. Nachdem die Männer ihre Mahnwache bemerken, lässt die Reaktion nicht lange auf sich warten. Zunächst erntet sie Gelächter von gegenüber. Doch sie bleibt nicht allein. Immer mehr Menschen, darunter Lena Enns, schließen sich ihrem Protest an.

AfD-Mann verlangt von Polizei Auflösung der Versammlung

„Die von der AfD waren meistens jünger, schwarz gekleidet und fühlten sich in der Gruppe ganz offensichtlich mächtig. Sie sind mit ihren Schildern auf unsere Seite gekommen und haben sich einfach in unsere Gruppe hineingestellt“, berichtet sie. Peulen bezeichnet das Verhalten der Störer als rüpelhaft. Trotzdem reagiert Enns mit einer humorvollen Bemerkung. Sie wendet sich an die Schwarzgekleideten und sagt: „Bleiben Sie ruhig hier stehen, dann sieht es nach mehr aus.“ Obwohl ihre Mahnwache auf diese Weise mutwillig gestört wird, rufen die Demonstranten nicht die Polizei.

Aber die AfD. Nach Angaben einer Polizeisprecherin meldet sich am selben Tag gegen 11.30 Uhr ein Mann, der den AfD-Infostand auf dem Rondeel aufgebaut hat, bei der Polizei Ahrensburg. „Er teilte mit, dass sich eine nicht angemeldete Demonstration gegen den AfD-Stand gebildet habe, und verlangte die Auflösung“, so die Sprecherin weiter. Bei ihrem Eintreffen hätten die Beamten auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Standes etwa zehn bis 15 Personen festgestellt. Eine polizeiliche Befragung habe ergeben, „dass die Versammlung als Spontanversammlung einzuschätzen ist“. Daraufhin sei dem Anrufer mitgeteilt worden, dass die Versammlung nicht aufgelöst werde, da die Teilnehmenden ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

Patricia Peulen hat sich vorgenommen, ihre Aktion ein ganzes Jahr lang fortzuführen. „Ich glaube, ich brauche die Zeit. Sitzfleisch und einen langen Atem habe ich.“ Jeden Sonnabend von 11 bis 12 Uhr, „zur besten Einkaufszeit“, ist sie auf dem Rondeel anzutreffen, bei jeder Wetterlage und eine Zeitlang sogar noch mit Krücken. Sie ist momentan auf die Gehhilfe angewiesen, weil sie sich Anfang Dezember das Kreuzbein gebrochen hat.

Für Sonnabend ist Gegendemonstration auf Rondeel angemeldet

Als sie sich auf ihre erste Mahnwache vorbereitete, fügte sie beim Schriftzug „Oma gegen Rechts“ für das Schild ein kleines s an das Wort Oma an. Denn sie hegte die Hoffnung, dass viele weitere Omas und andere ihrem Beispiel folgen würden. Inzwischen hat sie sich auch an die Bürgerinitiative gleichen Namens gewandt. Ziel ist die Gründung einer Regionalgruppe in Ahrensburg. Und sie kann auf die Unterstützung des Runden Tisches Ahrensburg zählen, mit dem sie zusammenarbeitet. Ihr Engagement für die Sache bringt sie so auf den Punkt: „Für mich ist das lebenswichtig, für uns alle überlebenswichtig.“

Die AfD hat für Sonnabend, 20. Januar, wieder einen Infostand angemeldet. Nach Angaben der Stadt Ahrensburg ist für einen solchen Infostand keine Genehmigung des Ordnungsamts erforderlich, sondern lediglich die Anmeldung der Sondernutzung beim Bauamt. Eine Gegendemonstration zur selben Zeit ist ebenfalls ordnungsgemäß angemeldet. „Ich fände es schade, wenn alle, die gegen rechts demonstrieren wollen, nach Hamburg müssten“, sagt Peulen. Auch in Ahrensburg sei es wichtig, sich für Demokratie und Vielfalt zu engagieren. Lena Enns will auf jeden Fall dabei sein. Sie sagt: „Es ist einfach wichtig, sich zu positionieren.“