Ahrensburg/Bad Oldesloe. Pläne des Bildungsministeriums: Lehrlinge sollen statt in Ahrensburg Berufsschule in Mölln besuchen. Handwerksvertreter alarmiert.
Noch ist es nur ein Entwurf, doch das Handwerk in Stormarn ist alarmiert. „Wenn das umgesetzt wird, werden wir in Stormarn keine Auszubildenden im Metallbau mehr haben“, sagt Jan Bork, Metallbaumeister aus Bad Oldesloe. Gemeint ist der Masterplan Berufliche Bildung, den Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) Ende Januar in Kiel vorgestellt hat.
Für die Lehrlinge der rund 80 Metallbaubetriebe in Stormarn sind einschneidende Veränderungen vorgesehen: Statt in Ahrensburg sollen sie künftig den schulischen Teil der Ausbildung im 40 Kilometer entfernten Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) absolvieren. An der Berufsschule in Ahrensburg soll es dann keine entsprechenden Fachklassen mehr geben.
Reformpläne aus Kiel: Metallbaubetriebe in Stormarn bald ohne Nachwuchs?
„Es ist schon jetzt nicht einfach für die Betriebe, Nachwuchs zu finden“, sagt Bork, der auch stellvertretender Obermeister der Metallbauerinnung Stormarn ist. „Wenn unsere Lehrlinge für den Schulunterricht nach Mölln pendeln müssen, werden wir überhaupt keine Bewerber mehr haben.“
Bork führt seit 2011 den gleichnamigen Stahl- und Metallbaubetrieb in Bad Oldesloe mit 16 Mitarbeitern. 40 Prozent davon habe er selbst ausgebildet, sagt er. „Wir müssen ausbilden, auf andere Weise finden wir kaum Mitarbeiter“, so Bork. Es gebe zu wenige Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und auch Quereinsteiger seien die Ausnahme.
Schon jetzt finden die Handwerksbetriebe kaum Auszubildende
Eigentlich würde er pro Jahr gern zwei Auszubildende nehmen, doch zum Start im vergangenen Herbst hat er keine gefunden. Bis zu acht Lehrlinge, verteilt auf vier Lehrjahre, hat Bork normalerweise in seiner Firma. Derzeit sind es mangels Bewerbern nur vier. Dabei biete das Handwerk gerade jungen Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen eine hervorragende berufliche Perspektive.
„Wir fangen Jugendliche auf, die die Schule mit dem Ersten Allgemeinen Schulabschluss nach der neunten Klasse verlassen, die es in anderen Branchen schwer haben“, sagt Bork. Viele Lehrlinge seien deshalb zum Ausbildungsstart erst 15 oder 16 Jahre alt. „Sie sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.“
Zur Berufsschule in Mölln fahren Lehrlinge mit Bus und Bahn zwei Stunden
Zur Berufsschule in Mölln dauert es mit Bus und Bahn von Ahrensburg oder Glinde aus rund zwei Stunden, mit dem Auto sind es zwischen 30 und 45 Minuten. Bork stellt seinen Lehrlingen für genau solche Strecken ein Azubi-Dienstfahrzeug zur Verfügung. Doch er sagt: „Selbst wenn die Auszubildenden volljährig sind, haben viele nicht sofort einen Führerschein“. Viele könnten sich das unmittelbar zum Berufsstart schlicht nicht leisten.
Die geplante Reform des Berufsschulwesens hat das Kieler Bildungsministerium gemeinsam mit dem angegliederten Schleswig-Holsteinischen Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) entwickelt. Im Vorfeld habe man Gespräche mit mehr als 80 Stakeholdern wie Kammern, Innungen und Verbänden, mit den Schulträgern, den Schulen und weiteren Partnern geführt und auf Regionalkonferenzen beraten.
Ministerium begründet geplante Reformen mit sinkender Zahl Auszubildenden
Vorgesehen ist unter anderem die Zentralisierung der Beschulung bestimmter Ausbildungsgänge an einzelnen Berufsschulstandorten. Gleichzeitig sollen alle 35 beruflichen Berufsbildungseinrichtungen im Land erhalten bleiben.
In dem jetzt vorgelegten Entwurf wird auf die sinkende Zahl an Auszubildenden in einzelnen Berufen hingewiesen. „Da die Zahl der Auszubildenden in der dualen Berufsausbildung in den vergangenen Jahren abgenommen hat, kann der Berufsschulunterricht nicht an allen Schulen wie erforderlich erteilt werden“, heißt es in dem Papier.
Bestimmte Berufe sollen von den Zentralisierungsplänen ausgenommen werden
So würden etwa verschiedene Berufe zusammen beschult, was Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität haben könne. Im Einzelfall könnten Bildungsgänge aufgrund zu geringer Auszubildendenzahlen gar nicht mehr aufrechterhalten werden. Um Abhilfe zu schaffen, soll der Schulunterricht in diesen Ausbildungen an einigen, wenigen Standorten zusammengelegt werden.
Ausgenommen sind Berufe, die künftig als „regionale Basisberufe“ eingestuft werden sollen. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die „für die regionale Wirtschaft von Bedeutung und für die Energiewende erforderlich“ sind, etwa Elektroniker mit der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik, Landwirte oder Fachkräfte im Gastgewerbe sowie in der Gastronomie. Der zugehörige Fachunterricht soll unabhängig von der Schülerzahl weiterhin an einer Berufsschule je Kreis angeboten werden. Die Umsetzung der Maßnahmen ist schrittweise bis 2030 geplant.
Ministerin verteidigt die Umstrukturierungen als notwendigen Schritt
Ministerin Prien verteidigt das Vorhaben als notwendigen Schritt. „Schleswig-Holstein hat ein funktionierendes System aus 35 Berufsbildenden Schulen, an denen 250 Berufe beschult werden. Dieses System machen wir fit für die Zukunft, indem wir die Standorte der Berufsbildenden Schulen in der Fläche erhalten und die Qualität des Unterrichts durch eine Profilbildung der Schulen stärken“, sagt die CDU-Politikerin.
„Klassen, in denen nur eine Handvoll Schülerinnen und Schüler sitzt, können wir auf die Dauer nicht auskömmlich finanzieren. Weder das Land, noch die Schulträger“, so Prien, die gleichzeitig betont, dass sich für 90 Prozent der Schüler nichts ändern werde. In den betroffenen Berufen sollen laut der Ministerin zudem verstärkt digitale und hybride Unterrichtsformen eingesetzt und Übernachtungsmöglichkeiten an den Schulstandorten angeboten werden.
Kreishandwerkerschaft: Eigener Nachwuchs ist von entscheidender Bedeutung
Metallbaumeister Bork beruhigt das nicht. „Die Ausbildungsanfänger schauen bei der Auswahl des Betriebs darauf, dass die Berufsschule in der Nähe und gut erreichbar ist“, sagt er. Das sieht Marcus Krause, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Stormarn, genauso. „Als wirtschaftsstärkster Kreis in Schleswig-Holstein ist es von entscheidender Bedeutung, einen eigenen Nachwuchs zu generieren und talentierte Fachkräfte in der Region zu halten“, sagt er.
Der Beruf des Metallbauers sei entscheidend für die Wirtschaft in Stormarn. „Metallbauer leisten einen wertvollen Beitrag zur Infrastruktur, zum Bauwesen und zur Industrie“, so Krause. Der Entwurf des Bildungsministeriums sei daher „nicht akzeptabel“.
Betriebe im Süden Stormarns verlieren Bewerber nach Hamburg
„Schon jetzt verlieren die Betriebe im Süden des Kreises Bewerber nach Hamburg, weil die Erreichbarkeiten in der Großstadt einfach besser sind“, sagt er. Denn Auszubildende können sich die Berufsschule nicht selbst aussuchen. Sie werden an dem Standort unterrichtet, der für den Kreis zuständig ist, in dem der Ausbildungsbetrieb ansässig ist.
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„Diese Problematik haben wir seit Jahrzehnten, aber darauf sind wir eingestellt“, sagt Krause. Wer einmal in die Metropole abgewandert sei, komme in der Regel auch nicht mehr zurück, so Krause. Falle jetzt die Berufsschule in Ahrensburg für die Metallbauer weg, werde den Betrieben endgültig der Boden unter den Füßen weggezogen.
Handwerksvertreter wirft Bildungsministerin Prien Widersprüchlichkeit vor
Der Bildungsministerin wirft Krause Widersprüchlichkeit vor. „Einerseits geht es ständig darum, wie wichtig es ist, junge Menschen für eine duale Ausbildung zu gewinnen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Andererseits werden potenzielle Bewerber mit weiten Anfahrtswegen abgeschreckt.“
Nicht nachvollziehbar ist für den Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft zudem, warum es gerade die Metallbauer trifft. „Wir haben aktuell vier Klassen mit etwa 50 Auszubildenden“, sagt er. Die durchschnittliche Zahl von 15 Lehrlingen pro Jahr sei in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Dass es in diesem Jahr nur zehn sind, sei unglücklich.
Krause und Bork wollen weiter für Beschulung in Ahrensburg kämpfen
„Zuletzt hat das Ministerium vorgeschlagen, dass die Auszubildenden zumindest das erste Jahr in gemischten Klassen mit anderen Berufen weiterhin in Ahrensburg beschult werden, ehe sie nach Mölln wechseln“, sagt Krause. Das löse jedoch das Problem nicht. „Das würde für die Auszubildenden bedeuten, dass sie mittendrin Schule und Lehrer wechseln müssen.“ Die abschreckende Wirkung bleibe.
Krause und Bork wollen deshalb weiter dafür kämpfen, dass die Metallbauer auch in Zukunft in Ahrensburg zur Schule gehen können. Sie haben bereits mit mehreren Landtagsabgeordneten gesprochen und sich auch die Unterstützung des Kreises Stormarn gesichert, der Träger der Berufsschule ist.
Ministerin Prien spricht von „erstem Aufschlag“ und zeigt sich gesprächsbereit
Bildungsministerin Prien zeigt sich öffentlich gesprächsbereit. „Nichts ist in Stein gemeißelt, wir haben als Ministerium einen ersten Aufschlag vorgelegt, damit es eine Diskussionsgrundlage gibt“, sagt sie. „Diese Diskussionen werden in den kommenden Monaten in verschiedenen Konstellationen und Formaten stattfinden und der Masterplan wird weiter verfeinert und mit Wünschen vor Ort austariert.“ Im Herbst soll eine überarbeitete Version den politischen Gremien vorgestellt werden.