Elmenhorst. Junge Menschen aus Stormarn haben das Unternehmen StickTo gegründet. Weshalb ihre App zur Berufsorientierung so innovativ ist.

Wer ein erfolgreiches Unternehmen gründen möchte, braucht für gewöhnlich eine gute Geschäftsidee. Im Idealfall schließt sie eine Marktlücke. Es wird also eine Nachfrage befriedigt, die auf dem bisherigen Markt nicht oder nur unzureichend bedient wurde. Genau das haben die Gründer des Elmenhorster Unternehmens StickTo vor. Ihre gleichnamige App soll mit einem innovativen Konzept Schulabgänger und Arbeitgeber zusammenbringen. So solll die kostenlose App zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: jungen Leuten bei der Berufsorientierung helfen und dem Fachkräftemangel in Unternehmen entgegenwirken.

2020 gründeten die Abiturienten Philipp Özren und Julian Risse aus Elmenhorst das Start-up. Die Idee kam ihnen kurz vor Ende ihrer Schulzeit. „Es mangelte an Angeboten zur Berufsorientierung. Informationen über Berufe, Ausbildungen und Studiengänge sind in der Regel unverständlich und schrecken eher ab“, sagt Özren. Zudem fehlt laut Risse oft eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern.

Die App StickTo möchte den Fachkräftemangel bekämpfen

Mit ihrem Geschäftskonzept befriedigen sie also einen Bedarf, den sie selbst als Schulabgänger festgestellt haben. Und: Das überzeugt auch andere. 2021 setzten sie sich gegen knapp 700 Bewerber durch und gewannen einen Wettbewerb der digitalen Bildungsplattform Start-up Teens. Das Preisgeld von 10.000 Euro investierten sie in ihr Unternehmen. Wenig später ging die App an den Start.

Seitdem hat sich einiges getan. Mittlerweile hat das Duo Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus ganz Norddeutschland gefunden. Risse: „Unser Team ist auf acht Mitglieder angewachsen, die alle aus der Zielgruppe kommen und das Problem der beruflichen Orientierungslosigkeit selbst erlebt haben.“ Eine von ihnen ist Lena Mertens, die mit den Gründern zur Schule ging und heute Unternehmenskommunikation in Kiel studiert. 2021 kam sie dazu und kümmert sich jetzt um die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens.

Die kostenlose App soll Schulabgänger und Unternehmen zusammenbringen. 
Die kostenlose App soll Schulabgänger und Unternehmen zusammenbringen.  © Lena Mertens | Lena Mertens

StickTo ist in jedem App-Store erhältlich und kann kostenlos heruntergeladen werden

„Ich bin damals in das Unternehmen eingestiegen, weil ich es als Herausforderung empfinde, bei so einem Projekt mitzuwirken“, sagt sie. „Damals wusste ich noch nicht, was alles auf mich zukommt. Das macht für mich auch den Reiz eines Start-ups aus. Man entwickelt sich ständig weiter.“ Auch die übrigen Mitglieder engagieren sich neben Vollzeitstudium oder -job für StickTo. Philipp Özren studiert Jura, Julian Risse Betriebswirtschaftslehre, Ronja Bergemann Informatik und Lea Adiwidjaja Sonderpädagogik. Corvin Wilichowski studiert in Berlin. Malte Luttermann ist Doktorand der Informatik und spezialisiert auf Künstliche Intelligenz, Raphael Risse angestellter Anwendungstechniker.

StickTo ist in jedem App-Store erhältlich und kann kostenlos heruntergeladen werden. „Dort findet man alle Berufe, die es gibt“, so Mertens. Ziel sei es, Berufe und Unternehmen einfach und ansprechend darzustellen. Der Spaß soll bei der Nutzung nicht zu kurz kommen. Mertens: „Wir haben sogenannte Jobkarten entwickelt. Auf denen sehen die Nutzer den jeweiligen Beruf inklusive Beschreibung, und es gibt einen beispielhaften Tagesablauf. Außerdem kann man sehen, wie viel man verdienen kann, was man dafür lernen muss und welche Interessen dazu passen.“

Nutzer der App können Berufe wie in einer Datingapp swipen

Diese Karten können die Nutzerinnen und Nutzer dann nach dem Prinzip der Kontaktplattform Tinder „swipen“, also nach links oder rechts wischen. Entweder man verwirft sie, wenn man nicht interessiert ist, oder man speichert sie. „Im Hintergrund läuft ein Algorithmus, der aufgrund des Swipeverhaltens erkennt, woran der Nutzer interessiert ist“, so Mertens. So werden noch mehr Berufe vorgeschlagen, die zu einem passen könnten. Um das Ganze zu unterstützen, können Nutzer auch selbst Interessen angeben, um Jobs zu finden, die mit diesen korrespondieren.

Insgesamt gibt es in der App mehr als 1300 Jobkarten. „Wir haben gemerkt, dass junge Erwachsene oft nicht wissen, welche beruflichen Möglichkeiten sie haben. Meistens kennen sie die Berufe ihrer Eltern, Nachbarn, Bekannten. Aber es gibt da draußen noch so viel mehr“, sagt Lena Mertens. StickTo biete die Chance, Berufe zu entdecken, die man noch gar nicht kenne.

Auch reale Unternehmen können sich in der App präsentieren

„Neben den Jobkarten gibt es in der App auch sogenannte Unternehmenskarten“, so Mertens. Dort können sich reale Firmen präsentieren. Denn: „Unternehmen haben das Problem des Fachkräftemangels und wissen oft nicht, wie sie die junge Generation erreichen können.“ In dieser Sache soll die App ebenfalls Abhilfe schaffen. Auch die Unternehmenskarten können geswipt und gespeichert werden. Mit einem Button können Nutzer sich direkt bewerben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, anonym Fragen zu stellen. „Diese Funktion haben sich viele gewünscht, weil es auf anderen Wegen selten möglich ist, niedrigschwellig in Kontakt zu kommen“, sagt Mertens.

Zielgruppe der App sind hauptsächlich junge Menschen, die vor dem Ende ihrer Schulzeit stehen oder die Schule abgeschlossen haben und sich mit der Berufswahl beschäftigen. „Es geht ja schon mit ungefähr 14 Jahren los, dass Teenager sich fragen, wo es beruflich mal hingehen könnte“, so Mertens. Sie können StickTo ebenso nutzen wie junge Erwachsene.

Das Team von StickTo (v. hinten l.): Julian Risse, Raphael Risse, Malte Luttermann, (v. vorn l.) Lena Mertens, Ronja Bergemann, Lea Adiwidjaja, Corvin Wilichowski und Philipp Özren.
Das Team von StickTo (v. hinten l.): Julian Risse, Raphael Risse, Malte Luttermann, (v. vorn l.) Lena Mertens, Ronja Bergemann, Lea Adiwidjaja, Corvin Wilichowski und Philipp Özren. © Lena Mertens | Lena Mertens

Die Entwickler der App wollen jungen Menschen bei Berufsorientierung helfen

„Wir alle im Team kennen das Problem, nicht zu wissen, welche Möglichkeiten es gibt“, so Mertens. Ihrer Meinung nach reichen die bestehenden Angebote zur Berufsorientierung wie kurze Praktika während der Schulzeit nicht aus. „Dieses Problem zu lösen ist für uns alle ein großer Antrieb. Wir möchten, dass sich das ändert und dass die nachfolgende Generation es leichter hat.“

Obgleich die Hauptzielgruppe der App junge Menschen sind, die erstmalig ins Berufsleben starten, könne sie auch von älteren Menschen genutzt werden, die auf Jobsuche sind, sich neu orientieren oder nach längerer Pause wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Aktuell hat die App rund 2500 Nutzer. Mertens: „Wir arbeiten ständig daran, noch mehr Menschen zu gewinnen, zum Beispiel durch Präsenz auf Social Media oder die Präsentation bei öffentlichen Veranstaltungen.“

Erste Unternehmen kooperieren bereits mit der App StickTo

Außerdem arbeitet das Team aktuell daran, Unternehmen für die App zu gewinnen. „Wir starten 2024 mit den ersten Kunden“, sagt Julian Risse. Dann seien auch die ersten Einnahmen zu erwarten. Mit dabei sind bereits zum Beispiel bereits der ambulante Pflegedienst KBS mit Sitz in Lübeck und die Berliner Webdesign-Agentur Netfish. „Echte Gewinne macht StickTo noch nicht, das ist auch gar nicht gewollt“, sagt Risse. Alles was reinkommt, soll investiert werden, damit StickTo weiter wächst. Interessierte Unternehmen finden Informationen und Ansprechpartner auf der Internetseite www.stick-to.de. „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Gespräche mit Unternehmen geführt, um herauszufinden, wo der Knackpunkt ist, wenn es um die Suche nach Fachkräften geht“, sagt Mertens.

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2023 habe das Unternehmen wieder gewaltige Schritte nach vorn gemacht. „Wir waren im Gateway49 in Lübeck“, so Mertens. Der Start-up-Accelerator (deutsch.: Beschleuniger) des Technikzentrums Lübeck hat sich zum Ziel gesetzt, Gründungen und Innovationen im Zuge der digitalen Agenda des Landes Schleswig-Holstein zu fördern. Bis zu 15 Teams werden pro Jahr durch ein strukturiertes neunmonatiges Coaching-, Mentoring- und Ausbildungs-Programm möglichst nah an die Marktreife herangeführt. „Das hat uns sehr weitergebracht“, sagt Mertens.

Außerdem war das Unternehmen unter den Preisträgern des Überflieger-Wettbewerbs, ein Schleswig-Holstein-weiter Wettbewerb, der vom Wirtschaftsministerium und den Vereinen Marketing Club SH, StartUp SH und The Bay Areas veranstaltet wird. Anfang des Jahres durften Philipp Özren und Julian Risse deshalb ins Silicon Valley reisen. „Da konnten wir auch viel mitnehmen und unseren Fokus verfeinern“, so Mertens. Inzwischen kooperiere das Unternehmen auch mit Schulen. „Wir merken, dass auch Eltern sehr an der App interessiert sind.“