Reinbek. Das Reinbeker Traditionsunternehmen wird 70 Jahre alt und will sich deutlich vergrößern, um die Zukunft zu sichern. Aber wo?

Als Christoph Boysen vor 70 Jahren in das Reinbeker Rathaus marschierte und nach einer freien Gewerbefläche für seine Zimmerei fragte, konnte er sich unter vielen eine aussuchen. Der damals 26 Jahre alte Zimmermann, der von der Hallig Langeneß über Sylt nach Reinbek kam, sicherte sich eine Fläche an der Klaus-Groth-Straße 7. „Damals war das hier noch grüne Wiese“, erinnert sich einer der Söhne, Zimmerermeister und Geschäftsführer Jens Boysen (62).

70 Jahre später kann davon nicht mehr die Rede sein. Grün sind hier nur noch die Bäume und Sträucher in den Vorgärten der Häuser gegenüber. Links und rechts der Zimmerei sind größere und kleinere Gewerbebetriebe angesiedelt. Und vor der Tür liegt eine Straße, die für die großen Laster mit Anhänger, die das Holz für die Dachstühle liefern, eigentlich zu eng ist.

Reinbeker Traditionszimmerei will wachsen und sucht neue Gewerbefläche

Der Firmengründer Christoph Boysen ist in diesem Jahr mit 95 Jahren nach einem erfüllten Leben gestorben und war bis zuletzt glücklich darüber, dass sein Lebenswerk auch in dritter Generation von seinem Enkel Jorne fortgesetzt wird. Der 28-jährige Zimmerermeister und studierte Betriebswirt hat vor drei Jahren die Geschäftsanteile seines Onkels Kai Boysen übernommen und führt seitdem die Zimmerei gemeinsam mit seinem Vater Jens.

Auf der grünen Wiese liegen die Anfänge der Boysen Zimmerei in Reinbek. Heute ist drumherum alles bebaut.
Auf der grünen Wiese liegen die Anfänge der Boysen Zimmerei in Reinbek. Heute ist drumherum alles bebaut. © bgz | Boysen Zimmerei

Und das ziemlich erfolgreich: Die Zimmerei hat über die Grenzen Reinbeks einen guten Ruf – sowohl bei den Kunden, von denen einige bereits ihr zweites Dach von Boysen haben errichten lassen, als auch bei den 40 Mitarbeitern, von denen viele bereits seit Jahrzehnten dem Unternehmen die Treue halten. Dienstjubiläen von 20, 30 oder 40 Jahren sind bei dem Reinbeker Handwerksunternehmen keine Seltenheit. „Eine harmonische Teamarbeit und eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre werden bei uns großgeschrieben“, sagt Jens Boysen.

Boysen Zimmerei bräuchte mindestens das Zweifache an Fläche

Das ist sicher auch ein Grund, warum die Zimmerei beim Nachwuchs begehrt ist, die jährlichen drei bis vier Azubi-Stellen nie frei bleiben. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit, weiß auch Jens Boysen durch sein über 35-jähriges ehrenamtliches Engagement als Prüfer in der Lübecker Handwerkskammer.

Damit diese erfolgreiche Arbeit auf allen Ebenen weitergeführt werden kann, ist die Zimmerei seit nunmehr drei Jahren auf der Suche nach einem neuem, größeren Gewerbegrundstück in Reinbek. Denn die 2500 Quadratmeter an der Klaus-Groth-Straße sind viel zu klein geworden. Platz zum Wachsen gibt es hier nicht mehr, jeder Quadratmeter ist bereits optimal genutzt und das Bürogebäude wurde schon aufgestockt.

Spaß und Freude an der Arbeit wird bei Boysen großgeschrieben. Viele der 40 ausschließlich männlichen Zimmerleute halten der Zimmerei seit Jahrzehnten die Treue.
Spaß und Freude an der Arbeit wird bei Boysen großgeschrieben. Viele der 40 ausschließlich männlichen Zimmerleute halten der Zimmerei seit Jahrzehnten die Treue. © bgz | Boysen Zimmerei

Mindestens das Doppelte, eher das Dreifache an Fläche, bräuchten sie, um das Unternehmen gut für die Zukunft aufstellen zu können, sagt Jorne Boysen. „Doch unsere Suche war bislang erfolglos – sowohl im Altbestand als auch bei neuen Flächen, von denen es in Reinbek keine gibt“, sagt Vater Jens Boysen enttäuscht, der sich in dieser Angelegenheit schon mehrfach ans Rathaus gewandt und ein wenig mehr Unterstützung erhofft hätte. Denn schließlich zahlen sie seit Jahrzehnten an die Stadt treu ihre Steuern in nicht unbedeutender Höhe und wollen das auch zukünftig tun. Der Stadt den Rücken zu kehren, in der die Unternehmensgeschichte begann, „kommt für uns nicht infrage. Das wollen wir unbedingt vermeiden“, sagt der Firmenchef.

19 weitere Reinbeker Unternehmen wollen sich erweitern und können es nicht

Deswegen setzen sie umso mehr ihre Hoffnung auf die Erschließung neuer Gewerbeflächen in der Stadt wie der auf dem Haidland, wo seit Jahren im Gespräch ist, das Gewerbegebiet Senefelder Ring um neun Hektar zu erweitern. Bürger sollen in einem Entscheid im Juni zeitgleich mit der Europawahl über diese Erweiterung abstimmen.

Die Boysens wären eine der ersten, die sich bei einer Erweiterung sofort eine Fläche sichern würden – neben 19 anderen Reinbeker Unternehmen, die ebenfalls Interesse bekundet haben. Die Liste der Unternehmen liegt bei der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) in Bad Oldesloe, die im Auftrag der Reinbeker Politik die Abfrage durchgeführt hat. Die WAS würde auch die Vermarktung der neuen Gewerbeflächen übernehmen. „Die Nachfrage ist groß, und Reinbek ist als Standort, um zu arbeiten und zu wohnen, sehr begehrt“, sagt WAS-Geschäftsführer Ulf Hahn.

Dass die Flächen schnell vergeben wären, darin ist er sich sicher. Zumal freie Flächen in Stormarn rar sind – auch gebrauchte Flächen mit Altbestand. Die sind im Vergleich zu neuen oft teurer, da der Eigentümer den Preis bestimmt. Die WAS hingegen ist laut Hahn als Auftraggeber der Kommunen nicht an einem Gewinn interessiert.

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Unabhängig vom Ausgang des Entscheids wird die WAS als Dienstleister der Stadt mit vorbereitenden Untersuchungen wie unter anderem die zum Artenschutz beginnen, um im Falle eines Falles schnell mit der Erschließung des Gewerbegebiets beginnen zu können. Mit den Eigentümern der potenziellen Fläche ist die WAS weiterhin in guten Gesprächen, an einem Teilverkauf der Fläche sind sie nicht interessiert.

„Wenn es optimal läuft, könnten frühestens in zwei Jahren die ersten Gewerbebetriebe auf die neue Fläche ziehen“, sagt Hahn. Ganz anders als früher werden Gewerbegebiete heute nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geplant. So gibt es unter anderem Beschränkungen bei den Bauhöhen und der Flächenversiegelung. „Nachhaltiges Bauen ist unser täglich Brot. Wir setzen mit energetischer Dachstuhlsanierung und PV-Technik quasi die Energiewende um“, sagt Zimmermann Jorne Boysen.