Barsbüttel. Auszeichnung für Felix Schüßler. Der 21-Jährige hat in einem Barsbütteler Betrieb gelernt und sogar seinen Chef getoppt.
Eigentlich will er Tischler werden, mit Holz arbeiten. Doch dann geschieht etwas Schlimmes: 2019 ist Felix Schüßler auf seinem Motorrad unterwegs und übersieht beim Linksabbiegen den Gegenverkehr. Er wird von einem Auto erfasst, reißt sich Kreuz- und Innenband. Die Maschine ist mit Ausnahme des Motors kaputt. Für eine Reparatur in einer Werkstatt fehlt ihm das Geld. Also tüftelt er selbst und macht die Maschine wieder startklar. „Dabei ist der Funke übergesprungen“, sagt der heute 21-Jährige mit Blick auf seine Berufswahl. Die Lehre in einem Barsbütteler Betrieb zum Zweiradmechatroniker mit der Fachrichtung Motorradtechnik hat er jüngst abgeschlossen und nicht nur seinen Chef überzeugt, der den jungen Mann übernahm. Schüßler ist Deutschlands bester Azubi in diesem Bereich.
Die Ehrung durch den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) war jetzt in Berlin. Ausgezeichnet wurden Nachwuchskräfte aus Dutzenden Gewerken. Mehr als 3000 Jugendliche und junge Erwachsene machten mit beim Wettbewerb um die Bundestitel, der unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier steht. Schüßler erhielt eine Urkunde, die jetzt an der Wand neben der Empfangstheke seines Arbeitsgebers hängt und für jeden gut sichtbar ist. Den Pokal hat er in seinem Zuhause in Billstedt.
Gute Zwischenprüfung ermöglichte Verkürzung der Ausbildung
Schüßler beginnt seine Lehre bei einem Hamburger Unternehmen, das dann jedoch nach Niedersachsen umsiedelt. Den langen Anfahrtsweg will der Auszubildende nicht auf sich nehmen, wechselt nach neun Monaten zu Stecher Motorradtechnik nach Barsbüttel. Eine Firma, die auf Reparaturen spezialisiert ist und keine Motorräder verkauft. Die Zwischenprüfung meistert er mit Bravour, kann so die Ausbildungszeit von dreieinhalb auf drei Jahre verkürzen. Bei der Gesellenprüfung erreicht der junge Mann 85,6 von möglichen 100 Punkten. Das bedeutet die Note zwei. Damit ist er Landessieger in Schleswig-Holstein. Es geht nach Frankfurt, wo sich die besten Nachwuchs-Zweiradmechatroniker aus den Bundesländern messen und den Deutschen Meister ermitteln.
Hier gilt es, vier Arbeiten zu erledigen in jeweils 45 Minuten: eine Ventilspielkontrolle, Montage einer Speichenfelge, Zusammenbau eines Vergasers sowie eines zerlegten Getriebes. „Das war anspruchsvoll, weil wir keine Unterlagen als Hilfsmittel benutzen durften“, sagt Schüßler. Mit Geschick und Gelassenheit bewältigt er die Aufgaben, sticht die Konkurrenz im Rennen um Platz eins aus. „Bei Felix habe ich sofort gemerkt, dass er die Begeisterung für den Beruf hat und vor allem hohe Ansprüche an sich selbst. Er zeigt sehr viel Eigeninitiative, ist mit Herzblut dabei“, lobt sein Chef Jan Stecher.
Für den Titel Landessieger erhielt Schüßler ein Stipendium
Von ungefähr kommt Schüßlers Faible für Motorräder nicht. Sein inzwischen verstorbener Opa ist früher 24-Stunden-Rennen gefahren. „Er hat mich im Alter von vier Jahren auf ein Pocketbike gesetzt, später haben wir zusammen geschraubt. Er hat mir das technische Verständnis vermittelt.“ Der Bundessieger fährt eine Maschine des japanischen Herstellers Yamaha mit der Bezeichnung FZR 600. Er nutzt sie aber nur im Sommer.
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In der Schule ist Schüßler alles andere als Spitze gewesen. Den mittleren Abschluss habe er gerade so eben geschafft. Doch das ist Schnee von gestern. Im Handwerk kommt sein Talent zum Tragen. „Meine Tätigkeit ist abwechslungsreich. Die Technik entwickelt sich immer weiter und man sich dadurch automatisch selbst“, sagt der Geselle. Für den Titel Landessieger hat er ein Stipendium erhalten, wird von der Begabtenförderung Gebrauch machen. Eines steht für Schüßler fest: Den Meisterbrief strebt er nicht an. „Ich habe keine Ambitionen, mich selbstständig zu machen und hier wegzugehen.“
Mit den Gegebenheiten in der Firma ist er zufrieden. „Mein Chef ist sehr entspannt. Es geht ihm nicht in erster Linie ums Tempo, sondern um eine gründliche Ausführung der Arbeiten.“ Auch die Anwesenheitszeiten kämen ihm entgegen, da er kein Frühaufsteher sei. Beginn ist um 9 Uhr ohne Schicht- und Wochenenddienst. Am häufigsten ist er mit Inspektionen beschäftigt, wechselt Verschleißteile wie Bremsen und Reifen. Doch es gibt auch aufwendigere Reparaturen, wenn zum Beispiel der Rahmen verzogen ist und alle Teile abgebaut werden müssen. „Das dauert in der Regel ein bis zwei Tage“, so Schüßler, der in seiner Freizeit Handball spielt, beim TV Billstedt Torwart ist, sowie für einen Spielmannszug trommelt.
Firmenchef Jan Stecher stockt 2024 das Personal auf
In der gut beheizten Werkstatt an der Straße Kiebitzhörn im Barsbütteler Gewerbegebiet zeigt der Geselle eine Maschine mit abmontiertem Sitz, die gerade auf Vordermann gebracht wird. Fünf Hebebühnen gibt es hier. In der Mitte des Raums steht ein Lasergravierer. Er wird benötigt, um bei Motorrädern, die in Rennserien zum Einsatz kommen, die Startnummern aufzutragen. Die Firma bietet auch Tuning an. Acht Mitarbeiter hat Jan Stecher derzeit, darunter zwei Auszubildende. Im März wird das Personal mit einem Mechaniker und einem Meister aufgestockt.
Der 34-Jährige gründete den Betrieb 2014 und begann allein. Das gemietete Gebäude hat 600 Quadratmeter Fläche auf zwei Ebenen. Hier werden auch Maschinen von Kunden eingelagert. Stecher sagt, er habe im Winter weniger klassische Reparaturaufträge als zur warmen Jahreszeit und deshalb die Angebotspalette erweitert. Neu ist die Oberflächenbehandlung mit Pulverbeschichtung und maschinellem Polieren. Das Unternehmen wird innerhalb der Gemeinde umziehen in eine eigene Immobilie im erweiterten Gewerbegebiet nahe Möbel Höffner. Terminiert ist der Umzug aber noch nicht..
Stecher ist wie Schüßler ein Vollbluthandwerker, hat im Alter von 20 Jahren den Meister gemacht. Was die beiden Männer noch eint: Auch der Firmenchef ist als Auszubildender Landeschampion gewesen. Bei der Deutschen Meisterschaft ging der Firmenchef jedoch leer aus – genauso wie die Konkurrenz. „Wir waren so schlecht im Wettbewerb, dass es keinen Bundessieger gab“, sagt der Unternehmer schmunzelnd.