Barsbüttel. Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn hat acht Grundstücke an Rahlstedter Straße verkauft. Die übrigen Flächen sind begehrt.
An der Rahlstedter Straße in Barsbüttel herrscht am Freitagmorgen reges Treiben, es wimmelt von Handwerkern. Der große Kran ist schon von Weitem zu sehen, daneben befinden sich mehrere Container, ein Betonmischer-Lastwagen fährt in Schrittgeschwindigkeit an einem Bagger vorbei. Auf einem Areal auf der gegenüberliegenden Seite ist das Fundament für ein Gebäude gegossen. Im dreigeschossigen Komplex in Holzrahmenbauweise auf dem Nachbargrundstück, der von einem Gerüst ummantelt ist, sind Fenster eingebaut. Dort wird im Herbst das Unternehmen Sinus Nachrichtentechnik einziehen. Der Maschinenbau-Spezialist Otto Littmann ist mit seiner Belegschaft schon da – im erweiterten Gewerbegebiet. Inzwischen hat die Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) acht Flächen an Firmen verkauft.
Mit der Erschließung begann sie im Juli 2020. Der Bereich für Betriebe in Barsbüttel an der Autobahn 1 ist um 15 auf 143 Hektar gewachsen. Vier Hektar der hinzugekommenen Fläche gehören Möbel Höffner. Für die Erweiterung des Gewerbegebiets tauschten das Einrichtungshaus und die Gemeinde ein Grundstück. Bei der Vergabe ihrer elf Hektar geht die WAS nach einem zweistufigen Bewertungssystem vor mit Punkten. „Im ersten Schritt schauen wir uns Unternehmen an in Sachen zu erwartende Gewerbesteuer, Bilanzzahlen und Arbeitsplätze, die entstehen oder gehalten werden. Wenn alles stimmt, stellt uns der Interessent seine baulichen Planungen für das Grundstück vor und bekommt dann eventuell den Zuschlag“, sagt Andreas Marx, WAS-Projektleiter für Ansiedlungsmanagement und Gewerbeflächenvermarktung.
Vier Unternehmen siedeln innerhalb der Gemeinde um
Zu berücksichtigen sei auch ein gesunder Branchenmix. Bevorzugt werden nach Angaben von Marx Firmen aus Maschinenbau, Informations- und Kommunikationstechnologie, Medizintechnik sowie Ernährungswirtschaft. Die WAS macht vor der Fixierung von Verträgen zudem Betriebsbesuche und holt sich darüber hinaus am Ende des Verfahrens das Einverständnis aus dem Rathaus. Die Gemeinde hat Mitspracherecht.
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Neben Sinus und Otto Littmann wurden Grundstückskaufverträge mit dem Hallen- und Zeltbauspezialist Haltec, Lebenmittelimporteur E.W.A. Wessendorf, Stecher Motorradtechnik, M&M Straßen- und Tiefbau, HVP Hansaverputzgesellschaft aus Siek und der B. Rahmann Bauunternehmung besiegelt. Vier dieser Betriebe wechseln den Standort innerhalb Barsbüttels, um sich zu vergrößern. „Durch diese acht Ansiedlungen werden 300 Arbeitsplätze neu geschaffen und gesichert“, sagt Marx.
30 Prozent der elf Hektar hat die WAS damit abgegeben. Sie wird keine Probleme bekommen, auch den Rest zu veräußern. Rund sechs Hektar sind für die im Ort ansässige Firma Hermann Stitz reserviert. Wie berichtet, plant der Spezialist für Haustechnik ein modernes Logistikzentrum mit Gründach und Solarmodulen. Der von der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft zugesagte Teil reicht aber nicht aus. Man benötigt zusätzliche 2,5 Hektar, hat den entsprechenden Acker von einem Landwirt auch schon erworben. Vereinbart ist ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass alle Stricke reißen. Denn dieser Teil gehört nicht zum Gewerbegebiet. Dieses müsste also noch einmal erweitert und der Bebauungsplan geändert werden.
Land entscheidet, ob Areal für Firmen noch einmal erweitert wird
Die Politik möchte das und hat den Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan gefasst. Gleichzeitig wurde Bürgermeister Thomas Schreitmüller beauftragt, den Antrag auf Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens beim Land zu stellen, was geschehen ist. In letzter Instanz entscheidet Schleswig-Holstein über die Vergrößerung.
Dass die Barsbütteler Entscheidungsträger das Projekt unterstützen, ist nur allzu verständlich. Hermann Stitz ist einer der größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde. Die 1924 gegründete Firma zog 1967 von Hamburg nach Barsbüttel und hat derzeit rund 530 Mitarbeiter, 450 von ihnen sind in Stormarn tätig. Der Großhändler hat Niederlassungen in Hamburg und Lübeck. Er geht davon aus, dass der Umzug klappt. Die Gemeinde wiederum benötigt Steuern von Unternehmen für zum Beispiel soziale Leistungen wie die Kinderbetreuung und Neubauten von Feuerwehrgerätehäusern. Finanziell ist es um Barsbüttel nicht gut bestellt. Die Schulden steigen von derzeit rund 22 Millionen Euro auf knapp 43 Millionen im Jahr 2026 – wenn alle angedachten Projekte umgesetzt werden. Der Gewerbesteuerhebesatz liegt bei 400 Prozentpunkten. Zum Vergleich: In Stapelfeld sind es 300, in Siek 320 und in Ahrensburg 380.
Halbes Dutzend Bewerber für eine 3700-Quadratmeter-Fläche
Projektleiter Marx sagt mit Blick auf Vertragsabschlüsse: „Wir haben keine Eile, da das Gebiet uns fast schon unter den Fingernägeln weggerissen wird. Wir könnten noch viel mehr Unternehmen ansiedeln, doch leider hapert es an der Flächenverfügbarkeit.“ Auch die restlichen drei Grundstücke mit 10.700, 3700 und 1200 Quadratmetern sind heiß begehrt. Erstgenanntes ist für einen Barsbütteler Betrieb verbindlich reserviert. Die Frist läuft laut Marx demnächst ab. Die Firma muss sich demnach entscheiden. Auch der kleinste Teil ist einem Unternehmen versprochen. Bleiben also die 3700 Quadratmeter übrig. Hier sind nach WAS-Angaben ein halbes Dutzend Bewerber im Rennen.
Ursprünglich wollte sich Barsbüttel beim ersten grenzübergreifenden Gewerbegebiet der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg einbringen und rund 40 Hektar nördlich in Richtung Rahlstedt ausweisen. Das Innenministerium in Kiel sagte Nein. Jetzt wird das Projekt in Stapelfeld umgesetzt. Auch dort ist die Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn für die Erschließung zuständig und verkauft Grundstücke.