Barsbüttel. Sinus entwickelt Kommunikationssysteme für Rettungsdienstleitstellen. Die Firma zieht in diesem Jahr um, investiert 5,5 Millionen Euro.

Nahezu 800 Prozent mehr Personal binnen zwölf Jahren. Das ist ein Pfund und zeigt, dass Marcus Landschof so ziemlich alles richtig gemacht hat. Der 40-Jährige ist seit 2011 Geschäftsführer der Firma Sinus Nachrichtentechnik mit Hauptsitz in Barsbüttel, die Kommunikationssysteme für Rettungsdienstleitstellen, Flughäfen und große Unternehmen entwickelt. Das Leistungsspektrum beinhaltet zum Beispiel Funk, Einbau sowie Wartung. Inzwischen reicht der Platz am Standort an der Straße Kiebitzhörn in der gemieteten Immobilie nicht mehr aus. Deshalb zieht der Betrieb im September oder Oktober um ins erweiterte Gewerbegebiet nahe Möbel Höffner. Das Investitionsvolumen für Gebäude und Grundstück beträgt 5,5 Millionen Euro.

Landschof ist an diesem Morgen nach zwei Wochen mal wieder auf der Baustelle. Er hatte Urlaub. Auf dem 3800-Quadratmeter-Areal ist ein Kran platziert, die Arbeiten gehen zügig voran. Die Handwerker freuen sich schon auf das Mittagessen. Heute zahlt Sinus dafür. So wird es einmal pro Woche gehandhabt. Die Kräfte können sich die Mahlzeit wünschen. Beliebt sind Pizza und Gyros.

Neues Gebäude hat 3000 Quadratmeter Büro- und Lagerfläche

Der dreigeschossige Komplex entsteht in Holzrahmenbauweise inklusive Wärmepumpe und Photovoltaikanlage. Der Klimaschutz wird mitgedacht bei dem Projekt. Auch bei den Fahrzeugen sind die Barsbütteler fortschrittlich aufgestellt. 14 E-Autos umfasst die Flotte. Und es sollen noch mehr werden. Das neue Gebäude hat 3000 Quadratmeter Büro- und Lagerfläche, aktuell sind es 1250. Man kann bei Landschofs Ausführungen die Vorfreude auf den Einzug förmlich spüren. Es ist ein Meilenstein in der Firmengeschichte. 1983 in Lohbrügge gegründet, wurde der Sitz später nach Wandsbek verlegt. 2011 siedelte man nach Barsbüttel um.

Sinus-Geschäftsführer Marcus Landschof vor dem Neubau im erweiterten Barsbütteler Gewerbegebiet.
Sinus-Geschäftsführer Marcus Landschof vor dem Neubau im erweiterten Barsbütteler Gewerbegebiet. © René Soukup

In jenem Jahr übernahm Landschof das Ruder. Seinerzeit waren elf Menschen im Betrieb tätig. Inzwischen sind es 85, davon 55 in Barsbüttel. Dependancen gibt es in Greifswald, Kamen, Ludwigsburg und Pforzheim, wo die Software konstruiert wird. Der Geschäftsführer ist einer von vier Gesellschaftern, hält 75,5 Prozent der Anteile. Er machte im Betrieb von 2002 an ein duales Studium zum Techniker und Informationselektroniker. Danach ging er auf die Universität Hamburg und erwarb das Diplom in Betriebswirtschaftslehre. Das erlangte Know-how war das Rüstzeug für den Schritt in die Selbstständigkeit.

Seine Firma gewinnt immer mehr Marktanteile, schraubte den Jahresumsatz zuletzt auf 18 Millionen Euro. Man wirtschaftet solide. Landschof: „Die Vorfinanzierung von Projekten bestreiten wir aus Eigenmitteln.“ Er nennt das Beispiel Brandenburg mit fünf Leitstellen und einen Auftragswert von 4,7 Millionen Euro für unter anderem Hardware und Lizenzen. Den Vorteil seiner Branche beschreibt er so: „Wir sind nicht abhängig von der Konjunktur. Denn ohne uns gibt es keinen Notruf.“

Sinus stattet Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe aus

In den kommenden fünf Jahren plant Sinus bundesweit bis zu 30 Neueinstellungen. Fachkräftemangel ist für Landschof kein Thema: „Wir helfen Leben von Menschen zu retten mit IT-Skills. Das kommt gut an.“ Viele Mitarbeiter seien in freiwilligen Feuerwehren, beim Deutschen Roten Kreuz oder bei den Johannitern, nutzten im Ehrenamt solche Kommunikationssysteme. „Für den Standort Barsbüttel benötigen wir sieben Techniker und einen Projektmanager, können die Personen derzeit aber nicht unterbringen“, sagt der Unternehmer. Das wird sich demnächst ändern. Vorerst heißt es aber noch zusammenrücken.

In der Halle sind derzeit zwei Fahrzeuge dicht nebeneinander geparkt. Das größere Mobil ist ein Einsatzleitwagen aus Sachsen-Anhalt. Helge Schlinzig (57) und Christian Hagen (46) bauen gerade neue Technik ein, in der Fahrerkabine sind jede Menge Kabel sichtbar. Rund drei Wochen werden sie bis zur Fertigstellung beschäftigt sein. Zu den Kunden gehört auch der Kreis Stormarn. Sinus stattet die neue Integrierte Regionalleitstelle Süd (IRLS) in Bad Oldesloe aus. Weitere Auftraggeber sind der Bayer-Konzern, Henkel, die Flughäfen Hannover und Köln/Bonn. Außerdem arbeiteten die Barsbütteler für die Berufsfeuerwehr Dortmund. Dutzende Rettungsleitstellen werden hierzulande bedient.

Eine Visualisierung vom Neubau. Der Komplex hat drei Geschosse und wird in Holzrahmenbauweise erstellt.
Eine Visualisierung vom Neubau. Der Komplex hat drei Geschosse und wird in Holzrahmenbauweise erstellt. © Architekt Eildert van Hove

Sinus setzt bei seinen Aktivitäten auf das Baukastenprinzip. Kunden wählen sich Elemente aus für ihr System. Das gewährleistet eine passgenaue Benutzeroberfläche, wie es im Fachjargon heißt. Vereinfacht ausgedrückt sorgt das Unternehmen für die Verbindung zwischen Anrufer, Dispatcher und Rettungswagen. Landschof betont die flachen Hierarchien in seinem Betrieb, alle duzen sich. Er legt Wert auf Mitbestimmung. Ein Team aus sieben Personen, darunter Techniker und Verwaltungskräfte, beraten über Strategie und Personalzuwachs. Über dieses Gremium wurde auch das neue Logo bestimmt. Beim Neubau ging man sogar noch kleinteiliger vor. „Es gab acht Arbeitsgruppen mit jeweils bis zu sieben Mitgliedern, wo die jeweiligen Bedürfnisse formuliert wurden“, sagt Landschof.

Am neuen Standort wird Sinus Nachbar von Firmen, die sich ebenfalls vergrößern und innerhalb der Gemeinde umziehen. Das Gewerbegebiet in Barsbüttel an der Autobahn 1 ist um 15 Hektar gewachsen auf jetzt 143. Es könnte sich noch weiter ausdehnen. Wie berichtet, will auch Hermann Stitz, Spezialist für Haustechnik und einer der größten Gewerbesteuerzahler, den Sitz verlegen. Dafür muss der Bebauungsplan geändert werden. Die Politik unterstützt das. In letzter Instanz entscheidet aber das Land Schleswig-Holstein. Bürgermeister Thomas Schreitmüller hat den Antrag auf Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens gestellt.