Oststeinbek. Jahrzehnte beschäftigte sich Karlheinz Schmidt in seiner Freizeit mit der Historie der Gemeinde. Warum er nicht mehr publizieren will.
Sein jüngster Aufsatz heißt „Oststeinbeks Straßennamen im Wandel von Geschichte und Zeitgeist“. Er wird 2025 im Jahrbuch des Heimatbunds Stormarn veröffentlicht, der als Herausgeber für den Kreis fungiert. Es ist das letzte literarische Werk von Karlheinz Schmidt über die Historie der rund 9000 Einwohner zählenden Gemeinde. Der 85 Jahre alte Geschichtsschreiber ist frustriert und findet, dass sein ehrenamtliches Engagement nicht genügend gewürdigt wird.
Konkret geht es um Artikel von ihm für das Gemeindeblatt „Oststeinbek Aktuell“. In den Ausgaben Oktober und Dezember fehlen diese nämlich. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Denn schon in der Vergangenheit ist er unzufrieden gewesen, weil seine Vorschläge wie zum Beispiel zur Namensgebung der neuen Grundschule von der Politik nicht berücksichtigt wurden.
Schmidt hat Texte für das Gemeindeblatt zurückgezogen
Aber der Reihe nach: Schmidt, von 2000 bis 2006 ehrenamtlicher Archivar, und Bürgermeister Jürgen Hettwer haben eine Vereinbarung. Demnach kann der Senior auf den Seiten des Mitteilungsorgans, die von der Verwaltung bestückt werden, in Kolumnen Straßennamen erläutern. Auch Parteien, Vereine, Verbände und Freiwillige Feuerwehr berichten jeden Monat in dem Blatt und haben dabei die redaktionelle Hoheit für ihre Inhalte. „Durch meine Beiträge sollte die Bevölkerung zudem informiert werden, dass das Gemeindearchiv auch einen Nutzen abwirft und nicht nur Unterlagen sammelt“, sagt Schmidt. Dieses ist zugänglich, jedermann kann unter Aufsicht einer Verwaltungskraft in den Dokumenten stöbern.
- Dem Todesflug nach Oststeinbek auf der Spur
- Warum Oststeinbek eine marode Tennisanlage kauft
- Stormarner Wohnungsgesellschaft: Oststeinbek würde mitmachen
Dass zwei seiner Texte nicht veröffentlicht wurden, wurmt den Senior gewaltig: „Diese Tatsache hat mir vor Augen geführt, dass meine historischen Beiträge nicht erwünscht sind. Als Konsequenz dieser Erkenntnis habe ich jegliche Zuarbeit und Befassung mit der Geschichte Oststeinbeks eingestellt.“ Er unterhält nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis zum Bürgermeister und will ihm die Sache nicht persönlich ankreiden. Der Hobbyhistoriker hat den Verwaltungschef jetzt angeschrieben und seine Ausführungen für die Januarausgabe von „Oststeinbek Aktuell“ zurückgezogen.
Namensvorschlag für neue Grundschule fiel durchs Raster
Hettwer sagt, die Nichtveröffentlichungen seien ein Versehen gewesen, also auf eine Unachtsamkeit zurückzuführen. Seinen Mitarbeitern macht er aber keinen Vorwurf mit dem Hinweis, dass er für die Seiten der Verwaltung redaktionell verantwortlich ist. „Ich schätze die Arbeit von Herrn Schmidt und sein Engagement sehr, schlage vor, dass wir uns noch einmal zusammensetzen. Ich möchte seine Beiträge zu den Straßennamen weiter drucken lassen“, so der Rathauschef.
Schmidt sagt, seine Verbitterung sei über Jahre gewachsen und nennt als Beispiel ein Waldstück, das der inzwischen verstorbene Bürgervorsteher Helmut Landt hat anlegen lassen, der auch Rektor der Schule in Oststeinbek gewesen ist und die seinen Namen trägt. Der Geschichtsschreiber ist der Meinung, dass Landts Wirken auf den schulischen Bereich reduziert und seiner Lebensleistung nicht gerecht wird. Deswegen wollte er, dass das Gehölz nach dem Ehrenbürger benannt wird und schrieb 2014 die Fraktionen an. Gehör fand er nicht.
Das gilt ebenso für die neue Lehranstalt, die gerade als Ersatz für die jetzige gebaut wird. Im April dieses Jahres beschloss die Gemeindevertretung, dass die Bildungsstätte nur noch Grundschule Oststeinbek heißt, der Name Helmut Landt gestrichen wird. Schmidt hatte den Vorschlag einer Benennung nach Heinrich Kröger gemacht: ein Lehrer, der von 1900 bis 1946 Kinder in Oststeinbek unterrichtete und nach seinen Recherchen sehr beliebt gewesen ist. Die Nominierung begründete er in epischer Breite, rüffelte die Politik für deren Entscheidung. Andere Personen hatten bei einem Ideenwettbewerb Bezeichnungen eingebracht, die ebenfalls durchs Raster fielen. Es heißt, Schmidt sei sehr eitel und nehme Sachen zu persönlich. „Ich bin einer, der sich nicht viel sagen lässt“, sagte er einmal dieser Redaktion über die Zeit im Berufsleben.
Hobbyhistoriker lösen Rätsel um Absturz eines US-Bombers 1944
Der Volljurist war in führenden Positionen beim Zoll, unter anderem Pressesprecher. Seine Dienste für die Gemeinde sind unbestritten. Er verfasste zum Beispiel die 56 Seiten umfassende Jubiläumsschrift zum 50. Geburtstag des Oststeinbeker SV, legte ein sogenanntes Totenbuch mit Opfern der beiden Weltkriege an und brachte eine Zeittafel auf Vordermann – ein chronologisch geordnetes Gerüst von historischen Daten und Geschehnissen, die ortprägend waren. Mit einem Bekannten löste Schmidt zudem das Rätsel um den Absturz eines US-Bombers 1944 in der Feldmark. Um die Umstände des Unglücks zu klären, sprachen die beiden Männer mit Zeitzeugen und studierten zahlreiche Dokumente.
Schmidt ist ein wandelndes Lexikon. Er kennt Details über jede Person, deren Name eine Straße im Ort ziert. Wäre es nach ihm gegangen, hätte die Gemeinde unter den Schildern jeweils ein weiteres angebracht zwecks Erklärung. Auch dieses Ansinnen stieß auf keine Gegenliebe. „Ich habe zum positiven Image von Oststeinbek beigetragen und mit Leidenschaft geschrieben. Insofern tut der Rückzug schon ein bisschen weh“, sagt der in Kaiserslautern geborene und seit 1973 in Oststeinbek lebende Mann.