Reinbek. Kirche hatte 41.000 Euro für Lebensmittelausgabe beantragt. Jetzt steht das Projekt in Reinbek vor dem Aus.

Die ehrenamtlichen Helfer des Kirchentisches, wie die Tafel in Reinbek heißt, sind fassungslos: Die Politiker haben dem Projekt für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine ihre Unterstützung versagt. Durch die Haushaltsberatungen ist der Antrag der evangelischen Kirche auf 41.000 Euro, um das Projekt für 2024 zu finanzieren, rundweg abgelehnt worden.

Pastorin Bente Küster kann das noch gar nicht glauben: „So wie es aussieht, wird es am Montag vor Weihnachten die letzte Lebensmittelausgabe mit Suppenküche für die Geflüchteten aus der Ukraine geben.“ Denn im Gegensatz zur Ausgabe am Freitag mit Unterstützung der Tafel, läuft dieses Projekt nicht durch gespendete Lebensmittel, die Ehrenamtlichen kaufen vielmehr mit Spenden Lebensmittel an, um sie an die Bedürftigen weiterzugeben.

Politik versagt Reinbeker Tafel die finanzielle Unterstützung

Doch die Spenden sind mittlerweile aufgebraucht, die Zahl der Kunden bei den Tafeln nimmt durch die steigenden Kosten hingegen zu. Zuerst nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine waren sowohl die Hilfsbereitschaft als auch die Spendenbereitschaft in Reinbek so groß, dass die Kirchengemeinde Reinbek-West gleich eine eigene Lebensmittel- und Spendenausgabe für die Geflüchteten auf die Beine stellen konnte. Neben der Lebensmittelausgabe des Kirchentisches am Freitag wurden die Ukrainehilfe und zusätzlich noch die Suppenküche am Montag ins Leben gerufen.

„Anfangs war die Spendenbereitschaft überwältigend“, erzählt Pastorin Bente Küster. „Es war Wahnsinn, wie viele Ehrenamtliche sich bereit erklärten, mit anzupacken. Bereits zwei Monate nach dem Angriff Russlands auf das Land konnte die Ausgabe für die Geflüchteten in der Nathan-Söderblom-Kirche eröffnen und seitdem auch immer aufrechterhalten werden.“ Leider habe sich das nun geändert. Schon im Sommer hatte die Pastorin Alarm geschlagen, weil die Spenden, die für die Montagsausgabe benötigt werden, etwa 300 Euro pro Woche, fast aufgebraucht waren.

Pastorin Bente Küster bittet um Hilfe für den Reinbeker Kirchentisch und die Ukrainehilfe.
Pastorin Bente Küster bittet um Hilfe für den Reinbeker Kirchentisch und die Ukrainehilfe. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Zu Weihnachten gibt es kein Geld mehr für Lebensmittel

Jetzt ist es so weit: Zu Weihnachten sind die Spenden aufgebraucht. Jede Woche kommen mehr als 100 Abholer, insgesamt werden etwa 300 Menschen damit versorgt. Die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine ist in Reinbek von 35 vor Kriegsbeginn auf heute weit mehr als 300 gestiegen, Tendenz weiter steigend. Dennoch waren die Ehrenamtlichen voller Hoffnung. „Denn man hatte uns signalisiert, dass die Stadt uns helfen könnte“, erzählt Pastorin Küster.

Während der Freitagsausgabe versorgt der Reinbeker Kirchentisch, der 2015 gegründet wurde, jede Woche etwa 80 Haushalte. Ein Hilfsprojekt für viele Reinbekerinnen und Reinbeker. Es wurde mit dem Bürgerpreis der Stadt ausgezeichnet. Die ehrenamtliche Arbeit ist nicht immer einfach. Denn eine Kiste Kartoffeln kann schon einmal bis zu 20 Kilogramm wiegen. Dabei sind viele der Helfer im Rentenalter. Die dort ausgegebenen Lebensmittel werden von der Bergedorfer Tafel auf Märkten und von Supermärkten gesammelt. Sie sind noch haltbar, gelten aber aus anderen Gründen als unverkäuflich. Bei der Tafel verstößt ein Ankauf der Lebensmittel gegen die Statuten.

Ablehnung – ein „Armutszeugnis“ für die Stadt Reinbek

Doch man fürchtete, dass diese Freitagsausgabe dem Ansturm der Menschen aus der Ukraine nicht gewachsen sein würde. Dass man einen Aufnahmestopp verhängen oder schlimmer noch, das Projekt schließen müsste. Deshalb hatte man vor gut zwei Jahren die zweite Ausgabe organisiert. Jetzt weiß niemand, was passiert, wenn die Montagsausgabe schließen muss.

„Die Stadt Reinbek soll doch froh sein, dass jemand diese soziale Arbeit für sie übernimmt“, sagt Heinz-Dieter Weigert, Vorsitzender des amtierenden Seniorenbeirats empört. „Damit, dass Reinbek es sich nicht leisten will, dieses Projekt für Bedürftige zu unterstützen, stellt sich die Politik ein wahres Armutszeugnis aus.“ Für andere Investitionen sei Geld da.

Alle freiwilligen Leistungen der Haushaltskonsolidierung geopfert

Während der Sitzung der Stadtverordneten machte Weigert seinem Ärger Luft: „Ich bin tief enttäuscht“, schimpfte er und an die Adresse der Christdemokraten mahnte er ironisch: „Sehr christlich!“, und an die der Sozialdemokraten: „Sehr sozial!“ Beide Parteien hatten ebenso wie die FDP gegen die Finanzierung durch die Stadt gestimmt, Grüne, Forum21 und der fraktionslose Peter Huschke dafür. Unter den Bedürftigen, die die Freitagsausgabe nutzen, sind viele Senioren mit einer kleinen Rente. Auch die Omas gegen Rechts hatten an die Politik appelliert, das Projekt finanziell zu unterstützen.

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Bürgervorsteherin Brigitte Bortz (CDU) verteidigt die mehrheitliche Entscheidung der Politik: „Wir haben 2024 ein Minus von mehr als 4,8 Millionen Euro in der Kasse. Natürlich würden wir gern viele kleine Projekte in der Stadt unterstützen. Aber die summieren sich auf und dann hätten wir im Ergebnis eine weitere Million Euro als Defizit. Deshalb haben wir – in der CDU – alle freiwilligen Leistungen gekürzt. Die Geflüchteten aus der Ukraine erhalten doch immerhin Bürgergeld und ihnen wird die Miete gezahlt. Menschen aus anderen Ländern bekommen nur das Flüchtlingsgeld.“

Kann Reinbek es sich leisten, dass die Ukraine-Hilfe scheitert?

Sie warnt davor, die freiwilligen Leistungen mit Investitionen in einen Topf zu werfen. So kritisieren Insider, dass es sich die Stadt leistet, die Villa Berger neben dem Rathaus als Ausbaureserve für die Verwaltung zu erwerben – für einen hohen sechsstelligen Betrag plus zu erwartender Sanierungskosten. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, es sind zwei verschiedene Planungsbereiche im Haushalt“, betont die Politikerin. „Die Entscheidungen in den Fachausschüssen kommen immer und jedes Jahr während der Haushaltsberatungen wieder auf den Prüfstand. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger allerdings schwer zu durchschauen“, räumt sie ein.

Günther Herder-Alpen beantwortet dieselbe Frage ganz anders: „Eine derartige Investition zahlen wir ja nicht aus der Portokasse. Wir werden dafür Kredite aufnehmen müssen. Und diese Raten müssen wir uns im Ergebnishaushalte auch verdienen.“ Für die Grünen sagt er: „Wir werden uns am Montag vor Weihnachten noch einmal zusammensetzen und überlegen, wie wir das Projekt sicherstellen können. Das kann doch nicht an einer Haushaltsdebatte scheitern!“

Einladung, ins Gespräch zu kommen

Auch Pastorin Bente Küster mag noch nicht an das Ende dieser Lebensmittelausgabe glauben. Sie befürchtet, dass die Geflüchteten zur Ausgabestelle am Freitag kommen könnten. „Es ist nicht die Aufgabe der Ehrenamtlichen, sich um mögliche Verteilungskämpfe zu kümmern“, stellt sie fest. Sie lädt alle Politiker ausdrücklich dazu ein, miteinander ins Gespräch zu kommen, um eine Lösung zu entwickeln. Unabhängig davon, ist sie dankbar für Spenden. Unter Telefon 040/73091165 ist sie zu erreichen.