Lübeck/Aumühle. Prozess um Tötungsdelikt in Aumühle endet mit Urteil. Angeklagter äußert Bedauern und kämpft am Ende mit den Tränen.
Acht Jahre und sechs Monate Haft wegen Totschlag: So lautet die Strafe für den 54 Jahre alten Mann aus Aumühle, der im März seine Frau in der gemeinsamen Wohnung erwürgt hat. Am Dienstag, 28. November, wurde nach sechs Verhandlungstagen vor dem Landgericht Lübeck das Urteil verkündet. Rund 20 Zeugen waren im Laufe der Hauptverhandlung vernommen worden, darunter neben Polizeibeamten auch zahlreiche Familienmitglieder.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Alexander S. (alle Namen geändert) seine Frau Olga H. am Abend des 8. März gegen 22.10 Uhr erwürgt hat, nachdem ein Streit zwischen den Eheleuten eskaliert war. „Hintergrund der Tat war die schwierige Beziehung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten“, so Richterin Gesine Brunkow. Alexander S. und Olga H. waren seit 2009 verheiratet. Olga H. hatte aus erster Ehe zwei erwachsene Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Zusammen hatte das Paar zwei drei- und zwölfjährige Söhne. Seit der Tat leben sie bei ihrer Großmutter.
Alexander S. hat seine Frau am 8. März in der Wohnung in Aumühle erwürgt
Immer wieder hatte es Streit und auch Gewalt in der Beziehung gegeben. 2021 hatte Olga H. ihren Mann wegen häuslicher Gewalt angezeigt, nachdem er sie mutmaßlich gegen den Kühlschrank gestoßen hatte, verzichtete aber auf ein Gerichtsverfahren. „Ein Grund für die Konflikte war unter anderem die Aufgabenverteilung in der Familie“, so die Richterin. Der Angeklagte war als Hausmann für Haushalt und Kinder zuständig, seine Frau betrieb zu Hause ein Kosmetikstudio, war allein für die finanzielle Versorgung der Familie zuständig – und nicht zufrieden damit, wie ihr Mann sich um Haus und Kinder gekümmert oder eben nicht gekümmert hat.
Ein weiterer Konfliktherd: Sexualität. „Der Angeklagte war eher zurückhaltend, seine Frau hatte andere Vorstellungen und wünschte sich mehr“, so die Richterin. 2014 und 2021 soll Olga H. Affären mit anderen Männern gehabt haben. Auch bestand noch Kontakt zu ihrem Ex-Mann, dem die Getötete noch am Tatabend ihre Liebe gestand. Doch: „All die jahrelangen Probleme haben auf beiden Seiten nie zur Umsetzung von Trennungsgedanken geführt“, so die Richterin.
Am Weltfrauentag war ein Streit zwischen den Eheleuten eskaliert
Am 8. März schließlich eskalierte die angespannte Situation zwischen den gebürtigen Russen. Es war Weltfrauentag, ein Feiertag, der im Heimatland von Alexander S. und Olga H. intensiv gefeiert wird. „Es ging alles freundlich los“, so Richterin Brunkow. Die erwachsene Tochter und ihr Freund sollen eingekauft und gekocht haben, gegen 16 Uhr wurde gemeinsam gegessen und auch Alkohol getrunken.
Im Verlauf des Abends nahm Olga H. per Handy Kontakt zu ihrem Ex-Mann auf. Als er das Angebot ausschlug, vorbeizukommen und gemeinsam zu feiern, reagierte sie emotional, sprach kurzzeitig von einer Trennung von ihrem Mann, nahm die Aussage kurz darauf zurück, gestand ihrem Ex-Mann ihre Liebe.
Ehe war geprägt von Streit über Geld und Intimleben
„Kurze Zeit später entbrannte zwischen den Eheleuten ein Streit über das Intimleben“, so die Richterin. Beide hatten zu diesem Zeitpunkt bereits etwas getrunken. Um kurz vor 22 Uhr nahm das Geschehen seinen Lauf: Olga H. warf mit Flaschen nach ihrem Mann, schlug ihm mit der Hand ins Gesicht. „Der Angeklagte schlug mit der Faust zurück“, so die Richterin. „Als sie zu Boden ging, schlug er weitere drei Male zu.“
Olga H. versuchte zu fliehen, ihr Mann packte sie und entschied sich, so die Überzeugung des Gerichts, in diesem Moment, sie zu töten. „Ihm war bewusst, dass er ihr körperlich überlegen war“, so Brunkow. Alexander S. kniete auf seiner Frau und drückte von etwa 22.10 bis 22.15 Uhr ihren Hals, bis sie völlig schlapp und regungslos war und nicht mehr atmete.
Die Kinder waren während der Tat in der Wohnung
Die Kinder waren während der Tat im Haus. Damit sie die Leiche ihrer Mutter nicht sehen, wickelte Alexander S. sie in ein Laken und in schwarze Folie ein, trug sie ins Schlafzimmer und stellte einen Stuhl vor die Tür. Am nächsten Morgen brachte er die Kinder zur Großmutter und stellte sich der Polizei, der er das Tatgeschehen umfassend schilderte.
Das Landgericht Lübeck ist überzeugt, dass sich die Tat so abgespielt hat. „Wesentlich dafür war das Geständnis des Angeklagten“, so Richterin Brunkow. Dass die Getötete ihren Mann wie vom Angeklagten behauptet wenige Tage vor der Tat umbringen wollte, nahm das Gericht ihm nicht ab. „Die vage Darstellung im Gegensatz zur genauen Schilderung seiner Tat sowie die Tatsache, dass er nichts unternommen hat, lassen ganz erhebliche Zweifel zu“, so Brunkow. Außerdem habe Olga H. kein Motiv gehabt.
Der Angeklagte handelte weder in Affekt, noch war er stark alkoholisiert
Da es sich um eine spontane Tat aus einem Streit heraus handelte, sprach das Gericht Alexander S. wegen Totschlags und nicht wegen Mordes schuldig. Eine Notwehrsituation habe eindeutig nicht vorgelegen. Auch eine Strafrahmenverschiebung wegen erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit komme laut Brunkow nicht infrage. Der Angeklagte habe weder im Affekt gehandelt noch sei er stark alkoholisiert gewesen. Dagegen sprachen seine genaue Erinnerung und sein strukturiertes Vorgehen. Wie eine Gutachterin vor Gericht darlegte, können auch psychische Erkrankungen jeder Art ausgeschlossen werden.
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Für den Angeklagten gesprochen habe laut Gericht, dass er nicht vorbestraft ist, die Tat selbst angezeigt hat, sich bei der Polizei geständig zeigte, es sich um eine spontane Tat nach einem Konflikt handelte, der Alkohol enthemmend gewirkt hat und die Situation emotional aufgeladen war. Zudem habe der Angeklagte Bedauern zum Ausdruck gebracht. Gegen den Angeklagten spreche, dass die Familie durch die Tat schwer geschädigt wurde. Die gemeinsamen minderjährigen Kinder haben nicht nur ihre Mutter, sondern auch die Nähe zum Vater verloren.
Die erwachsene Tochter, die Mutter und Schwester der Getöteten tauchten im Prozess als Nebenklägerinnen auf. Nebenklägervertreter Sönke Christian Mühlfeld hatte eine Haftstrafe nicht unter zehn Jahren gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte für acht Jahre und sechs Monate und die Verteidigung für weniger als acht Jahre und sechs Monate plädiert. Der Angeklagte, der immer wieder mit den Tränen kämpfte, sagte zuletzt: „Ich bedauere, dass es geschehen ist. In der Situation, in der ich mich befunden habe, habe ich keinen anderen Ausweg gesehen. Es tut mir schrecklich leid.“